Kapitel 33: Das Geheimnis des Hybriden

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Nachdem Damon gegangen ist, ist es eine Weile ruhig in meinem Zimmer. Er hat gesagt, ich solle kommen, wenn ich soweit bin, damit wir abreisen können.
 Abreisen wohin? Nach New Orleans? Zu dem Dorf, in dem ich und Livia wohnen?
 Ich weiß nicht, was bei dem Steinkreis passiert ist. Während unseres Gespräches bin ich nicht auf den Gedanken gekommen, Damon danach zu fragen. Unsere Themen waren andere, nicht gegenwärtige Dinge gewesen. Die Vergangenheit. Erinnerungen.
 Plötzlich knallt die Tür auf und zu und Nik steht im Raum. Dominierend nimmt er ihn ganz für sich ein. "Darf ich reinkommen, Liebes?"
 Langsam atme ich aus. Mir gehen seine Augen nicht aus dem Kopf. Seine gelben Augen.
 "Was ist da vorgefallen?"
 "Bitte?"
 "Am Steinkreis. Du hattest ... etwas von einem Wolf."
 Er zuckt mit den Schultern. "So bin ich eben. Halb Wolf, halb Vampir."
 Ich starre ihn an. Wage es nicht zu blinzeln, aus Angst, er könne irgendetwas machen, das mir nicht gefällt. Verschwinden, zum Beispiel. Mich mit meinen Fragen alleine lassen.
 Da versteht Klaus. "Ah! Du wusstest es also noch nicht." Er wackelt mit den Fingern. "Dir ist schon ziemlich früh aufgefallen, dass ich meinen Lapislazuli-Ring nicht mehr trage. Ich brauche ihn nicht mehr. Ich bin ein Hybrid."
 Ich kann ihn weiterhin nur noch anstarren. Natürlich wusste ich schon damals von seiner wahren Natur. Dass sein Vater ein Werwolf war ... aber dieser Teil seines Selbst war für immer weggesperrt, verbannt aus seinem greifbaren Bewusstsein. Nur ein ... ein Mord, verbunden mit einem Ritual, konnte seinen Wolf wecken. Einen Doppelgänger, von denen es fast keine mehr gibt.
 Letztenendes schaffe ich es doch, zu sprechen. "Wie?"
 "Ich will das nicht alles im Detail erklären." Er geht zum Nachttisch, nimmt die Vase in seine Hände, betrachtet sie und stellt sie wieder zurück. "In Mystic Falls lief ein Doppelgänger durch die Gegend, ich habe mir sie und ihre Tante geschnappt - und voilà, es hat funktioniert." Er grinst mich an, dieses spielerische Funkeln in den Augen. "Ich bin das stärkste Wesen, das es jemals gegeben hat. Werwolf und Vampir in einem. Ich bin so gut wie unbesiegbar."
 Seine Worte jagen mir einen Schauer über meinen Rücken. Wenn er unbesiegbar ist, kann ihn nichts mehr aufhalten. Auch nicht ... "Also hast du den Ring noch?", frage ich hoffnungsvoll. Der Zirkel. Esther. Ich habe Geschichten von der Urhexe gehört, und sie waren allesamt grauenerregend.
 Niks Miene verfinstert sich. "Nein", antwortet er schroff. "Diese hinterhältigen Hexen haben ihre Magie spielen lassen." Mehr sagt er nicht dazu.
 Ich schlucke. "Sie sind ein mächtiger Zirkel. Sehr mächtig, mit uralter Magie. Wenn sie es schaffen, Esther von der anderen Seite herüberzuholen ..."
 "Sind wir alle zu Tode verurteilt, ich weiß. Mit dem Ring ist sie unverletzlich." Er schmunzelt. "Eigentlich witzig."
 Ich runzle die Stirn. "Witzig? Was zum Teufel soll an der Zerstörung dieses Planeten witzig sein?"
 "Du überschätzt unsere Mutter, Chloe. Ihr einziges Ziel ist es, ihre Kinder ein für alle mal umzubringen. Einschließlich derer, die ihnen nahestehen."
 Ich verschränke meine Arme"Zum Glück habe ich mit euch schon lange abgeschlossen. Ihr dürft euch also getrost alleine um diese Bedrohung kümmern."
 Ich will mich abwenden, doch auf einmal steht Klaus vor mir und packt mich am Arm. "Verstehst du nicht, was das bedeutet? Wenn die Urvampire sterben, wird es Vampire nicht mehr geben. Stefan und Damon würde es nicht mehr geben. Genausowenig wie Zoey."
 Mein Mund verzieht sich zu einer Grimasse. Es scheint, dass der erste Kontakt zur Urfamilie wie eine Infektion wirkt, die zur einer Krankheit führt, die einen das ganze Leben nicht mehr loslässt. "Dann müssen wir etwas unternehmen."  
 Mein ursprünglicher Plan ist es gewesen, den Hexen den Ring zu geben, Damon in die Freiheit zu schicken und mit dem Übernatürlichen endgültig abzuschließen. Jetzt zweifle ich daran. Kann ich ohne die Menschen, oder eben Vampire, die ich liebe, jemals ein glückliches Leben führen?

Nik hat in Windeseile vier Tickets besorgt, sodass wir am Abend des selben Tages schon im Flugzeug nach New York sitzen.
 Ich habe mich gegen dieses Vorhaben ausgesprochen; was sollen wir in Amerika, wenn Esther auf der anderen Seite des Atlantiks zurückgeholt wird? Niklaus hatte eine simple Antwort bereit: Er kennt die Hexen in New Orleans, herrscht über sie. Vielleicht kennen sie einen Zauber, mit dem das Naturereignis in drei Tagen verhindert werden kann.
 Ein leiser Zweifel in mir regt sich, während ich zwischen Stefan und Klaus sitze und Musik höre. Sind einfache Hexen, die ihre Zauber mithilfe der Grabsteine auf eine Friedhof sprechen, wirklich in der Lage, Sternschnuppen verglühen zu lassen und den Neumond zu verdecken?
 Nik stupst mich schon seit dem halben Flug an. Es ist wirklich ein Alptraum, neben ihm zu sitzen. Schließlich nehme ich genervt die Kopfhörer aus den Ohren und fahre ihn an. "Was?"
 Er lächelt nur und sagt: "Du solltest mir dankbar sein."
 Ich verkneife mir ein Kommentar. Stattdessen hebe ich nur eine Augenbraue.
 "Dank mir bist du nicht zu Schaden gekommen. Stefan hat dich auf mein Geheiß weggebracht."
 Der Laternenpfahl kommt mir wieder in den Sinn. Niks Befehl. Stefans anfängliche Weigerung. "Du hast ... du hast ihm aufgetragen, mit mir abzuhauen?" Ich ziehe verägert die Augenbrauen zusammen. "Dazu hattest du kein Recht."
 "Und ob ich das hatte. Sagst du jetzt Danke?"
 "Nein."
 "Bitte."
 Ich stecke mir wieder die Kopfhörer in die Ohren. Nik zieht sie raus.
 Augenverdrehend sage ich: "Also gut, danke." Damit er Ruhe gibt.
 Zufrieden lehnt er sich zurück und widmet sich einer Zeitschrift über IKEA-Möbel. Doch bevor ich auf Play drücken kann, redet er wieder.
 "Übrigens habe ich die Eisekrautkette eingesteckt. Der Deal."
 Kurz presse ich die Lippen zusammen, dann entspanne ich mich wieder. Richtig, der Deal. So gern ich auch ein Stück Sicherheit um meinen Hals hängen haben würde, ist es mir wichtiger, nicht erneut seinen Zorn auf mich zu lenken. Also nicke ich. "Gut."
 Er scheint auf etwas zu warten, denn er sieht mich immer noch an.
 Ich seufze. Er will immer im Mittelpunkt stehen. "Wozu brauchst du sie?", frage ich ihn gelangweilt.
 "Genau die richtige Frage." Seine Lippen werden zu einem Grinsen. "Du musst wissen, ich habe eine dreijährige Tochter, bei der ich Sicherheit über alles stelle."
 Wortlos drehe ich meinen Kopf. Starre ihn an. Kann nicht entscheiden, ob es Spaß oder Ernst ist.
 "Sie lebt nicht in New Orleans." Nik sieht sich um und kommt ganz nah an mein Ohr, als würde es sich um etwas super Geheimes handeln. "Sie lebt mit auserwählten Leuten an einem See, dessen Name ich dir leider nicht nennen darf."
 Die Frage drängt sich in mir auf wie ein verspieltes Hündlein, das gelobt werden will. "Wer ist ihre Mutter?" Meine Worte sind ein Flüstern, sodass weder Damon noch Stefan sie hören.
 Sein Atem kitzelt mein Ohr, als er sagt: "Eine junge Werwölfin. Hübsch, braune Haare, braune Augen. Wild."
 Zu spät wird mir bewusst, dass ich mir auf die Lippe beiße. Klaus bemerkt es. Wieder dieses spielerische Funkeln. "Eifersüchtig?"
 Ich schnaube. "Warum sollte ich?"
 Klaus lehnt sich wieder zurück, womit die Anspannung von mir fällt und ich wieder frei atmen kann.
 "Stimmt, warum solltest du? Sie ist ja tot." Er wirft mir einem kalkulierenden Blick zu. "Du wirst sie bald kennen lernen."

DesideriumTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon