12. Pogo Neko M

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»Und du weißt wirklich nicht mehr, welche Ausgabe das war?«, fragte Evelyn.

Ich hatte gerade von der Zeitschrift erzählt, in der ich überraschend auf den Namen Yggdrasil gestoßen war. Die drei fanden sich diesmal in meiner bescheidenen Hütte ein, da Blix es für keine gute Idee heilt, wenn die Agenten der Landwacht beobachteten, wie Narcisa oder andere Personen ihn in seiner Villa besuchten. Es störte sie zum Glück nicht, dass ich meine Mittagsmahlzeit allein am Klapptisch einnahm; für mehr als eine Person reichte der Platz daran ohnehin nicht aus. Widerwillig rührte ich die Dosenravioli um, die auf dem Teller vor mir in Tomatensauce ertranken. Ich aß das Zeug schon zum dritten Mal diese Woche, und konnte nicht auf Abwechslung hoffen – mehrere Dutzend Dosen stapelten sich im Vorratsschrank bis zur Decke. Jerry hatte den Einkauf erledigt und vor allem auf den Mengenrabatt beim Großhändler geachtet. »Diese Ravioli enthalten alle wichtigen Vitamine und Spurenelemente«, hatte er behauptet. »Dir wird es an nichts fehlen.« Ich war nach dem ersten Probieren schnell anderer Meinung: Dem Fraß fehlte es vor allem an Geschmack. Ich könnte auch gezuckertes Papier essen und würde keinen Unterschied bemerken. Mir in der Stadt etwas zu kaufen traute ich mich allerdings nicht, weil Jerry meine Kreditkartenabrechnung mit Argusaugen überwachte.

»Nein, leider nicht«, antwortete ich Evelyn auf die Frage nach der Zeitschrift. Also versuchte sie, anhand meiner Erinnerung an die Titelstory die entsprechende Nummer auf der Website des Verlages zu finden, was ihr tatsächlich gelang.

»Das ist komisch«, stutze sie und drehte ihr Pad so, dass wir es alle einsehen konnten. »Die entsprechende Ausgabe kann nicht nachbestellt werden. Bei allen anderen gab es einen Button dafür, nur bei der hier nicht.«

»So ein Pech«, murmelte ich. »Der Artikel klang nach einer guten Spur.« – »Ganz recht«, sagte Blix. Er legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Langsam glaube ich auch, dass Echo Yggdrasil etwas mit den Kindern zu tun hat.«

»Hast du deine Brille aufgehabt?«, fragte da Jerry. Ich klatschte mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Aber klar!« Wie konnte ich nur so blöd sein – die AR-Brille zeichnete schließlich alles auf, was ich sah.

Nachdem Jerry die Aufnahme kopiert hatte, was mir nun, da meine Neugier frische Nahrung erhalten hatte, gar nicht schnell genug gehen konnte, spulte er bis zur entscheidenden Stelle vor. Wir konnten mit meinen Augen beobachten, wie ich im Wartezimmer die Zeitschrift entdeckte und durchblätterte. »Stopp!«, rief ich, als ich die Überschrift des Artikels wiedererkannte. Endlich erfuhr ich, wie der Text weiterging:

...Lattojv Horn – nebenbei bemerkt Lebensgefährte der Kapitänin Echo Yggdrasil –, der sich von der Wicca-Mystik inspirieren ließ. Grundzüge davon finden sich auch in unserem Glauben wieder. Eine interessante Spur stellen die Beziehungen von Horns Verwandschaft mit der Kirche dar. Seine älteste Tochter Miranda Aubert vertrat die Kinder der Saat in über vierzig Fällen vor Gericht, während sein Neffe Kazuki Siemens später den Auftrag für den Bau des Aerodoms erhalten sollte. Kaum verwundern sollte da noch, dass Yggdrasils Kabinett eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Kirchenmitgliedern aufwies. Könnte

»Das ist doch jetzt nicht wahr«, jammerte ich, als ich bis zum Ende der Seite gelesen hatte. Warum mussten diese dämlichen Pads auch so klein sein, dass der Artikel nicht mal ganz drauf passt! Jerry ließ das Video weiterlaufen, aber ich wusste bereits, dass es nicht mehr zu sehen gab. Der Rezeptionist rief mich auf, und ich legte die Zeitschrift achtlos zurück.

»Du hättest umblättern sollen«, sagte Jerry. Evelyn verdrehte die Augen. »Danke, Jerry, K wird sicher beim nächsten Mal dran denken.«

Blix faltete seine Hände, stützte seinen Kopf darauf, und sah nachdenklich in die Ferne. »Immerhin sind das schon ein paar Informationen, mit denen wir arbeiten können. Ich schau mal, was ich über diesen Lattojv Horn und seine Sippe herausfinden kann. – Gut, ich denke, das wäre alles für heute. Viel Erfolg morgen Abend im Seminar, K. Und guten Appetit.«

Ich bin KWhere stories live. Discover now