- Kapitel 51 -

177 24 5
                                    

Lukes Sicht

Wieder Zuhause striff ich mir die Schuhe von den Füßen und ging erstmal in die Küche, um einen Schluck zu trinken. Der Topf mit dem fertigen Mittagessen stand auf den Herd. Hunger hatte ich noch keinen. Das, was auf der Wache passiert war, lag mir noch quer im Magen.

Im Wohnzimmer konnte man den Fernseher hören. Vermutlich war es Mom, die sich eine Serie oder sowas darauf ansah.

Nachdem ich fertig war mit trinken, ging ich kurz ins Wohnzimmer, um ihr Bescheid zu geben, dass ich zurück war. Auf die Frage, wie es gelaufen ist, antwortete ich nur ein: »Ging schon«.

Ich wollte ihr aufgrund dieses Vorfalls, keinen Grund geben, das Vertrauen in Damien zu verlieren. Das dürfte unter keinen Umständen passieren!

Das Wohnzimmer verließ ich wieder und ging nach oben in mein Zimmer.

Mein Bett zog mich bereits wie magnetisch an und ich ließ mich darauf nieder. Die Bettdecke zog ich noch über mich drüber, umziehen hatte ich nicht mehr geschafft, denn ich döste bereits nach wenigen Sekunden ein.

Wach wurde ich erst wieder, als mich jemand zum Abendessen holte.

»Na komm. Auf auf. Ich hab Hunger!«, war es Akira, die sich als mein lebendiger Wecker herausstellte.
Als ich keine anstalten dazu machte mich aus meinem bequemen Schlafgemach raus zu bewegen, klaute sie mir die Bettdecke.

Leider etwas, was immer bei mir funktioniert, egal wie müde ich bin.

Grummelnd setzte ich mich auf.

»Du hast in Straßenklamotten geschlafen? Was hat Damien mit dir gemacht, dass du so müde bist?«. Mit skeptischem Gesichtsausdruck und meiner Bettdecke in ihrer Gewalt schaute sie mich an.
»Im Grunde genommen war das nicht Damiens Schuld. Eigentlich ist keiner Schuld. Es gab einen Zwischenfall, ausgelöst durch ein … nennen wir es Missverständnis, wodurch ich in Panik geraten bin. Glücklicherweise war Damien rechtzeitig da und konnte die Situation entschärfen«, fasste ich das was passiert war kurz und knapp zusammen. Marius Namen ließ ich vorerst außen vor. Ich wollte nicht, dass Akira ihm dafür die Schuld gab.

»Und was bedeutet das jetzt? Ändert der Zwischenfall irgendwas?«, wollte sie wissen. Darauf konnte ich nur die Schultern zucken.
Dasselbe hatte mich im Grunde auch gefragt. Antworten darauf bekam ich leider erst nächste Woche Dienstag.

»Hauptsache du bist wieder heile hier angekommen«, meinte sie dann, warf meine Bettdecke über meinen Schreibtischstuhl und drehte sich Richtung Tür.

»Jetzt aber ab nach unten. Sonst verhungere ich noch!«. Gesagt, getan. Wir gingen nach unten und setzten uns zu Mom und Dad an den Esstisch.

Da ich am Mittag meine Portion des Mittagessens nicht gegessen hatte, gab es das für mich zum Abendessen.

Erst als ich angefangen hatte zu essen, war mir aufgefallen, was für einen Hunger ich überhaupt hatte.
Ergab auch Sinn. Zuvor hatte ich kaum gegessen und die Sache in der Wache war nicht gerade wenig anstrengend.

Nach dem Abendessen verzog ich mich ins Bad unter die Dusche, wonach es mir wieder in meinem Bett bequem machte.

Der Rest des Abends bestand aus nicht mehr als ausruhen. Auch den Sonntag verbrachte ich mit faulenzen.

Erst am Montag stieg das Level der Produktivität wieder an.

Die neue Schulwoche startete wie immer mit Deutsch im ersten Block, wonach es in die erste Pause ging.

An unserem Baum kam unsere kleine Clique zusammen.

Marius war an diesem Tag nach uns da. Als er mich erblickte, spannte sich seine Körperhaltung an und er zögerte.
Ihm schien die Sache auf der Wache noch sehr zu beschäftigen.

Mit einer heran wirkenden Geste, zeigte ich ihm an, dass er herkommen sollte.

Das konnte so nicht bleiben. Wir mussten uns aussprechen, und wenn das bedeutete, dass ich ihm komplett meine Angst offenlegen musste.

Unsicher kam er zu mir und ließ sich neben mir nieder. Unruhig zuppelte er an dem Armband rum, was er am rechten Handgelenk trug.

Wie startete ich dieses Gespräch am besten? Direkt oder lieber doch nicht?

Schwierige Entscheidung.

Ich holte Luft, um etwas zu sagen, doch Marius kam mir zuvor: »Du bist mir wirklich nicht böse?..«. Das sagte er ziemlich leise und schaute auf den Boden.
»Ich bin dir nicht böse. Weißt du …«. Jetzt war ich es, der zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich ihm die Sache mit meiner Angst verraten sollte. Dann fiel mir ein, dass er vor einigen Tagen seine Sorgen bezüglich seiner Erkrankung mir anvertraut hat. Das war ein großes Zeichen für Vertrauen, obwohl wir uns noch gar nicht lange kannten.
»… Ich hätte dir bereits vorher sagen müssen, dass ich mit den medizinischen Sachen ein Problem habe. Das bezieht auch Personen mit ein. Und diese sind auf der Rettungswache zu einer guten Zahl vertreten.
Du wusstest es nicht, hast reagiert, so wie du es für richtig empfunden hast und das kann ich dir nicht übel nehmen«, entschloss ich mich dazu ihn aufzuklären.

Marius Blick erhob sich leicht vom Boden und er traute sich in meine Richtung zu schauen. Der unsichere Blick war trotzdem noch da.

»Es wird nicht nochmal passieren. Versprochen!«, versicherte er mir und umarmte mich.
»Jetzt weißt du ja Bescheid«. Darauf nickte er.

»Weißt du … die meisten auf der Wache sind wirklich nett. Nur bei einem einzigen musst du dich ein wenig in Acht nehmen und dieser jemand ist Maiky«. Als er den Namen "Maiky" Aussprach, mogelte sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen.

»Maiky?«, fragte ich nach und musste auch leicht schmunzeln. »Na ja. Eigentlich Maik, aber da ich ihn gerne ärgere und er den Spitznamen Maiky nicht mag, nenne ich ihn meistens Maiky«, erklärte er mir und ein leises Kichern war zu hören.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf.

Das war Mal wieder typisch Marius.

»Egal wie sehr ich ihn nerve, er darf nichts machen. Das ärgert ihn um so mehr.«

»Seine Laune scheint sich gebessert zu haben. Und er hat nicht über meine Angst gelacht. Dann war die Sorge wieder einmal umsonst … Na ja. Jetzt weiß er es, somit wird hoffentlich kein ähnliches Desaster mehr passieren, wie am Samstag.«

Ich biss in mein Brot, während mir Marius noch ein paar Storys aus der Rettungswache erzählt.

In seinen Erklärungen hörte es sich wirklich so an, als seien die Personen dort total in Ordnung. Allerdings ließ sich meine Angst dadurch nicht ins positive beeinflussen.

Ich musste mich selbst davon überzeugen.
Hoffentlich war ich dazu wirklich in der Lage …

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt