- Kapitel 14 -

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Lukes Sicht

Personen in grünen Klamotten. Jemand fixierte meinen Kopf, eine andere drückte mir eine Maske aufs Gesicht. Die Panik raubte mir den Atem. Mir wurde schwindelig und wenige Augenblicke später zog es mich ins schwarze Nichts.

Nach Luft japsend wachte ich auf und das aufrecht im Bett. Mein gesamter Körper zitterte und mein Atem ging stoßweise.

»Ich hab nur geträumt. Nur ein Traum. Es ist alles in Ordnung«, redete ich mir selbst ein und versuchte mich zu beruhigen.

Als ich wieder einigermaßen ruhig war, schaute ich auf meinem Handy nach, wie viel Uhr es war. Das helle Licht des Displays blendete meine an die Dunkelheit gewohnten Augen.

5:31 Uhr zeigte die Uhr. Außerdem war es der 14. August 2023. Montag. Der Tag der OP.

»Heute werde ich operiert. Scheiße. Wie soll ich das schaffen? Ich will nicht noch einmal in dieser Situation stecken«, waren meine Gedanken zu dieser Erkenntnis.

Das Handy legte ich wieder auf meinen Nachttisch.

An schlafen war nicht mehr zu denken. Hellwach saß ich dort und starrte in die Dunkelheit. Die Knie zog ich an meinen Körper und legte den linken Arm drum rum.

Eine ganze Weile starrte ich nur in die Dunkelheit und dachte an die bevorstehende Operation. Irgendwann schüttelte ich den Kopf, nahm mein Handy und versuchte mich damit von den kreisenden Gedanken abzulenken. Funktionieren tat es relativ gut. Ab und an schaffte es ein Gedanke sich in meine Konzentration zu schmuggeln, doch diesen versuchte ich so gut es ging wegzuschieben.

Die Zeit verging. Gegen halb sieben hörte ich Schritte auf dem Flur. Akira musste aufgestanden sein, um sich für die Schule fertig zu machen. Aufgrund er bevorstehenden OP hatte ich an diesem Tag keine Schule und durfte im Bett bleiben. Das tat ich auch.

Plötzlich waren von unten laute Stimmen zu hören. »Was war denn auf einmal los?«.

Ganz leise öffnete ich die Tür und schlich Richtung Treppe.

»Er muss lernen auch ohne dich zurechtzukommen Akira. Du wirst später nicht immer an seiner Seite sein, wenn er dich brauchen könnte. Deswegen gehst du in die Schule und Luke wird von eurem Vater und Jules in die Klinik begleitet. Die schaffen das schon«, ertönte Moms Stimme stimme aus Richtung des Esszimmers.
»Ihr versteht es nicht, oder? Er hat Angst! Panik! Wenn ihr ihn da hinschleppt, ohne etwas Sicherheit, die er durch mich bekommt, wird er wahrscheinlich vollkommen abdrehen! Wollt ihr das?«, das war Akira und sie klang wütend.
»Jetzt hör aber Mal auf! Du verhältst dich, als würden wir Luke das Schlimmste auf der Welt antun wollen, wenn du nicht dabei bist«.
»Aus seiner Sicht ist es das Schlimmste der Welt. Das wollt ihr nicht verstehen«. »Bitte. Übertreib nicht. Das mit Lukes Angst bekommen wir hin. Mach dir darum keine Sorgen«. Ich hörte Akira auflachen. »Klar. Macht ihr nur. Wenn Luke am Ende austickt oder sonst was, dann wundert euch nicht. Ich bin oben«. Das Quietschen eines über den Boden geschoben Stuhls war zu hören.

Das war mein Zeichen wieder in meinem Zimmer zu verschwinden. Was ich auch tat.

»Sie wollen Akira nicht mitkommen lassen ...«, erlangte ich die Erkenntnis aus dieser Diskussion. Dad und Jules alleine sollten mich ins Krankenhaus begleiten, wobei ich mich fragte, wieso Jules mitkam. Für mich bestand kein Grund dafür, dass er mitkam.

Die Zeit verging, irgendwann musste Akira zum Bus. Kein lautes Gespräch war mehr zu hören.

Um acht klopfte es an meiner Tür. Von meinem Handy schaute ich Richtung Tür und gab die Erlaubnis zum Reinkommen. Dad kam rein.

»Guten morgen großer. Wie war deine Nacht?«, erkundigte er sich.
»Geht«, war meine kurze Antwort. Von dem Alptraum und, dass ich bereits länger wach war, wollte ich ihm nichts sagen. Er sollte sich keine Sorgen machen.
»Okay. In etwa einer Stunde wollen wir los. Jules kommt auch gleich, er wird dich ebenfalls begleiten«.

Das wäre meine Chance gewesen nachzufragen, wieso Jules herkam und mitkommen wollte. Leider traute ich mich nicht und nickte einfach.

»Ich hole dich, wenn Jules da ist. Bis dahin kannst du dich noch etwas beschäftigen«, informierte er mich und ließ mich wieder alleine. Wie er vorgeschlagen hatte, beschäftigte ich mich noch etwas.

Als es wieder klopfte, gab Dad mir Bescheid, dass Jules angekommen war und ich mich fertig machen sollte.

Mir wurde flau im Magen. Die Zeit ging zu schnell um. Leider wusste ich nicht, wann genau die OP Anstand, aber wenn wir bereits so früh in die Klinik wollten, musste es noch am Vormittag sein.

Bevor ich runtergehen konnte, musste ich mich noch umziehen. Die Hose war noch relativ einfach umzuziehen. Beim Oberteil wurde es schwieriger. Mit etwas Mühe und Kreativität gelang es mir ein frisches T-Shirt anzuziehen.

Fertig umgezogen nahm ich mein Handy vom Ladekabel und verließ mein Zimmer. Unten konnte ich bereits Jules und Dad reden hören.

Am Treppenabsatz blieb ich stehen. Mein Herz raste mittlerweile. Vor mir hatte sich eine unsichtbare Wand aufgebaut, an der ich nicht vorbeikam.

»Luke? Wo bleibst du?«, hörte ich Dads Stimme von unten. Schritte kamen näher, dann erschien er am unten Ende der Treppe. »Da bist du ja. Komm«. Mit einer Kopfbewegung Richtung Wohnzimmer gab er mir zu verstehen mitzukommen.

Unsicher und leicht zitternd lief ich eine Stufe nach der anderen runter. Hinter Dad her ging es ins Wohnzimmer. Jules saß dort auf dem Sofa und wartete bereits.

»Hey Luke, wie geht's dir?«, fragte er mich als erstes, nachdem er mich entdeckt hat. Die Antwort, die ich ihm gab, war ein schlichtes Schulterzucken. Ich hatte keine Worte dafür, wie ich mich fühlte.

»Pass auf. Um dir Stress zu ersparen in der Klinik, wollte ich bereits hier den Zugang legen«, erklärte er. Wieder einmal schüttelte ich hektisch den Kopf.

»Bitte. Das erspart dir und uns einiges an Stress«. Noch einmal schüttelte ich den Kopf. Mein Kopf verweigerte es mir zuzustimmen, obwohl Jules Erklärung logisch klang.

Dads und Jules Blicke lagen auf mir.

Das Bild aus meinem Traum kam mir in den Sinn.

Mit gerunzelter Stirn schaute Jules zu mir.

»Nein. Nicht noch einmal. Ich will das nicht nochmal durchmachen müssen«, ging es mir durch den Kopf. Dann passierte es wieder. Aus einem Impuls heraus, den ich nicht unterdrücken konnte, lief ich in den Flur, schnappte meine Schuhe beim Vorbeigehen aus dem Regal und flüchtete nach draußen. Ich war schnell genug um nicht von Dad erwischt zu werden.

Außer Atem nach einem ordentlichen Sprint machte ich eine kurze Pause. Mein verletzter rechter Arm schmerzte wieder. Der Sprint hatte diesem nicht gutgetan.

»Da muss ich jetzt durch. Schließlich ist es meine eigene Schuld«, sagte ich zu mir selbst, während ich versuchte die Schuhe anzuziehen. Zuvor hatte ich dafür keine Zeit gehabt. Dass die Socken dadurch etwas gelitten haben, war mir egal.

Fürs Erste war die Flucht geglückt, aber wie sollte es weiter gehen? Das hatte ich wie bei den meisten Kurzschlussreaktionen nicht bedacht.

Nach Hause zurückkonnte ich nicht. Das Risiko war zu hoch, dass jemand dort auf mich wartete. Ewig draußen bleiben war auch keine Option.

»Ganz toll gemacht Luke. Wirklich herrlich«, grummelte ich mich selbst an und lief langsam weiter, ohne einen Plan zu haben, was ich tun sollte.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt