- Kapitel 15 -

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Lukes Sicht

Unwissend was ich tun sollte, stand ich wenige Straßen weiter etwas verloren herum. Hatte keine Ahnung, wohin ich gehen sollte. Außerdem hatte sich der Schmerz in meinem rechten Arm verstärkt.

»Hoffentlich habe ich nichts weiter kaputt gemacht«, hoffte ich.

Langsam ging ich weiter. In meinem Kopf tobte der Krieg der Gedanken.

»Ich sollte zurück und mich dem stellen. Meine Flucht ergibt keinen Sinn«

»Nein. Auf gar keinen Fall zurück. Ich will das nicht noch einmal durchmachen«

»Was, wenn durch meinen Sprint doch was verschoben ist. Das kann so nicht bleiben«

»Wenn das behandelt wird, muss ich die Kontrolle an das Krankenhauspersonal abgeben und das kann ich nicht!«

Die Tränen der Frustration stiegen mit in die Augen. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte.

»Wieso muss es mir mein Kopf so schwer machen? Das ist so eine scheiße!«, fluchte ich innerlich und hatte gerne etwas getreten, meine Wut ausgelassen. Leider hatte ich nichts dafür und ungern wollte ich meinen Frust an öffentlichem Eigentum auslassen.

Dann rannte ich los. Nach Hause. Es hatte keinen Zweck wohlmöglich stundenlang herumzuirren nur, um am Ende doch im Krankenhaus im OP zu landen. Da konnte ich mich dem Horror auch direkt stellen. Scheiß drauf.

Atemlos und gequält von den Schmerzen im Arm klingelte ich Zuhause an der Tür. Wieder mal hatte ich meinen Schlüssel vergessen. Das jemand Zuhause war, konnte ich anhand von Jules Auto sehen. Es stand noch dort.

Keine paar Sekunden nach meinem Klingeln öffnete sich die Tür und Dad stand vor mir. »Luke? Mit dir hab ich nicht gerechnet«, kam es verwundert von ihm. Ohne was zu sagen, lief ich an ihm vorbei ins Innere des Hauses durch bis ins Wohnzimmer, wo ich Jules erwartete. In meinem Brustkorb drohte mein Herz durch meine Rippen hindurch zu brechen. Ich spürte jeden Schlag. Und mit jedem Schlag spürte ich den Schmerz im Arm.

»Huh? Du bist zurückgekommen. Wie kommt's?«, fragte er ebenso verwundert wie Dad. »Es hat doch keinen Zweck ...«, meinte ich und schaute Jules nicht an. »Können wir dann?«, war es Dad, der fragte. In mir stieg die Wut auf. Ging es ihm nur darum mich schnellstmöglich ins Krankenhaus zu bekommen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es mir damit ging? Ja. Er machte sich Sorgen um mich und möchte mit Sicherheit auch, dass es mir gut geht, aber dieses so tun als sei nichts gewesen machte mich wütend.

Da ich die Wut nicht rauslassen konnte, übernahm die "ist mir egal" Einstellung das Ruder. Ich starrte auf den Boden und machte sonst nichts. Jemand kam zu mir und stellte sich vor mich. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Es mag vielleicht so aussehen, als sei uns deine Angst egal, aber dem ist nicht so. Ich hab dir das Angebot vorhin, dass ich dir den Zugang bereits hier lege, nicht einfach so gemacht. Das hier ist dein Zuhause. Ich hab gehofft, dass es dir insofern Sicherheit genug gibt, dass du mir diesbezüglich vertraust. Leider hab ich daneben gelegen. Tut mir leid«, erklärte Jules sich. Darauf sagen tat ich nichts. Es war mir egal. Es gab keinen Ausweg für mich, als mich dem zu stellen. Flüchten und mich wehren brachten nicht das gewünschte Ergebnis. Übrig blieb mir das ungewollte Ertragen der Situation.

Innerlich tobte die Angst, äußerlich ließ ich mir davon nichts anmerken.

Jules führte mich aufs Sofa. »Ist das okay für dich, wenn ich dir jetzt den Zugang lege?«, fragte er nach meiner Einwilligung. Nett, dass er fragte, aber es war mir egal, weshalb ich einfach mit den Schultern zuckte und durch das Fenster in den Gärten schaute. Was sonst um mich herum passierte, blendete ich aus. Einzig der Schmerz meines Arms und der kurze, der durch den Zugang kam, den Jules mir legte, drängen zu mir durch. Eine einzelne Träne schaffte es meine Wange runter zu laufen. Die Träne, die zeigte, dass das was ich nach außen zeigte, nicht mit dem übereinstimmte, was in mir drin passierte.

Das war das Letzte, an dass ich mich erinnerte.

Sie setzte erst an dem Punkt wieder ein, als ich mit Kopfschmerzen aufwachte. Etwas piepte neben mir. Irritiert darüber und, dass ich mich seltsam schlapp fühlte, versuchte ich die Augen zu öffnen. Grelles Licht kam mir entgegen. Nicht gerade angenehm mit Kopfschmerzen.

»Hey, großer. Ausgeschlafen?«, wurde ich gefragt. Erneut versuchte ich die Augen zu öffnen. Immer noch war es zu hell und ich versuchte mit meiner linken Hand meine Augen etwas vor dem Licht zu schützen. »Jules. Zieh Mal die Vorhänge etwas zu«. Augenblicklich wurde es etwas dunkler im Zimmer und ich konnte die Hand sinken lassen. »Hast du Schmerzen?«, war die nächste Frage. Schmerzen? Wieso?

Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen und bemerkte dabei, dass was mit meinem rechten Arm nicht okay war. Den schaute ich an. Da war ein weißer Gips, der über meinen Unterarm zum Ellenbogen verlief. Für ein paar Sekunden schaute ich den an, bis meine Erinnerung wieder kam, wieso ich hier war. Die Operation.

Kaum hatte ich diese Erkenntnis, wurde das piepen neben mir schneller und es gab sogar einen Warnton von sich.

»Hey. Schau mich an. Luke«, versuchte jemand meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Hektisch schaute ich nach links zu Dad. »Du hast es geschafft. Die Operation ist bereits vorbei«, klärte er mich auf.

Sie war bereits vorbei? Wann war das geschehen? Ich war doch eben noch Zuhause?

»Aber? ... Wie?«, gab ich verwirrt von mir. »Du kannst dich nicht erinnern?«, fragte Jules. Verneinend schüttelte ich den Kopf. »Das kann von den Medikamenten kommen. Die Erinnerungen können noch wiederkommen nach ein wenig Zeit. Dein Vater hat aber Recht Luke. Die OP ist vorbei«, klärte Jules mich auf. Dadurch konnte ich etwas aufatmen und das Piepen neben mir wurde langsamer.

»Du ruhst dich jetzt noch etwas aus. Später kommt nochmal der Arzt nach dir sehen und wenn alles okay ist, können wir dich mit nach Hause nehmen«, führte Jules fort. Die Aussichten erfreuten mich sehr. Einen längeren Aufenthalt hätte ich nur schwer ertragen.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt