- Kapitel 16 -

237 28 3
                                    

Lukes Sicht

Wie Jules erklärt hatte, kam nach zwei Stunden ein Arzt und erkundigte sich nach meinem Befinden.

»Wie geht's dir denn? Noch Schmerzen?«, wollte er wissen. Es war der Arzt, der mich bereits Samstag betreut hatte.
Wieder schlug mein Herz schneller als es sollte.
Leider bekam es durch das Piepen des Monitors jeder im Raum mit.

»Keine Schmerzen und auch sonst geht es mir gut«, brachte ich trotz Angst hervor. Ich wollte einfach schnellstmöglich nach Hause.

Er nickte und schaute auf den Monitor, der meine Werte zeigte.

»Das sieht auch soweit alles gut aus. Dein Onkel hat sich bereiterklärt regelmäßig nach der OP Wunde zu schauen. Das erspart dir ein paar Fahrten hierher. Dennoch wird in einer Woche und in drei Wochen hier nochmal geröntgt, um zu schauen, ob die Knochen gut zusammengewachsen sind. Erst nach Woche drei wird entschieden, ob die Gipsschiene ab darf oder noch etwas bleiben muss. Das Metall in deinem Arm bleibt noch etwas länger«, erläuterte er das weitere Vorgehen.

Das Jules nach der Wunde schauen sollte war für mich Fluch und Segen zugleich. Einerseits musste ich nicht ins Krankenhaus, andererseits musste ich Jules an mich ran lassen. Das letztere war jedoch das kleinere Übel von beiden.

»Wenn keine weiteren Fragen mehr sind und du dich fit genug fühlst, darf Jules dich von den Kabeln befreien und du kannst versuchen aufzustehen«. Ich nickte.
Fit genug fühlte ich mich, wenn auch noch etwas müde.

Jules kam zu mir. »Darf ich?«, fragte er nach Erlaubnis. Nickend stimmte ich zu. Er hatte schließlich nett gefragt.

Der Fingerklipp kam zuerst ab, darauf folgte die Blutdruckmanschette und zu guter Letzt die Kabel an meinem Brustkorb. Die Klebedinger waren widerspenstiger als erwartet und ließen sich nicht so einfach lösen. Letztendlich verschob ich das auf später und versuchte vorsichtig aufzustehen.

Erst setzte ich einen und dann den anderen Fuß auf den Boden. Mit der linken Hand hielt ich mich am Bettgestell fest. Sicher war sicher. Anfangs war mir etwas schwindelig, doch das Gefühl legte sich nach ein paar Sekunden wieder.

»Lauf Mal ein paar Schritte«, forderte Dr. Kühnert mich auf. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das ging erstaunlich gut.
»Okay. So kann ich dich mit gutem Gewissen in die Obhut deiner Familie geben. Falls was sein sollte, Jules du weißt Bescheid, wieder hier melden«.

Ich hatte es geschafft. Ich war entlassen.
Bevor ich das Krankenhaus wirklich verlassen konnte, musste ich mich umziehen. Schließlich wollte ich nicht im Krankenhauskittel nach draußen.

Als ich Jules gefragt hatte, wann ich den Zugang loswurde, meinte er, dass ich den bis frühstens Mittwoch noch behielt. Für alle Fälle.
Auf die Antwort hat er von mir ein Auge verdrehen erhalten.

Die Fahrt nach Hause war ruhig. Noch steckte mir die Müdigkeit der Narkose in den Knochen.

Zu Hause wollte ich direkt hoch aufs Zimmer und mich ins Bett legen.

»Ne ne. Nichts da. Für dich geht es aufs Sofa«, hinderte Jules mich und deutete in Richtung Wohnzimmer.
»Wieso das?«, verlangte ich eine Begründung.
»Damit ich dich noch etwas im Auge habe«.

Erst wollte ich mich querstellen und diskutieren, dann fiel mir ein, dass ich es mir unter keinen Umständen mit ihm verscherzen sollte. Er ersparte mir einige Krankenhausbesuche in der nächsten Zeit und dafür sollte ich ihm dankbar sein. Deswegen riss ich mich zusammen und lief ohne Diskussion ins Wohnzimmer, wo ich mich auf dem Sofa niederließ.

Gähnend machte ich mich lang. Die Müdigkeit überkam mich schnell wieder und ich schlief ein.

Wach wurde ich von einer Person, die mich in den Arm nahm. Verwirrt öffnete ich die Augen.

»Oh. Ich wollte dich nicht wecken. Schlaf ruhig weiter«, entschuldigte sich die Person, dessen Stimme nach Akira klang.

War es schon so spät, dass sie Schulschluss hatte?

»Wie spät ist es?«, fragte ich und setzte mich auf. »Halb fünf«, beantworte Akira mir die Frage.
»Darf ich fragen, wie es gelaufen ist?«.

»Um ehrlich zu sein, kann ich dir das nicht wirklich sagen. Das Einzige, was ich weiß ist, dass ich kurz vor der Fahrt ins Krankenhaus kurz abgehauen bin, wieder hergekommen bin und Jules mir einen Zugang gelegt hat. Danach ist meine Erinnerung bis zum Aufwachen weg«, erzählte ich ihr, was ich wusste.

»Oh. Okay. Hauptsache dir geht es jetzt gut. Das ist das wichtigste«, meinte sie und drückte mich leicht, wobei sie darauf achtete mir nicht weh zu tun.

»Kann es sein, dass du heute Morgen mit Mom gestritten hast?«, fragte ich sie mit leiser Stimme. Sie spannte sich merklich an. »Das hast du mitbekommen?« Ich nickte. Sie seufzte.

»Ja. Wir haben gestritten. Ich wollte dich begleiten aber Mom war der Meinung mich in die Schule zu schicken. Da war ich nicht mit einverstanden. Ich wollte dich nicht alleine lassen, auch wenn Dad und Jules bei dir waren. Mir war es absolut nicht wohl bei dem Gedanken«, ließ sie mich wissen, wie es zu dem Streit gekommen war.

»Verstehe. Aber mach dir nichts draus. In gewisser Weise hat Mom ja recht ... Ich muss lernen auch ohne dich klarzukommen. Du wirst nicht immer da sein können ...«, meinte ich darauf.
Sie schaute mir in die Augen.
»Es gibt einen großen Unterschied, wenn es darum geht, dass etwas dir Angst macht und ich dir Sicherheit geben kann und Situationen, wo das nicht der Fall ist. Darum ging es mir«, machte sie mir klar.

Zustimmend nickte ich.
Damit war das Thema beendet und wir lagen einfach da.

Außer uns beiden war niemand im Wohnzimmer. Die Stimmen der Erwachsenen kamen aus der Küche. Das war mir recht. Immerhin hatte ich so etwas Ruhe vor Jules und konnte mich etwas entspannen.

Einschlafen tat ich nicht mehr. Meinen Narkoserausch hatte ich wohl offiziell hinter mir.

WKM - Angst vor ihnen Onde as histórias ganham vida. Descobre agora