40. Kapitel

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London

Ich bin bestimmt schon seit einer halben Stunde wach, während Hailey noch neben mir liegt und schläft. Es ist ganz gut, dass ich ein bisschen Zeit habe, die Informationen von gestern sacken lassen zu können. Wer hätte auch so etwas erwarten können? Ich dachte, sie würde einfach nur ... ach ich weiß gar nicht, was ich eigentlich gedacht habe, was sie mir erzählt.

Mein Blick fällt sofort wieder auf Hailey. Sie sieht friedlich aus und ich frage mich, was noch alles in ihrer Vergangenheit passiert ist. Und ich bewundere sie. Wie sie trotz einer so schweren Vergangenheit, so toll und stark geworden ist.

Hinter ihrem hübschen Gesicht verbirgt sich so viel mehr, als man auf den ersten Blick denken könnte. Und auch wenn es komisch klingt, meine Gefühle für sie werden noch stärker, die Eigenschaften die ich an ihr so liebe und schätze, sind noch viel tiefgreifender als ich dachte. Beispielsweise bewundere ich ihren eigener Wille, wie sie immer für sich entscheidet und so selbstständig ist. Wie ich jetzt weiß, ist sie so wie sie ist, nicht nur so. Wenn man in so einer Familie wie ihrer Familie aufwächst, muss man sich bestimmt ein dickes Fell zulegen.

„Hey", höre ich Hailey verschlafen sagen und konzentriere mich auf sie. Ihre Haare sind leicht durcheinander und sie hat einen Kissenabdruck auf der Wange und sieht trotzdem so verdammt süß aus. Wie immer.
„Morgen", sage ich und schlage die Bettdecke zurück.
„Was wird das?", fragt Hailey mit hochgezogener Augenbraue, als ich aufstehe und mir ein T-Shirt überziehe.
„Ich mache uns Frühstück, was willst du?", frage ich und versuche meine Haare etwas zu richten.
„Ähm ich nehme ein Croissant wenn ihr welche habt und wenn nicht einfach ein Brötchen mit Marmelade", antwortet Hailey mit einem Lächeln und ich verschwinde in die Küche, auch wenn es nicht einfach ist, Hailey einfach alleine in meinem Bett liegen zu lassen, wenn sie so süß aussieht.
Während ich das Frühstück vorbereitet, muss ich wieder daran denken, dass Hailey verheiratet werden sollte. Hat sie den Kerl geliebt? Wollte sie mir deshalb nicht von ihrer Vergangenheit erzählen, weil sie noch Gefühle für ihn hat? Ich möchte mir selber eine reinhauen, dass ich überhaupt solche Gedanken habe.

Aber ... auch wenn ich weiß, dass Hailey und ich uns super verstehen, weiß ich nicht, ob sie mich liebt. Immerhin hat noch keiner von uns das vermeintliche L-Wort gesagt. Meiner Meinung ist das auch nicht so schnell nötig, fest zusammen sind wir immerhin auch erst seit etwa zwei Monaten. Aber wann ist es angebracht? Sind meine Gefühle schon so stark, dass ich sagen kann, dass ich sie liebe? Immerhin kenne ich noch nicht alles aus ihrer Vergangenheit.

Und die entschiedenste Frage: Liebt sie mich eigentlich?

Nach dem Frühstück bleiben wir den ganzen Tag im Bett. Hailey erzählt mir Geschichten aus ihrer Kindheit. Von ihrer Mutter, die sie immer beschützt hat oder es zumindest wollte, von ihrem Bruder, mit dem sie nie besonders gut ausgekommen ist und von ihrer kleinen Schwester, die Hailey von ganzem Herzen geliebt hat. Ihren Vater erwähnt sie nur mit wenigen Worten und ich habe das Gefühl, das es ihr schwerfällt über ihn zu reden. Insgesamt ist sie manchmal arg knapp bei ihrer Erzählung oder lenkt ab. Ihr fällt es einfach nicht leicht, offen über die Vergangenheit zu reden. Kein Wunder. 

„Ich bin wirklich froh, dass wir so offen reden können", sagt Hailey und bindet ihre Haare zu einem Zopf.
„Du weißt, ich bin für dich da", antworte ich und sehe wie Hailey mich anlächelt. Das Beste was ich für sie tun kann, ist ihr zuhören und für sie da zusein.
„Ich glaube, ich sollte gleich nach Hause", sagt Hailey und steht auf. Etwas entrüstet gucke ich ihr dabei zu, wie sie sich eine Hose anzieht, mein Shirt jedoch anlässt.
„Ich dachte, wir machen noch einen Filmmarathon oder so", sage ich und stehe ebenfalls auf.

„Nein, du meintest, dass du etwas Zeit brauchst, um die ganze Sache zu verarbeiten. Und ich finde, dass das eine gute Idee ist. Außerdem habe ich das Gefühl, alle sonstigen Verbindungen zu meinen Freunden zu kappen, weil wir rund um die Uhr zusammen sind", erklärt Hailey und sammelt ihre Sachen zusammen.
„Ach, vergiss was ich gesagt habe, ich will lieber mit dir Zeit verbringen", sage ich und stelle mich hinter sie. Meine Arme schlinge ich um ihre Taille und lege mein Kopf auf ihre Schulter.
„Bleib."

„Du machst es mir aber auch schwer standhaft zu sein. Aber nein, ich gehe auch nur erstmal zu Sydney und du solltest auch mal irgendwas lustiges unternehmen. Ruf doch Nate oder so an", schlägt sie vor und dreht sich in meiner Umarmung um mir in die Augen blicken zu können.

Ich seufze ergeben.
„Okay, okay. Ich unternehme irgendetwas „lustiges"", sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. Hailey kichert und wieder schleicht sich die Frage in meine Gedanken. Und während ich Hailey betrachte, ihre braunen Locken die mich im Schlaf immer kitzeln und überall zu sein scheinen, ihren Lippen, die so verlockend sind und ihre braunen warmen Augen, die mich oft völlig aus der Konzentration bringen, wird mir etwas klar.

Ich liebe sie.

Wie kann man jemand so tolles, perfektes wie Hailey auch nicht lieben?


Hailey

Ich blicke London an. „Woran denkst du?", frage ich, als ich seine leicht grüblerische Miene sehe.
„Ach an nichts bestimmtes."

„Okay, ich gehe dann zu Sydney. Ich verabschiede mich dann aber nochmal bevor ich gehe. Schreib mir, wenn du vorher gehst", sage ich und gebe ihn einen Abschiedskuss.
„Mach ich", murmelt London gedankenverloren und ich überlege, ob ich ihn fragen soll was er hat. Ach, er wird es mir schon sagen, wenn etwas ist.
Ich hoffe Sydney ist da, aber als ich an ihre Zimmertür klopfe und ich sie öffne, weil ich keine Antwort bekomme, sehe ich, dass ihr Zimmer leer ist. Ich krame nach meinem Handy und rufe sie an.
„Hey Hailey", geht sie nach dem zweiten Tuten ran.
„Hi, ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir etwas machen wollen, aber wie ich an deinem leeren Zimmer sehe, bist du nicht da", sage ich und höre Nates Stimme im Hintergrund. Das erklärt wo sie ist.

„Ja, ich bin bei Nate. Wollen wir uns vielleicht später oder morgen treffen? Ich habe das Gefühl, das ich dich kaum noch zu Gesicht bekomme seit du mit meinem Bruder zusammen bist."

„Das stimmt. Ich vermisse dich und hätte Lust mich zu treffen. Allerdings erst in einer Stunde oder so. Ich würde dann ersteinmal kurz nach Hause fahren und mich duschen und umziehen", sage ich und überlege, ob ich London fragen soll, ob er mich fährt. Ach, ich nehme einfach ein Taxi. Er soll mal wieder was mit seinen Freunden unternehmen und nicht meinen Chauffeur spielen.

„Klar, ich freue mich. Wir schrieben dann später wo und wann genau wir uns treffen."
Nachdem ich mir ein Taxi gerufen habe, verabschiede ich mich noch schnell von London. Er sitzt in Gedanken versunken auf seinem Bett und achtet nicht besonders auf meine Worte. Denn sonst würde er sofort anbieten mich zu fahren, so ist London eigentlich. Komisch.

Auf der Fahrt nach Hause wird mir erst richtig bewusst, dass London jetzt von meiner Vergangenheit weiß. Das er jetzt alle Facetten von mir kennt, nicht nur die Neue-Hailey. Keine Geheimnisse mehr. Keine Angst davor, dass er irgendwann herausfindet, wer ich wirklich bin – er weiß es jetzt. Von mir. Und anscheinend hat es nichts an seinen Gefühlen geändert, es hat uns eher noch enger zusammengebracht, auch wenn ich es nicht für möglich gehalten habe. Und das ist ein unbeschreibliches Gefühl.
„Entschuldigen Sie, aber wir sind da", sagt die Taxifahrerin und ich gebe ihr schnell das Fahrtgeld mit einem großzügigen Trinkgeld. Als ich jedoch aussteige, erstarre ich in meiner Bewegung.
Da steht ein fremdes Auto vor meinem Haus.

Ein fremdes Auto mit einem mexikanischen Nummernschild.

***

Ich hatte gerade einen Schreibfluss und dachte mir: Schreibe ich noch ein Kapitel! Also tadaaa. Jetzt wirds spannend :D Vielleicht ist es euch schon aufgefallen, aber ich versuche die Kapitel jetzt immer ein wenig länger zu gestalten :)

Und wie denkt ihr geht es weiter? Freue mich auf eure Vermutungen! :)

Forget meWhere stories live. Discover now