21. Nordisches Holz

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»Das mit dem Namen muss Zufall sein«, sagte Evelyn undeutlich. »Reichst du mir bitte die Girlande? – Nicht die, nimm die schöne.«

Ich legte das rot-grün gestreifte Schmuckband zurück zu den anderen vier, die sich in meinen Augen nicht im Geringsten voneinander unterschieden, und nahm stattdessen die Girlande, auf die Evelyn mit ihrer Fußspitze zeigte, um sie ihr hoch auf die Leiter zu reichen. Sie zückte einen der Nägel, die sie zwischen ihren Lippen aufbewahrte, und begann damit, das eine Ende des Bandes über der Eingangspforte der Blixschen Villa zu befestigen.

»Erwartet ihr Gäste?«, rief ich gerade laut genug, um die Hammerschläge zu übertönen. »Nein, nein«, rief Evelyn zurück. »Robin hätte es nur gerne festlich zu Weihnachten. Weißt du inzwischen, ob du kommst?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ist er mir immer noch böse?« Seit unserem Streit hatte ich kein Wort mehr mit Blix gewechselt. Besonders ärgerlich war die Tatsache, dass er Jerry die PIN meiner Kreditkarte hatte ändern lassen, sodass ich mich seit Tagen nur noch von den Restvorräten an Dosenravioli ernähren musste. Gewiss, Evelyn hätte mir sicher etwas zugesteckt, hätte ich ihr davon erzählt, aber ich war zu stolz, um sie um Hilfe zu bitten.

»Er trägt es dir noch sehr nach. Alle Ausgaben rechnet er in Bruchteilen von ›Verschwendungen durch K‹. Der neue Küchentisch habe ›drei Viertel Verschwendungen durch K‹ gekostet, die Reparatur seines Wagens ein Zehntel. – Okay, jetzt die Stoffblume bitte.«

»Kann dein Bruder da nicht was machen? Das ist doch kein Zustand.«

Mit einem lauten, letzten Hammerschlag fand die Zierblume ihren Platz. Evelyn lehnte sich zurück, soweit es ein sicherer Stand auf der Leiter zuließ, und betrachtete ihr Werk. »Perfekt«, befand sie, obwohl eine Seite der Girlande deutlich tiefer hing als die andere, und die Blume fast eine Handbreit von der Türmitte entfernt hing.

»Jerry würde nie was gegen Robin sagen«, erklärte sie, während sie die Leiter herabstieg. »Seit unsere Mutter weg ist, stellt er für Jerry eine Art Ersatzvater dar. Vielleicht mag er es auch nur, in Ruhe gelassen zu werden. Ich muss zugeben, dass ich selbst früher ein großer Fan von Blix war, aber seit ich ihn privat kenne, halte ich nicht mehr so große Stücke auf ihn.«

»So wie du Fan von Yggdrasil bist?«, fragte ich, um zum ursprünglichen Thema zurückzukehren.

Evelyn rollte mit den Augen. »Das ist ja schon manisch, wie sehr du dich auf sie eingeschossen hast. Selbst wenn du Recht behältst – und das ist ein großes ›wenn‹ – Was willst du mit dem Wissen anfangen, dass sie die Kinder der Saat begründet hat? Hilft dir das irgendwie weiter, sie zu unterwandern?«

»Naja, sie würden doch bestimmt nicht so ein großes Geheimnis draus machen, wenn es nicht wichtig wäre.«

»Pass auf«, sagte Evelyn, und fuchtelte dabei bedrohlich mit dem Hammer in ihrer rechten Hand vor ihrem Körper. »Wenn du Blix erzählen würdest, dass du Yella eingeweiht hast...« – »Deswegen rede ich ja mit dir und nicht mit ihm...« – »...dann würde er die dasselbe sagen, was ich dir jetzt sage: Je weniger Personen in unseren Plan eingeweiht sind, je weniger wissen, dass du nicht aus ehrlichen Motiven Mitglied dieser Kirche geworden bist, desto besser. Du hättest Yella nicht für deine Forschung einspannen dürfen. Unser ganzer Plan hängt davon ab, dass du die Füße stillhältst und in den Rängen aufsteigst, ohne aufzufallen. Deine Neugier gefährdet unsere Mission.«

Evelyn hatte Recht, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte. Wie die Kinder der Saat einst zusammengekommen waren, war zwar ein interessantes historisches Detail, aber von keinem praktischen Nutzen. Dass Yella mich verraten könnte, darüber machte ich mir weniger Sorgen, schließlich schien sie selbst der Kirche nicht allzu sehr zugeneigt. Narcisa dagegen erschien mir unberechenbar. Sie hatte mich in letzter Zeit nur noch selten um Gefallen gebeten. Mir schauderte es bei dem Gedanken, welche nächste ›ganz große Sache‹ sie vielleicht schon wieder ausheckte. Aber Narcisa, so entschied ich, war mein privates Problem, und im Stillen versprach ich, es nicht zu einem größeren werden zu lassen.

Ich bin KWhere stories live. Discover now