Kapitel 6: April 1886 (Flashback)

7.5K 262 4
                                    

Ich werde an ein paar Stellen Flashbacks einbauen, die Chloes Leben und ihre Umstände in New Orleans erklären. Die Geschehnisse, die erwähnt werden oder geschehen, müssen nicht unbedingt dem Zeitstrahl von The Originals entsprechen. - Eileen

Der Saal ist erfüllt von Lichtern und Stimmen. Von der Decke hängen Kronleuchter und verbreiten ihren Kerzenschein in jedem Zentimeter des Raumes. Als wir die Tür passieren, wird uns sogleich die Sicht versperrt. Vor uns bauschen sich Körper mit bunten Stoffen auf, lachend, tanzend, in Gesprächen vertieft oder ein Glas Champagner in der Hand haltend.Mein Bruder, wie immer elegant in einem einfachen Smoking gekleidet, schnaubt. "Hier finden wir Stefan nie."

 Ich hake mich bei ihm unter und ziehe ihn durch die Menschenmenge. "Ich glaube nicht, dass er hier ist. Sonst wären all diese lebhaften Menschen ... nicht mehr so lebhaft." Ich lache ihn über meine Schulter hinweg an. "Wir suchen die Urfamilie, schon vergessen?"
 Damon verzieht das Gesicht. "Daran musstest du mich nicht erinnern. Katherine hat gesagt, dass sie nicht sehr ... umgänglich seien."
 "Ach, hör nicht auf Katherine!"
 Damon bleibt stehen und legt seine Hand auf meine Schulter, die andere an meine Hüfte. Wir bewegen uns leicht im Takt der Musik. Mein Blick schweift durch den Saal, sucht nach auffälligen Personen. "Wie sollen wir einen von denen jemals finden?", seufze ich. "Wir wissen nicht einmal, wie sie ausschauen."
 "Sie werden hier schon irgendwo sein, Schwesterherz", meint Damon und berührt mich kurz an der Wange. "Schließlich ist das ihr Haus, oder nicht?"
 Ich kichere. "Mich wundert es immer noch, dass du es geschafft hast eine Einladung zu bekommen." Auf einmal kribbelt mein Nacken. Ich drehe mich um und suche nach dem Verantwortlichen, der mich beobachtet. Mein Blick bleibt an einem Paar blau-grüner Augen hängen, die mich unverwandt anstarren. Ich löse mich von Damon und nehme ein Glas Champagner von dem Tablet eines vorbeilaufenden Kellners.
 "Was ist?", fragt mein Bruder.
 Ich nippe an dem Glas und wage wieder einen kurzen Blick in die Richtung des Beobachters. Er ist weg.
 "Schmeckt Ihnen der Champagner, Miss?", fragt auf einmal eine Stimme hinter mir.
 Ich schnelle herum und sehe mich denselben Augen gegenüber, die mich noch vor einigen Sekunden von der anderen Seite des Raumes angestarrt haben. Die Augen gehören zu dem bestaussehensten Mann, den ich jemals in meinem 22 Jahre altem Vampirleben gesehen habe. Dunkelblonde Haare locken sich sanft bis in den Nacken, und ein charmantes Grinsen spiegelt sich auf seinem Gesicht.
 Ich erwiedere das Lächeln. "Bestens, vielen Dank. Eine sehr hohe Qualität." Ich kenne mich kein Stück mit Champagner aus, mein Bruder ist der Experte auf diesem Gebiet, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der neue Trend aus Frankreich nicht günstig war. Um meine Aussage zu verdeutlichen, nehme ich noch einen Schluck.
 Auch Damon hat sein Grinsen aufgesetzt, übertrieben höflich natürlich. In genau diesem Ton sagt er auch: "Entschuldigen Sie, aber wie war noch gleich Ihr Name?"
 Ich lächle über den Rand des Glases hinweg. Typisch Damon, er vertraut keinem Menschen, bevor er ihn nicht kennt, noch weniger einem Vampir.
 "Oh, ich habe meine Pflichten als Gastgeber ganz vergessen." Der blonde Vampir macht eine elegante Verbeugung, bei der etwas goldenes an seiner rechten Hand aufblitzt. Ich sehe genauer hin und erkenne einen Ring, in dem ein blauer Lapislazui steckt. Sein Tageslicht-Ring. "Mein Name ist Niklaus Mikaelson, meine Freunde nennen mich Klaus. Ich und meine Geschwister geben diese prächtige Soirée." Er greift scheinbar wahllos neben sich und zieht eine junge Frau zu sich, nicht älter als ich. "Hey!", beschwert sie sich. Klaus schaut ihr in die Augen. "Entschuldigen Sie, Liebes, aber ich muss alle Bedürfnisse meiner Gäste erfüllen." Er führt ihren Arm zu seinem Mund und beißt in ihr Handgelenk. Nervös schaue ich zu den umstehenden Leuten, aber die scheinen davon nichts mitzukriegen. Auf einen stummen Befehl hin kommt ein Kellner mit drei leeren Gläsern herüber. Klaus hält das Handgelenk der Frau, die jetzt widerspruchslos gehorcht, über die Gläser und lässt das Blut hineintropfen. Dann reicht er sie uns.
Ich stelle den Champagner ab und nehme ein Glas.
 "Auf einen herrlichen Abend!", sagt Klaus und wir stoßen an.
 Ich nehme einen Schluck vom Blut und schließe genussvoll die Augen, als es meine Kehle hinunterläuft. Vor 22 Jahren wurden wir verwandelt, und ich und Damon haben uns schnell an die Tatsache gewöhnt, dass wir von nun an von nichts anderem mehr leben können. Anders ist es Stefan ergangen. Sobald er auch nur einen Tropfen Menschenblut, frisch aus der Ader, zu sich nimmt, wird er zum Ripper, einem blutdurstigen und brutalen Monster, das keine Zurückschreckung vor grausamen Nahrungsaufnahmen kennt. Aus diesem Grund suchen wir unseren Bruder: Lexi will ihm das Menschenblut wieder entwöhnen, aber dazu braucht sie ihn erstmal vor sich. Von einer befreundeten Hexe haben wir erfahren, dass Stefan sich mit der Urfamilie rumtreibt. Also haben ich und Damon recherchiert und sind auf eine Einladung zu einer Soirée in New Orleans gestoßen, die im Haus der Mikaelsons stattfindet. Kurzerhand hat uns Damon Einladungen besorgt und jetzt stehen wir hier und unterhalten uns mit Klaus Mikaelson, einem der berüchtigten Urvampire.
 "Ah, B negativ", sagt Damon.
 Klaus grinst. "Tut mir leid, dass ich auf die schnelle nichts besseres gefunden habe."
 "Neinnein, mein Bruder meinte das als Lob", sage ich schnell. Ich kenne die Urvampire nur aus Geschichten, und ich weiß nicht, wie sie sich verhalten oder auf Beleidigungen reagieren. Ich weiß, dass Damon es als bloßes Kommentar gemeint hat, aber sein spöttischer Unterton lässt Fremde schnell das Gegenteil vermuten.
 Ich kippe das Glas Blut hinunter. Seit heute Morgen habe ich kein Blut mehr zu mir genommen, und ich habe trotz des vorigen Alkohols Durst.
 "Noch etwas?"
 Nach einem Blick auf die junge Frau, die sich ein Taschentuch auf die Bisswunde an ihrem Handgelenk hält, schüttle ich den Kopf. "Nein, ich habe für gerade genug."
 "Entschuldigt mich kurz. Schwesterlein, Klaus." Damon neigt den Kopf in Klaus' Richtung und verschwindet dann in der Menge, nicht ohne mir vorher einen bedeutungsvollen Blick zuzuwerfen.
 "Was hat denn Ihr Bruder vor?", fragt Klaus.
 Ich wende mein Gesicht wieder ihm zu und lächle leicht. "Ich denke, er will sich mit ein paar jungen Damen begnügen."
 Klaus lacht, und mein Lächeln wird von ganz allein breiter, offener. "Ich habe mir schon gleich gedacht, dass Ihr Bruder dieser Typ von Vampir ist."
 "Was sind Sie denn für ein Typ?", frage ich amüsiert. Obwohl ich genau weiß, dass Damon etwas anderes vorhat als Frauen aufzureißen, liegt Klaus mit seiner Vermutung nicht mal so falsch. Hätten wir heute Abend nicht Stefan gesucht, würde mein Bruder nämlich genau das machen. Mädchen umgarnen und dann ihr Blut trinken.
 "Ich denke", sagt Klaus, nimmt mir mit einer fließenden Bewegung das Glas aus der Hand und legt seine Hand unter meinen Ellenbogen, "dass ich einer der Typen bin, die charmante Worte zu einem bildhübschen Mädchen sagen und sie wenige Tage später verlassen."
 Ich schaue ihn an, unsicher ob das nur Spaß war oder Ernst. Klaus lacht. "Lassen Sie sich von mir nicht verunsichern, Liebes. Sie haben vor mir nichts zu befürchten." Er zieht mich auf die Tanzfläche und schwingt mich einmal im Kreis. "Ihr seid nicht von hier, oder?"
 Ich passe mich Klaus' Tanzschritten an und antworte: "Nein, Damon und ich, wir kommen aus Mystic Falls."
 "Entschuldigen Sie, wenn ich nachfrage, aber wie ist Ihr Name?"
 "Chloe. Chloe Salvatore", sage ich und mache einen kleinen Knicks.
 "Nun, Chloe, was machen Sie so weit weg von Virginia?"
 Ich überlege, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte. Meiner Meinung nach darf er ruhig wissen, dass wir unseren Bruder suchen, aber was klug ist und was meine Meinung, ist nicht immer ein und dasselbe. Wenn Stefan wirklich mit diesem Klaus rumhängt, könnte er was dagegen haben, wenn wir ihm meinen Bruder wegnehmen. Aber andererseits müsste er auch wissen, wo sich Stefan aufhält. Ich bezweifle nämlich, dass Damon ihn findet, auch wenn er noch so ordentlich sucht.
 "Ich suche meinen zweiten Bruder, Stefan Salvatore. Wir haben ihn schon lange nicht mehr gesehen und haben gehört, dass er etwas ... Unruhe stiftet."
 Klaus hebt mich an den Hüften hoch und dreht sich mit mir, wie alle anderen Paare auf der Fläche. Ohne dass ich es mitbekommen habe, sind wir in den offiziellen Tanz übergegangen. Ohne Anzeichen von Schwäche zu zeigen setzt er mich wieder ab und kommt mit seinem Mund nahe an mein Ohr. "Das ist wahr, Ihr Bruder hat wirklich für Unruhen gesorgt. Ich habe ihn jedoch in den Griff bekommen, Sie müssen sich also keine Sorgen machen, Liebes."
 Ich schaue ihn erstaunt an. "Sie haben ihn in den Griff bekommen?" Ein Hauch von Schrecken schwingt in meiner Stimme mit.
 "Das ist doch meine Pflicht als König dieser Stadt, oder etwas nicht?"
 "Sie sind ... Sie sind der König? Wie darf ich das verstehen?"
 Er zuckt mit den Schultern. "Nun, ich habe mir New Orleans zu Eigen gemacht, ich habe ein Bündniss mit dem Menschenrat sowie mit den hier lebenden Werwölfen, Hexen und Vampiren geschlossen. Meine Familie hat geholfen, diese Stadt aufzubauen, also herrschen wir auch darüber."
 "Ich verstehe ..." sage ich, doch es interessiert mich nicht besonders. Ich will endlich wissen, was mit Stefan ist. "Wo, sagten Sie gleich, befindet sich Stefan?"
 Klaus stößt ein raues Lachen aus. "Sie haben einige Erfahrung auf dem Gebiet der weiblichen Manipulation", sagt er mit einem wohlwollenden Unterton. "Aber ich glaube nicht, dass Stefan Sie sehen möchte, und ich respektiere die Wünsche meiner Gäste."
 "Also ist er hier? Auf der Soirée?"
 "Nein, sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Liebes?" Er grinst und macht eine weit ausholende Geste. "Sonst wären all diese delikaten Personen nicht mehr am Leben."
 "Wo ist er dann?"
 "Chloey!", ruft eine Stimme. 
 Ich entziehe mich Klaus' Händen und drehe mich zu Damon um. Er hat seinen Zylinder unter den Arm geklemmt und schiebt sich unsanft durch die Menschen.
 Ich schaue ihn fragend an. "Was ist?"
 Die letzten Meter überbrückt er mit Vampirgeschwindigkeit. "Komm, Schwesterherz, wir müssen gehen." Er macht eine angedeutete Verbeugung in Klaus Mikaelsons Richtung. "Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen."
 Klaus lächelt galant. "Die Freude liegt ganz meinerseits." Er nimmt meine Hand und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Finger. "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Liebes."

DesideriumWhere stories live. Discover now