34. Das Panoptikum [Ende]

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Je tiefer es in den Vault hinab ging, desto mehr sahen die Gänge nach einer Mine aus. Die glatten Betonwände wichen schroffem Felsgestein, das durch Balken gestützt wurde. Hier endete unser Gebäudeplan. Ab jetzt mussten wir uns auf unseren Instinkt verlassen, um den Weg zum Serverraum zu finden.

Bald kamen wir in eine kreisrunde Halle, von der drei Türen abzweigten, die mit ›A-Sektion‹, ›B-Sektion‹ und ›C-Sektion‹ beschriftet waren. Auch hier gab es elektronische Schlösser.

»Silberpfeil hatte von der B-Sektion gesprochen«, sagte ich. »Er wollte unbedingt Zugriff darauf haben.«

Ich legte meine Hand auf den Scanner und ein rotes Licht leuchtete über der Tür auf. »Scheint so, als ob Timo auch nicht rein darf.«

»Versuchen wir es mit C«, sagte Yella.

Tatsächlich – nachdem ich Timos Code eingegeben hatte, ging die Tür auf.

»Und warum nicht A?«

»Weil A immer der langweilige Weg in Videospielen ist. Da geht die Hauptquest weiter. Den Loot gibt es aber nur, wenn man einen Abstecher macht.«

Eigentlich fände ich es besser, wenn unsere ›Hauptquest‹, wie sie Yella nannte, weiterginge, andererseits könnte Yella Recht haben und die wichtigen Räume wie zum Beispiel die Server standen in Abschnitt C. Vielleicht war die Benennung aber auch vollkommen willkürlich und es spielte keine Rolle, wo wir lang gingen.

Einen wichtigen Raum fanden wir gleich hinter der Tür: Die Kommunikationszentrale. Sie war unbesetzt, und so konnte Yella in aller Ruhe die Kabel durchtrennen, die den Vault mit der Außenwelt verbanden.

Je weiter wir vordrangen, desto mehr glichen die Gänge einem Labyrinth. Ständig mussten wir uns an einer Gabelung für einen Weg entscheiden. Wenigstens waren die Räume alle ausgeschildert. Dafür stellte sich jeder vierte Gang als eine Sackgasse heraus und wir mussten umkehren.

Plötzlich hob Yella eine Hand und ballte sie zur Faust, das Zeichen, dass ich stehen bleiben und keinen Mucks von mir geben sollte. Sie schubste mich durch die nächstbeste Tür in ein kleines Büro. Gemeinsam hielten wir den Atem an und lauschten. Schritte näherten sich und man konnte zwei Personen hören, die miteinander redeten.

»Ich sag's dir, wenn ich weiter mit diesen Viechern arbeiten muss, kündige ich.«

»Nenn sie nicht so.«

»Einer von ihnen hat Sarah in die Wade gebissen! Es sind Tiere, sag ich dir!«

»Sie können doch nichts dafür. Außerdem würde ich an deiner Stelle nicht so laut von Kündigung reden. Du schaufelst dir nur dein eigenes Grab, und das meine ich ganz wörtlich.«

»Bevor ich von den Viechern umgebracht werde, versuch' ich's lieber damit. Ich weiß gar nicht, was sie mit der Versuchslinie bezwecken, die Shifter sind doch perfekt so wie sie sind...«

Die Stimmen und Schritte entfernten sich. Wir warten noch eine Weile, bis die Handlanger sicher weg waren, und verließen dann das Büro.

»Hätte nicht gedacht, dass so spät noch jemand hier arbeitet«, flüsterte Yella. »Okay, hinter der nächsten Ecke ist ein Infrarotsensor. Kannst du ihn ausschalten?«

»Ich kann's versuchen«, sagte ich und nahm die EMP-Harpune von meinem Gürtel. Ich hielt sie mit beiden Händen, weil ich meinen Zielkünsten nicht traute, und betätigte den Abzug. Der Bolzen schnellte hervor und hakte sich in der Plastikabdeckung des Sensors fest. Mit einem weiteren Tastendruck war das Gerät außer Gefecht gesetzt.

»Guter Schuss«, sagte Yella.

Der Schwindel meldete sich zurück, schlimmer als zuvor. Die Minenwände begannen vor meinen Augen wild zu rotieren. Der Reißverschluss meiner Tasche öffnete sich von allein und formte einen Mund, der mir wieder und immer wieder befahl: »Töte sie! Töte den Eindringling!«

Ich bin Kحيث تعيش القصص. اكتشف الآن