Kapitel 4: Erste Worte

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Ich will gerade etwas erwiedern, als ich Schritte hinter uns höre. Maggies Blick wandert von mir hinter mich und ihre Augen weiten sich. Wie ein aufgescheuchtes Kanickel springt sie von mir weg und ich kann wieder aufatmen, wenn auch nicht für lange.
"Was ist hier los?"
Ich schließe resigniert die Augen. Es war klar, dass er früher oder später dazwischenfunken musste. Früher hat Nik seine Rolle als Retter in der Not geliebt, und tut es anscheinend auch heute noch. Auch wenn es hier keine blutrünstigen Vampire gibt, sondern eifersüchtige Malstudentinnen, was aber fast genauso schlimm ist.
Maggie wird rot und stottert: "N - nichts, Klaus. Wir haben uns nur ... unterhalten."
Sie dreht sich um und eilt davon, gefolgt von ihrer Clique.
Klaus steht immer noch da. Er wartet ab. Ich wende mich an Livia: "Geh schon mal runter. Halt für mich einen Platz frei. Ich muss noch etwas mit Mr. Mikaelson besprechen."
Livia wirft mir einen fragenden Blick zu, geht meiner Bitte aber nach. Sobald sie außer Hörweite ist, drehe ich mich zu ihm um. 
Mir fallen keine Worte ein, die ich zu ihm sagen könnte. Ich weiß, was ich von ihm will, aber ich kann es ja nicht einfach so herausrufen.
Nik sieht mich an, ich kann in seinem Gesicht keine Emotionen erkennen, keine Gefühle. Er sieht mich einfach nur an. "Ich denke, wir gehen besser in mein Büro", sagt er schließlich.
Ich nicke nur und laufe ihm nach, bis wir vor einer Tür haltmachen. "Dein Name ist also Alois Shepperd, ja?", frage ich ihn nach einem Blick auf das silberne Messingschild, das an dem Holz angebracht ist.
Klaus wirft einen Blick auf das Namensplättchen und zieht ein Schlüsselband aus seiner Hosentasche. "Ich nicht. Euer ursprünglicher Dozent." Er öffnet die Tür und hält sie offen, bis ich eingetreten bin. Dann schließt er sie wieder und dreht den Schlüssel im Schloss um, was ich mit einem ungemütlichen Gefühl in der Magengegend registriere.
Ich sehe mich in 'seinem' Büro um. Jalousien hindern die Sonne daran, durch das Fenster zu scheinen. Ich gehe hin und ziehe sie hoch. Jetzt kann ich wenigstens etwas sehen. Klaus geht zu einem einfachen Schreibtisch, der jedoch über und über mit losem Papier und Büchern vollgemüllt ist. Er lehnt sich an die Kante und verschränkt die Arme.
"Hast du ihn umgebracht?", frage ich.
Klaus schüttelt den Kopf und kurz reflektieren seine Augen einen Sonnenstrahl. Da ist es, das Grün. "Er liegt wahrscheinlich immer noch bewusstlos in der Putzkammer und döst vor sich hin."
"Nik!", enfährt es mir entsetzt.
Er hebt eine Augenbraue und grinst überheblich. "Nik?"
Ich beiße mir auf die Lippe. 'Nik' ist sein Kosename. Ich habe ihn früher liebevoll so genannt, ich und seine Familie.
"Klaus", verbessere ich mich leise.
In seiner Gegenwart werde ich nervös. Ich nestle an dem Saum meines Tshirts herum. Es ist Weiß, mit der Aufschrift "All we have is now". Ich wünschte, ich hätte heute Morgen ein anderes aus meinem Koffer gezogen. 
"Nun?", sagt Klaus. "Sag, warum du hier bist. Du bist schließlich diejenige, die in mein Haus eingebrochen ist und mir einen Zettel hinterlassen hat."
Es ist mir unangenehm, ihm mein Anliegen zu erklären. Es ist ein Teil unserer Vergangenheit, einer Vergangenheit, die Klaus zerstört hat.
"Ich brauche etwas aus dem Geheimfach in deinem Atelier."
"Warum hast du es dir gestern nicht genommen?"
"Es ging nicht auf."
Nik grinst. "Na so was. Nun, das kann womöglich daran liegen, dass du ein Mensch bist. Du hast nicht mehr das gleiche Blut in dir wie als Vampir."
"Ich habe nicht einen Tropfen Blut vergossen." Ich runzle die Stirn. "Ich musste immer nur darüber streichen."
"Es ist ein Blutzauber, Chloey, ob nun mit oder ohne Blutvergießen. Es pulsiert unter deiner dünnen Haut, und das erkennt der Mechanismus."
Mal wieder kann ich meinen Mund nicht halten. "Chloey?"
In Klaus' Augen tritt ein düsterer Ausdruck. "Du bist nicht in der Position, frech zu mir zu sein. Du bist ein Mensch." Sein Blick wandert meinen Körper herab, macht mir meine Verletzlichkeit nur zu gut bewusst. "Willst du mir sagen, wie es dazu gekommen ist, Liebes?"
Ich verziehe den Mund.
"Das war keine Frage."
 "Ich bin vor ein paar Jahren mit einem Hexenzirkel aneinandergeraten. Sie haben ein Ritual durchgeführt, wo sie meine Unsterblichkeit einer anderen Person auferlegt haben. Ich weiß, dass sowas nicht geht", füge ich hinzu, als Klaus mich misstrauisch beäugt. "Aber sie haben es getan. Irgendeine Art von dunkler Magie."
Einen Augenblick lang ist es still. Dann: "Vermisst du es?"
 Ich lache spöttisch auf. "Ob ich den Blutdurst vermisse oder die Anfälligkeit für das Sonnenlicht?" Ich halte meine Hand in die Sonnenstrahlen, die durch die aufgeklappten Jalousien fallen. Meine Haut erwärmt sich durch die spätsommerlichen Strahlen.
 Klaus' Finger wandern zum Zeigefinger seiner rechten Hand. Ich starre ungläubig auf die Stelle. Früher musste er dort seinen Lapislazui-Ring tragen, damit er von der Sonne nicht verbrannt wird. Der Ring ist weg, und trotzdem brennt er nicht.
 "Ich meine die Fähigkeit, nicht mehr zu altern. Die Fähigkeit, Menschen nur mit der Kraft der Gedanken manipulieren zu können. Die Unverletzlichkeit."
"Nein."
Klaus lachte. "Das glaub ich dir nicht. Wie viele Jahre bist du schon gealtert? Drei?"
 "Ich bin 23", sage ich mit vor der Brust verschränkten Armen.
 "Aber handelst immer noch wie eine Neunzehnjährige."
 "Du musst nichts sagen, du bist 28 Jahre alt und kein Stück reifer!"
 "Ich bin 1028", verbessert er mich nur.
 Ich presse die Lippen aufeinander und zwinge mich, nichts mehr zu sagen. Ein Streit mit Klaus Mikaelson kann böse Folgen haben.
 Er seufzt laut und stößt sich von der Tischkante ab. "Du hättest mir keinen Zettel geschrieben, wenn du nichts von mir wolltest. Also, was ist es?"
 "Ich möchte, dass du mir das Geheimfach öffnest."
 Nik lacht. "Damit du bekommst was du willst? Und was habe ich davon?"
 "Die Sachen darin gehören auch mir! Ich habe meinen Anspruch darauf!"
 "Deinen Anspruch, Liebes, hast du in dem Moment verwirkt als du mich hintergangen hast." Niks Stimme ist bedrohlich ruhig geworden. Ich weiche einen Schritt zurück, als er auf mich zukommt.
"Ich habe dich nicht hintergangen", hauche ich.
 Er schnaubt. Das Lachen ist ihm vergangen. "Bezeichne es wie du willst. Ich habe dir befohlen, dass du nie wieder zurückkommen sollst. Und doch stehst du hier."
 Mein Rücken stößt an das Fensterbrett. Klaus versperrt mir den einzigen Fluchtweg. Ich bete darauf, dass die Tür aufspringt und Elijah reinkommt und seinen Bruder zur Vernunft bringt, wie er es schon so oft getan hat. Aber Elijah wird nicht kommen. Er hat genauso wenig Grund mein Leben zu verschonen wie Klaus.
 

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