41. Kapitel

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Hailey

Ich bleibe einfach stehen, kann mich nicht bewegen. Die lähmende Angst kriecht sich in meine Glieder und tausend Gedanken schießen in meinen Kopf. Abhauen ist die erste Idee. Wie ironisch, gerade rede ich mit London über meine Familie und schon ... schon ... schon sind sie da. Was habe ich auch gedacht, das ich neu anfangen kann? Mir ein eigenes Leben ohne meine verkorkste Familie aufbauen kann? Ich muss fast lachen. Dummer Wunsch.

Aber sofort fällt mir ein das Tara da ist. Nein, ich kann nicht gehen, kann sie nicht alleine lassen. Die Polizei rufen? Nein, ich kann nicht die Polizei rufen, weil ein fremdes Auto in meiner Auffahrt steht. Die halten mich noch für verrückt. London kann ich auch nicht anrufen, ich will ihn nicht mithineinziehen. Wenn ich mich schon ins Verderben schmeiße, muss ich ihn nicht mitreißen.

Ich atme tief ein und aus. Der Griff um meine Tasche wird fester. Das Haus ist hell erleuchtet. Ungefähr hundert mögliche Situation schießen mir durch den Kopf, was gleich passiere könnte. Langsam gehe ich auf die Haustür zu, alles in mir sträubt sich dagegen. Leider kann ich das Auto niemanden zuordnen, sonst könnte ich dementsprechend irgendwas ausdenken, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen.

Überrascht höre ich, als ich immer näher an das Haus komme, Geschrei. Lautes Geschrei. Tara!

Schnell laufe ich auf die Tür zu, öffne sie vorsichtig und bleibe geschockt stehen, als ich die Stimme erkenne. Meine Tasche lege ich leise in den Flur und greife nach einer Waffe aus den vielen Verstecken und packe sie in meinen Hosenbund und überdecke sie.

„Du Schlampe", ich zucke zusammen, merke jedoch schnell, dass er nicht mit mir redet. Ich schleiche mich an die Wohnzimmertür und erhasche durch den kleinen Türspalt einen Blick auf die Situation.

Tara steht nahe am Sofa, ihre Miene ist ausdruckslos, aber ich sehe an ihren aufeinander gepressten Lippen, dass sie Angst hat. Beschützend hält sie eine Hand vor ihren Bauch. Es ist mittlerweile mehr als deutlich zu sehen das sie schwanger ist.

Mein Blick gleitet zu der andern Person. Es ist komisch ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Ich erkenne ihn kaum wieder und doch ist er mir so bekannt. Seine Haare sind kürzer, sein Gesicht hat einen harten Ausdruck und er sieht einfach nicht nach dem Bruder aus, den ich immer kannte. Er ähnelt meinem Vater immer mehr.

„Du verlogene Schlampe. Haust mit MEINEM Kind ab! Dachtest du, ich finde dich nicht? Wie dumm bist du eigentlich?", schreit er und mein Blick schießt zu Tara. Er ist nicht wegen mir hier? Fast hätte ich erleichtert ausgeatmet.

„Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen", sagt Tara erstaunlich ruhig, „Ich wollte mein Kind beschützen."

Diese Aussage macht Javier nur noch wütender. „Beschützen? Ich sollte mein Kind vor dir beschützen, du bist immerhin einfach ohne ein Wort abgehauen. Du wolltest mir mein Kind vorenthalten!"

„Ich habe nichts falsch gemacht! Versetze dich mal eine Sekunde in meine Situation, stell du vor du bist von einem psychopathischen Drogendealer mit ernsthaften emotionalen Problemen schwanger und"- weiter kommt sie nicht, weil Javier sie wütend anschreit. Ich bewundere Tara dafür, dass es ihr anscheinend egal ist, dass sie meinen Bruder nur noch wütender macht. Aber so ist Tara.

„Wie hast du mich genannt?"

„Du hast mich schon gehört", zischt Tara und starrt ihn wütend an. Angriff ist die beste Verteidigung, das ist zumindest Taras Taktik. Ihr Blick huscht kurz nach links - in meine Richtung- und sie blickt mir genau in die Augen. Kurz blickt sie mich überrascht mit gewichteten Augen an, wendet ihren Blick aber schnell wieder Javier zu.

„Du kleine Schlampe", knurrt Javier. Tara schüttelt leicht den Kopf – ein Zeichen in meine Richtung, dass ich gehen soll. Das kann sie vergessen. Ich lasse sie nicht alleine. Immerhin ist sie auch eine Art Familie für mich.

„Rede gefälligst nicht so mit mir", sagt Tara, „Du solltest gehen. Jetzt. Sofort." Ich merke, wie sie es zu mir und nicht zu Javier sagt. Ich schüttle entscheiden den Kopf.

„Gehen? Tickst du nicht richtig? Ich werde dir doch nicht mein Kind überlassen", faucht Javier und geht einen Schritt auf sie zu. Tara weicht nicht zurück, aber ich sehe, wie ihre Hand leicht zittert.
„Wie hast du mich gefunden?"

„War nicht so schlau das Flugticket auf deinen Namen zu buchen und die Adresse dazu zuschreiben", antwortet Javier mit einem herablassenden Lächeln. Scheiße. Nur wegen einem kleinen Fehler sind wir aufgeflogen.
„Du kommst mit mir zurück", sagt Javier bestimmt und greift nach Taras Handgelenk und reißt sie zu sich.
„Lass mich sofort los", schreit sie und will sich aus seinem festen Griff winden. Das ist mein Zeichen.
„Lass sie sofort los Javier", sage ich ruhig und betrete den Raum. Javier dreht sich um und starrt mich mit überrascht an. Ihn direkt in die Augen zu sehen macht die ganze Situation realer und tausend Gefühle stürzen auf mich ein.

„Olivia?"

***

Uhh ich glaube keiner hat richtig geraten :D
Ich wollte euch nicht zu lange warten lassen! Schönen Abend noch :)

Forget meWhere stories live. Discover now