- Kapitel 62 -

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Lukes Sicht

Es wurde elf Uhr. Es wurde zwölf Uhr und von Damien fehlte jede Spur. Offenbar hatte er eine Menge zu tun und hatte bisher keine Chance auf die Wache zurückzukehren.

Solange er weg war, blieb ich in diesem Ruheraum. Mein Safeplace.

Trotz, dass ich wüsste, dass es abgemacht war, dass niemand außer Damien und mir diesen Raum betreten durfte, hatte ich Angst, dass jemand diese Abmachung bricht und plötzlich in diesem Raum stand.

Da dachte ich besonders an eine Person, die schon angekündigt hatte, dass er nicht viel von der Abmachung hielt. Dieser jemand war niemand geringerer als Maik.
An diesem Tag war er mir noch nicht unter die Augen getreten, aber was nicht war, konnte noch werden, auch wenn ich auf ein weiteres Aufeinandertreffen mit ihm getrost verzichten konnte. Besonders, wenn niemand in der Nähe ist, der ihn davon abhalten kann irgendwas anzustellen.

Während ich darüber nachdachte, startete ich bei Subway Surfers meinen gefühlt hundertsten Versuch meinen Rekord zu knacken.
Leider verhinderten die Gedanken an Maik und, was er anstellen könnte, dass ich mich konzentrieren konnte und klatschte mit meinem Charakter regelmäßig gegen einen Zug oder eine Barriere. Genauso bei diesem Versuch.

»Verdammter Mist!«, fluchte ich und drückte auf den Home Button auf meinem Handy und schloss so das Spiel. Hatte ja keinen Sinn.

Um mich nicht zu langweilen, schaute ich nach einem alternativen Spiel, was ich stattdessen spielen konnte. Leider hatte ich in den mehr als zwei Stunden fast drei, die Damien bereits unterwegs war, den Großteil meiner installierten Spiele bereits gespielt und die Lust verloren.

Da ich kein W LAN hatte, fiel das YouTube schauen weg. Dafür wollte ich ungern meine mobilen Daten opfern.

»Wie lange Damien wohl noch weg ist? Ich kann mich schlecht die ganze Zeit hier drinnen verschanzen … Alleine im Aufenthaltsraum bleiben kann ich aber noch nicht …«

Ich ließ mich in die Waagerechte sinken und lag quer über dem Bett. Mein Kopf berührte die Wand und meine Beine hingen über der Kante.

Mein Blick fixierte die Zimmerdecke. Auch hier waren die Wände unspektakulär weiß.
Das Einzige, was hervorragte, waren die Deckenlampe und der Rauchmelder.

Die Zeit verging und ich blieb in dieser Position liegen.

Mir war so langweilig, dass ich nicht mal bewusst wahrnahm, dass ich nach einer Weile die Augen geschlossen hatte.
Erst, als es plötzlich an der Tür klopfte, ich vor Schreck die Augen wieder öffnete und mich ruckartig aufsetzte, war mir das aufgefallen.

Die Tür ging auf und ich erwartete bereits, dass Maik hereinkam, doch als ich Damien durch die Tür kommen sah, atmete ich erleichtert aus.

»Alles in Ordnung? Hab ich dich erschreckt?«. Er schien meinen Schreckmoment bemerkt zu haben.
»Geht schon. Hab gedacht es käme wer anderes rein«, erklärte ich ihm kurz, was los war. »Hier darf kein anderer rein. Keine Sorgen«, wiederholte er diesen Punkt seiner Abmachung. Dass mir das bewusst war, ich trotzdem die Sorge im Hinterkopf hatte, behielt ich für mich.

»Gehen wir zurück in den Aufenthaltsraum zu den Anderen oder ist dir das zu viel?«, vergewisserte er sich, dass ich nicht überfordert war.
»Wir können zurück«, meinte ich darauf. Tatsächlich war ich in diesem Raum etwas zur Ruhe gekommen und meine Angst hatte ihre Auswirkungen auf mich aufs minimalste reduziert.
Dass, das nicht dabei blieb, sobald wir diesen Raum verließen, war mir bewusst, aber ich konnte mich wie gesagt schlecht in meinem Saferoom verschanzen. Das war nicht der Sinn von Damiens Plan und brachte mich nicht weiter.

Auf meine Antwort hatte er genickt und verließ vor mir den Raum. Ich folgte ihm und zusammen ging es zurück in den Sammelraum der Rot, neongelben Fraktion, in dem sich zu diesem Zeitpunkt nur drei weitere Personen befanden.

Mit Damien zusammen setzte ich mich auf das Sofa, auf dem nur Daniel saß.
Auf dem anderen saßen die beiden Sanitäter, die mich nach meinem Unfall versorgt hatten. Ihre Namen waren mir noch nicht wieder eingefallen.

Die Frau von diesem Zweierteam schaute mich an, obwohl sie eigentlich ein Buch in der Hand hatte.

»Wie geht es denn deinem Arm? Ist er wieder gut verheilt?«, fragte sie mich und ich schaute direkt zu besagtem Arm. Von dem Unfall war nur noch die Narbe der OP übrig.
Nickend bejahte ich. »Das ist sehr gut«. Sie lächelte leicht.
Darauf sagte ich nichts. Stattdessen schaute ich auf den Laminatboden.

Das Vibrieren meines Handys verhinderte, dass ich weiterhin den Boden anstarrte und weiter nichts tat. Stattdessen schaute ich nach, was das für eine Benachrichtigung war.

Eine Nachricht von Akira wurde mir angezeigt.

»Hey. Alles klar bei dir? Ich hoffe du hast nicht zu viel Stress dort, wo du bist … Weißt du schon wie lange du heute da bleiben musst?«, hatte sie geschrieben.

Verständlicherweise machte sie sich Sorgen. Sie konnte nicht selbst sehen, dass es mir gut ging.

»Es geht. Zur Not habe ich eine Möglichkeit mich zurückzuziehen. Wie lange ich hier noch bleiben soll, weiß ich nicht. Damien hat mir keine Zeitangabe gemacht«, schrieb ich ihr zurück.

Keine Minute später hatte sie diese Nachricht gelesen und unter ihrem Namen war zu sehen, dass sie dabei war eine Nachricht zu schreiben.

Kein zwei Minuten später kam diese an: »Immerhin kannst du dich zurückziehen, wenn du es brauchst. Hoffentlich musst du da nicht mehr ewig bleiben.«

Das hoffte ich auch. Auch, wenn die Angst gemerkt zu haben schien, dass sie nicht mit aller Kraft zuschlagen musste, lauerte sie und sorgte dafür, dass ich mit innerer Unruhe zu kämpfen hatte, die mir meine Energie raubte.

Ich schrieb Akira noch ein: »Ja, das hoffe ich auch«, zurück und ließ das Handy wieder in einer Hosentasche verschwinden.

Cargohosen sind echt praktisch. Haben viele Taschen und zwei davon haben Knöpfe zum Schließen, damit nicht alles rausfallen konnte.

Mit dem Rücken lehnte ich mich ganz an die Rückenlehne des Sofas und schaute irgendwo hin. Wartete darauf, dass die Zeit verging und versuchte mich von der inneren Unruhe nicht wahnsinnig machen zu lassen.

»Wo liegt deine Anspannung im Moment?«, stellte mir Damien nach einer Weile die Frage.
»Drei oder vier«, ordnete ich mich ein.
»Wie lange soll ich denn heute hier bleiben?«, warf ich die Frage hinterher und schaute zu ihm rüber.
»Oh. Da hab ich wohl was vergessen. Heute hab ich angepeilt, dass du sechs Stunden hier bleibst. Also bis um fünfzehn Uhr. In Zukunft weiten wir das auf neun Stunden aus. Allerdings möchte ich dir während der Gewöhnungsphase noch nicht die neun Stunden aufdrücken«, beantwortete er mir meine Frage.

»Neun Stunden, soll ich bald hier durchhalten? Ich spüre ja jetzt schon die Auswirkungen von der Dauerkonfrontation und es sind noch nicht einmal sechs Stunden um. Wie soll ich da neun schaffen? Ob sich das mit der Zeit bessert?«

Ich konnte nur hoffen, dass es sich mit der Zeit besserte und ich länger durchhielt. Wie lange es dauerte und, wie viel Zeit Damien für diese „Gewöhnungsphase“ eingeplant hatte, wusste ich nicht.
Das musste ich wohl noch herausfinden.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now