- Kapitel 4 -

250 29 5
                                    

Lukes Sicht

Gegen 15 Uhr betraten wir wieder das Haus. Hinter mir schloss ich die Tür.

Aus dem Wohnzimmer könnte man bereits Stimmen hören und den Akkuschrauber.

»Ob Jules noch da ist?«, kam mir die Frage auf, während ich Akira in die Küche folgte. Sie holte zwei Gläser aus dem Schrank und ich eine Wasserflasche aus dem Kasten. Beide Gläser füllte ich auf. Akira nahm sich eines, ich das andere.

Innerhalb weniger Schlucke war das Glas leer. Die Kohlensäure prickelte in meinem Hals, weshalb ich etwas das Gesicht verzog.

»Ich geb denen mal kurz Bescheid, dass wir wieder da sind«, informierte mich Akira, die kurz darauf ins Wohnzimmer verschwand. In der Zeit trank ich noch ein halbes Glas Wasser. Dann wartete ich.

»Sie lässt sich Zeit«, stellte ich beim Anblick auf die Uhr fest. Fünf Minuten vergingen und sie war immer noch nicht wieder da. Ihre Stimme konnte ich aus dem Wohnzimmer hören. Wurde sie in ein Gespräch verwickelt?

Ich ging in Richtung Wohnzimmer und wagte einen Blick hinein. Keinesfalls wollte ich riskieren, dass Jules mich entdeckte.

»Ja. Wir waren auch am See. Da sind wir auch eine Weile geblieben. Zwar war viel los, das hat uns aber nicht gestört«, erzählte Akira den Erwachsenen von unserer kleinen Stadttour. Wie erwartet war Jules da. Dieses Mal ohne seine Freundin.

»Im Sommer, insbesondere in den Ferien ist am Aasee immer viel los. Trotzdem gibt es da ein paar schöne Orte, an denen man sich entspannen kann«, erklärte Jules nach Akiras Erzählung. »Vielleicht finden Luke und ich ja bald unseren Lieblingsort dort«. »Das werdet ihr ja sehen«. Meine Schwester nickte. »Es freut uns das du und Luke euch hier anfangt wohlfühlen«, warf Mom ein. »Das stimmt«, stimmte Akira zu.

»Fange ich an mich hier wohl zu fühlen? Ein bisschen schon. Die Stadt ist schön. Es gibt viele Orte, an die man sich zurückziehen kann«, dachte ich nach.

»Luke. Wieso stehst du nur da in der Tür? Komm doch zu uns«, wurde ich plötzlich angesprochen. Etwas erschrocken schaute ich zu Dad, der mich angesprochen hatte.

»Ich wollte schauen, wo Akira bleibt. Bin schon wieder weg«, versuchte ich mich der Situation zu entziehen. »Komm schon Luke. Du hast dich die letzten beiden Tage schon die meiste Zeit ins Zimmer verzogen«, versuchte er mich zu überzeugen. Mein Blick wanderte zu Jules, der mich ebenfalls ansah.
»Lass ihn doch wenn er nicht will«, mischte Akira sich ein. »Er soll sich nicht die ganze Zeit verziehen. Am Ende wird das noch zur Gewohnheit und wir sehen ihn kaum noch«, argumentierte Dad. Akira verschränkte die Arme.

»Ehm. Könnten Akira und ich nicht stattdessen oben was aufbauen?«, wechselte ich meine Strategie. Dad seufzte. »Okay. Ihr könnt versuchen die Schreibtische Aufzubauen«, ging er nachgebend auf meinen Vorschlag ein und kramte in dem Werkzeugkasten. »Hier. Falls es Schrauben zum Festziehen gibt. Wenn ihr was nicht hinbekommt, sagt Bescheid«. Dad gab das keine Kästchen Akira in die Hand. »Danke«, sagte sie und wir verschwanden nach oben.

»Das war eine gute Idee. Jetzt können wir uns ein wenig um unsere Zimmer kümmern. Mit welchem fangen wir an? Deinem oder meinem?«, fragte sie auf dem Weg nach oben. »Von mir aus mit deinem«, entschied ich und wir bogen in Akiras Zimmer ein.

Wie Dad vorgeschlagen hat versuchten wir den Schreibtisch aufzubauen.
Der war nicht zu groß und kompliziert war es dank Anleitung auch nicht.

In der Zeit, die wir für den Aufbau beider Schreibtische brauchten, wurde es sichtlich düsterer draußen.

Akira zog gerade die letzte Schraube fest, als ich nach draußen schaute. »Da sind ganz schön dunkle Wolken am Himmel«, stellte ich fest. Akira folgte meinem Blick. »Kann sein, dass da gleich ordentlich Regen runterkommt. Vielleicht sogar mit Gewitter«. »Sieht danach aus«. »Wo soll der Schreibtisch hin?«, kam Akira auf unsere eigentliche Beschäftigung zurück. »Erstmal unters Fenster.«

Gemeinsam packten wir an und verschoben den Schreibtisch an seinen vorgegebenen Platz. »Das wäre geschafft. Jetzt haben schon mal die Schulsachen Platz«, meinte Akira und setzte sich auf mein Bett. Ich ließ mich neben ihr nieder. »Was hältst du von einer kurzen Pause und dann machen wir uns daran, das Würfelregal aufzubauen?«, schlug sie vor. »So haben wir immerhin was zu tun«, stimmte ich zu.

Gesagt, getan. Zehn Minuten verbrachten wir damit auf Akiras Handy lustige Kurzvideos zu schauen und im Anschluss machten wir uns daran, das Würfelregal in meinem Zimmer aufzubauen.

Sobald das erledigt war, war in Akiras Zimmer das Bücherregal dran.

Erledigt ließen wir uns auf ihr Bett fallen. Mittlerweile war es kurz nach sechs Abends.

Ich hatte die Augen geschlossen und die Arme über meinem Kopf liegen. Neben mir hörte ich Akiras Atem.
Innerhalb von ein paar Minuten döste ich ein. Das Akira mich zwischenzeitlich an sich ran gezogen hatte bemerkte ich nicht.

Irgendwann wurde ich von einem leichten Rütteln an meiner Schulter wieder wach. Grummelnd protestierte ich und drehte mich um.

»Mal langsam wieder wach werden. Es gibt gleich Abendessen«, war es Moms Stimme, die ich vernahm. Neben mir grummelte Akira. Sie zog ihre Arme zurück und schien sich aufzusetzen. Leicht öffnete ich meine Augen und setzte mich auch auf.

»Kommt in fünf Minuten runter. Dann ist alles so weit«, informierte uns Mom. »Alles klar«, war Akiras Reaktion darauf, worauf ein herzhaftes Gähnen folgte, wodurch ich ebenfalls Gähnen musste. Mom hatte derweil das Zimmer verlassen.

Neben mir hörte ich das Knurren eines Magens. Leicht lachte ich auf. »Wird wohl wirklich Zeit, dass wir was essen«. Meine Zwillingsschwester nickte.

Wir ließen uns die gegebenen fünf Minuten Zeit, um weitestgehend wach zu werden, bevor wir runter zum Abendessen gingen. Mir zog bereits der Geruch von Essen in die Nase.

Im Esszimmer angekommen fiel mir Jules in den Blick. »Oh ne. Hätte ich mir ja denken können«, dachte ich mir wenig erfreut und setzte mich auf meinen Platz.

Mom stellte gerade das Essen auf den Tisch. »So. Ich wünsche auch einen guten Appetit«. Mit den Worten hatte Mom das Abendessen freigegeben. Nach der Reihe nahm sich jeder etwas von der Spagetti Carbonara aus dem Topf. Meine Portion ist am kleinsten. Jules Anwesenheit hatte meinen Appetit drastisch reduziert. Immerhin hatte ich dieses Mal nicht seine Freundin fast neben mir sitzen.

Die ersten Minuten des Abendessens vergingen nahezu schweigend. Das erinnerte mich an eine Situation von vor ein paar Wochen. Die Situation, in der Mom bekannt gegeben hat, dass sie die Ausbildung zur Notfallsanitäterin anfing. Das verschaffte mir ein flaues Gefühl im Magen und ich musste mich fast zwingen weiter zu essen. Äußerlich versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen.

Zum Glück fingen die Erwachsenen nach ein paar Minuten irgendwas an zu reden und meine Anspannung sank etwas. Nichtsdestotrotz blieb dieses unwohle Gefühl.

Ich war der Erste, der fertig war mit Essen. Die anderen brauchten ein paar Minuten länger.

»Könnt ihr beiden noch ein paar Minuten sitzen bleiben? Wir wollen was mit euch bereden«, kündigte Mom an. Direkt lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. »Scheiße! Ich hab's geahnt«, war mein Gedanke dazu. Am liebsten hätte ich sofort den Tisch verlassen und mich in mein Zimmer verzogen, doch leider war das keine Option. Ich musste mir das wohl oder übel anhören.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt