22. Kapitel

5.1K 254 4
                                    

Hailey

Nickend trinke ich einen großen Schluck von meinem Wein. Anthony erzählt mir seit einer gefühlten Stunde von seinem tollen neuen Auto. Mit einem entschuldigenden Blick in Athonys Richtung schreibe ich Sydney eine SMS. Sie hat mich gefragt, wie das Date läuft.
„Voll gut. Ich weiß jetzt alles über sein neues Auto. Hat mich schon immer interessiert wie man den besten Deal für ein Auto kriegt. Nein ernsthaft, es ist echt langweilig", antworte ich ihr und stecke mein Handy weg.

Mit halben Ohr höre ich Anthony zu und versuche halbwegs interessiert zu wirken. Nach ein paar weiteren Minuten haben ich jedoch das Gefühl gleich einzuschlafen. Als Anthony gerade einen Schluck trinkt ergreife ich die Chance.

„Wollen wir vielleicht in irgendeinen Club gehen? Ich bin fertig mit Essen und hätte Lust ein wenig zu tanzen", frage ich ihn und hoffe er besteht nicht darauf weiter hier zu sitzen und zu reden. Ich habe genug Informationen über sein Auto erfahren und kann gerne auf weitere verzichten.

„Klar, ich gehe nur schnell bezahlen", bietet Anthony an und ist schon aufgestanden, aber ich folge ihm. „Dankeschön für das Angebot, aber ich bezahle für mich selber."

Anthony guckt mich überrascht an. „Wirklich? Ist kein Problem für mich, ich bezahle gerne für dich." Ich lächle ihn nur an und schüttle den Kopf. Ich mag den Gedanken nicht, jemanden etwas schuldig zu sein, sei es auch nur wegen Essen.

Ich gebe der Kellnerin das Geld für mein Essen und ein gutes Trinkgeld. Auch wenn Anthony protestiert. Aber ich lasse mich nicht beirren. Während Anthony unsere Jacken holt, lese ich die SMS von Sydney. „Das klingt ja spannend. Viel Spaß noch! :D" Lächelnd stecke ich mein Handy weg.

Wenig später schlendern wir durch die volle Stadt, reden etwas oder schweigen. Das ist definitiv besser als das einseitige Gespräch während des Essens. Die Nacht ist kalt und klar. Ich blicke in den Himmel und bleibe stehen. „Wow." Der Himmel ist komplett dunkel, nur der Mond scheint hell. Ein tolles Bild.
Anthony ist ebenfalls stehen geblieben.

Der Himmel ruft eine alte Erinnerung in mir hoch.

Hailey
Vor über vier Jahren

Ich starre in den Himmel hinauf, der Mond scheint so hell und klar. Bald werde ich sechzehn. Der Gedanke lässt mich erschauern. Vor meinen sechzehnten Geburtstag fürchte ich mich. Nur vor meinen achtzehnten Geburtstag habe ich noch mehr Angst.

Wie wird mein Leben wohl aussehen, wenn ich achtzehn bin? Hoffentlich anders als jetzt. Ich will nicht das, was meine Zukunft für mich bereitstellt. Ich will nicht so enden wie mein Vater oder mein Bruder. Ich will ein ruhiges schönes Leben, vielleicht reisen oder studieren. Ich ziehe die Decke noch enger um mich herum und lege meinen Kopf auf meine Knie.

Nach wenigen Minuten schrecke ich auf, als ich Autoreifen auf Kies quietschen höre. Auf den Fensterbank, meinen Geheimversteck, bin ich eigentlich nicht sichtbar für Leute auf dem Parkplatz, aber nur um sicher zu gehen, rutsche ich noch ein Stück näher an das Fenster. Die Fensterbank auf der ich sitze ist wirklich gut versteckt, aber ich habe trotzdem einen guten Ausblick.

Ich höre Stimmen und erkenne die Stimme meines Bruders. „Olivia", lallt Javier. Er ist betrunken. Ich kenne meinen Bruder gut und es ist schon fast einen Tradition von ihm, sich Freitags ordentlich zu betrinken. Ich atme so leise wie möglich, ich will nicht das er mich entdeckt. Er wird so schnell sauer, wenn er betrunken ist.

„Ach komm, lass sie. Hohl die Sachen und lass uns fahren", redet sein Kumpel ihm zu und ich blende die Stimmen der beiden aus. Ich will gar nicht wissen, was für Sachen sie hohlen und was sie machen.
Ein wenig mehr rücke ich noch an das Fenster, obwohl das kaum mehr möglich ist. Die Wohldecke kratzt an meiner Haut und das kalte Wind bläst mir ins Gesicht. Trotzdem fühle ich mich hier wohl.

Die Stimmen von meinem Bruder und seinen Freunden werden lauter, weswegen ich mir Kopfhörer in die Ohren stecke und die Musik von meinem Musikplayer anstelle. Und betrachte weiter den Himmel. Den hellen Mond und der dunkle Himmel.

Und denke mir, solange der Mond noch scheint, kann ich immer weiter machen. Egal was passiert. Es wird schon alles nicht so schlimm werden.

Hailey

Lächelnd denke ich an meinen geheimen Platz. Das Haus in dem ich aufgewachsen bin, hatte lauter verschachtelte Ecken. Eine dieser verschachtelten Ecken, war auf dem Dach. Eines der unbewohnten Zimmer hatte ein Fenster mit einer breiten Fensterbank. Immer wenn ich alleine sein wollte oder meine Ruhe haben wollte, habe ich von innen die Gardinen zugezogen und habe mich auf die Fensterbank zurückgezogen.

„Hailey? Wollen wir weiter?", unterbricht Anthony meine Erinnerungen.
„Klar", sage ich schnell und räuspere mich. Manchmal fallen mir so einfache und alltägliche Dinge aus meiner Vergangenheit ein. So als wollte mein Unterbewusstsein die ganzen schlimmen Dinge verdrängen und mir die guten Momente meiner Kindheit zeigen.

Ich vergrabe meine Hände in meinen Jackentaschen und folge Anthony schweigend.

Forget meWhere stories live. Discover now