- Kapitel 150 -

212 29 3
                                    

Lukes Sicht

Wieder Zuhause gab es Mittagessen, wonach ich mich auf mein Zimmer zurückzog und meine Hausaufgaben erledigte.
Eher erledigen wollte.
Mein Kopf war nach diesem Tag kaum noch in der Lage sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Außerdem hatte ich noch meinen Termin mit Damien vor mir, der mir durch den Kopf ging.

»Wird er stolz auf mich sein, wenn er erfährt, dass ich es heute geschafft, habe ohne Ansatzweise in Panik zu verfallen?«

Meine Augen lagen auf dem Arbeitsblatt vor mir und der Stift war in meiner Hand. Bereit zum Schreiben, aber egal wie sehr ich es versuchte, ich schaffte es nicht mich länger als zwei Minuten auf die Aufgaben zu konzentrieren. Resignierend seufzte ich und legte den Stift ab.
Es war sinnlos mich da durchquälen. Am besten ich versuchte es später, nach dem Termin noch einmal, in der Hoffnung mich dann besser konzentrieren zu können.

Stattdessen wechselte ich aufs Bett rüber und beschäftigte mich so lange, bis ich mich fertig machen musste für den Termin.

Pünktlich ging ich runter. Mom wartete bereits auf mich.
Noch schnell Schuhe angezogen, Jacke übergezogen und es ging los Richtung WKM. Dort angekommen, verabschiedete ich mich von Mom, stieg aus und ging zum Treffpunkt. Klinikpark. Wie immer setzte ich mich auf eine Bank dort und wartete auf Damien.

Er brauchte länger als sonst. Fünf Minuten vergingen, zehn, fünfzehn und es fehlte jede Spur von ihm.

Ob er es vergessen hatte?
Normalerweise vergaß er keinen Termin.
Passieren konnte es trotzdem.

»Was mache ich jetzt, aufstehen und gehen oder weiter warten, in der Hoffnung, dass er noch kommt?«

Da mir langsam kalt wurde durchs nur rumsitzen, war ich dazu geneigt wieder zu gehen, andererseits wollte ich nicht, dass wenn er doch noch kam, mich nicht fand und ein Termin nutzlos war.

Deshalb entschied ich mich dazu weiter zu warten. Ich zitterte zwar am ganzen Körper vor Kälte und meine Hände waren Eisklötze, aber das versuchte ich zu ignorieren.

Die Zeit verging weiter. Die Uhr zeigte fast halb fünf, als sich jemand neben mich setzte.

»Tut mir leid für die Verspätung. Hatte noch einen Notfall auf Station«, entschuldigte er sich.
»Wollen wir direkt rübergehen? Hier draußen ist es echt Sau kalt und du zitterst schon«, schlug er vor.

Nickend stimmte ich zu. Vor ein paar Wochen wäre es noch undenkbar gewesen, dass ich mich so einfach davon überzeugen ließ die Wache zu betreten. Da hätte ich sogar die Kälte in Kauf genommen. Hauptsache nicht in dieses Gebäude. Mittlerweile klappte das. Zumindest mit dem Gebäude. Von dem Hauptgebäude reden wir jetzt Mal nicht.

Nachdem ich zugestimmt hatte, gingen wir rüber zur Wache und dort rein.

Kaum waren wir durch die Tür getreten, nahm uns eine angenehme Wärme in Empfang. Das war viel besser als die Kälte draußen.

Damien und ich gingen dir Treppe hoch und direkt zum wacheneigenen Behandlungsraum. Auch dort war es warm.

So warm, das meine Hände anfingen wieder aufzutauen. Hatte aber den unschönen Nebeneffekt, dass sie sich beim Aufwärmen anfühlen, als würden sie in Flammen stehen.

Ich setzte mich wie immer auf die Liege.

»Heute war der zweite Tag beim Schulsanitätsdienst, oder?«, fragte Damien und holte Stethoskop und Blutdruckmanschette aus dem Schrank.
»Ja, heute war quasi offizieller Beginn der Ausbildung«, bestätigte ich.
»Was habt ihr denn heute gemacht?«, wollte er es genauer wissen und schnappte sich die Pupillenleuchte.
»Bisschen rechtliches Zeugs und wir haben geübt Notrufe abzusetzen«, erzählte ich ihm, was wir gemacht hatten. Danach öffnete ich einmal den Mund, damit er mit dem Schema anfangen könnte.
»Wie war das für dich? War die Angst da oder war es heute besser als Freitag?« Während er mir die Frage stellte, schaute er mir einmal in den Mund, wonach ich diesen wieder schließen durfte.
»Ich hab vorher dieses Muskelentspannungs Ding gemacht. Das hat geholfen. Die Anspannung kam zwar wieder, aber weniger als am Freitag«, schilderte ich ihm, wie es mir ging.

In der Zwischenzeit hatte er das Stethoskop zur Hand genommen. Mittlerweile wusste ich, was er wollte. Und zog bereits meinen Hoodie und das T-Shirt ein Stück hoch, damit er an meinen Oberkörper kam.

»Freut mich, dass es dir hilft«, meinte er und begann mein Herz abzuhören. Danach folgte noch das Abhören der Lunge und ich konnte mein Oberteil wieder vernünftig anziehen.

»Habt ihr schon besprochen, wie es Freitag weiter geht?« Er legte sich das Stethoskop um den Nacken und nahm die Blutdruckmanschette zur Hand. Die fand ihren Platz an meinem linken Oberarm.

»Unser Ausbilder, also einer von glaube vier, hat was gesagt von lebensrettenden Sofortmaßnahmen«, beantwortete ich ihm seine Frage und er maß meinen Puls, bevor er Luft in die Manschette pumpte.
Ich würde niemals ein Freund von dem Gefühl werden, das aufkommt, wenn die Manschette einem das Blut abdrückt.

»Kannst du dir darunter was vorstellen?«

Nachdem genug Luft in der Manschette war. Nahm Damien das Stethoskop wieder zu Hilfe, steckte sich die Ohrenteile in die Ohren, legte das andere Ende auf meine Ellenbeuge und ließ langsam die Luft aus der Manschette.
Je mehr Luft abgelassen wurde, desto mehr kehrte das Blut in meinen Arm zurück.

»Halt Maßnahmen, die dazu dienen ein Menschenleben zu retten. Ist das, das mit dem wiederbeleben?«, nutzte ich dir Chance um nachzufragen.
»Ja, genau. Die Herzdruckmassage und die Beatmung gehören zu den lebensrettenden Sofortmaßnahmen«, stimmte er mir zu und ermittelt dabei einmal die Recap Zeit bei meinem Daumennagel auf der linken Seite.

»Ob ich ihn fragen sollte, wie genau das funktioniert? Wir haben ja die Hausaufgabe bekommen und darüber zu informieren. Meinte er damit, dass wir herausfinden sollten, wie das funktioniert?«

»Schau mir bitte einmal auf die Nasenspitze«, forderte Damien mich auf. Ich tat das, was von mir verlangt wurde und er leuchtete mir einmal in die Augen.

»Sehr gut. Meinst du, du schaffst es heute wieder was Neues dazuzunehmen?«, wollte er wissen und schaute mich dabei an.

Gute Frage. Schaffte ich das oder überforderte das meinen Kopf zu sehr?
Ich horchte in mich rein. Im Moment war die Angst kaum da. Sie war wie immer, wenn ich hier war in Lauerstellung. Bereit einzugreifen, falls die Situation zu "bedrohlich" wurde.

»Können es versuchen«, meinte ich.

»Das, was dazu kommen würde, ist das Blutzucker messen. Dazu muss ich dir einmal in den Finger pieksen, um einen Tropfen Blut zu bekommen. Das klingt vielleicht jetzt dramatisch, das ist es aber nicht«, erklärte er und sammelte nebenher die Sachen zusammen, die er dafür brauchte.

Ein unwohles Gefühl fuhr durch meinen Körper.

Es ging wohl langsam an die Sachen, die mehr Überwindung von mir verlangten.
Ob ich das schaffte?

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt