9.2. Heute (überarbeit)

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Emma 

„Einen großen Vanilla Latte mit extra Schaum, bitte."

Nach einem kurzen Blick in die Auslage mit süßen Verführungen kann einfach nicht wiederstehen. „Und einen großen Chocolate Chip Cookie. Nein, lieber gleich zwei."

Der Barista betrachtet mich mit gehobenen Augenbrauen und wartet, ob ich noch etwas hinzufüge. Ich seufze ergeben.

„Na gut", gebe ich mich geschlagen. „Geben Sie mir drei Cookies, aber packen Sie sie so ein, dass ich nicht alle auf einmal essen kann. Am besten, sie verpacken jeden einzeln, damit ich mich durch das Papier graben muss."

Der junge Mann sieht mich an, als wäre ich verrückt, verpackt aber jede dieser Kalorienbomben extra und steckt dann alle in eine kleine Tüte. Ich deute ihm an, die Tüte zusätzlich mit einem Knoten zu verschließen und er tut es. Vorsichtig, als hätte er Angst, dass ich die Cookies mitsamt seiner Hand verschlinge, reicht er mir die Tüte über den Tresen und sagt, dass mein Kaffee gleich fertig ist. Während ich warte, sehe ich mich im Café um.

Um diese Uhrzeit ist der Laden wie ausgestorben, weshalb es nicht viel zu betrachten gibt. An einem der Fenstertische sitzt ein Mädchen und tippt konzentriert auf die Tasten ihres Laptops. Ein Junge, zwei Tische weiter, ist in ein Buch vertieft und trägt breite Kopfhörer, aus denen gedämpft ein harter Beat zu mir herüberschallt.

Der Barista reicht mir meinen Kaffee und wünscht mir einen schönen Tag. Sein Blick fällt immer wieder auf die Tüte mit den verpackten Cookies und ich muss grinsen. Er hält mich bestimmt für verrückt. Der Mann weiß ja nicht, dass ich Süßigkeiten verschlinge wie das Cookie Monster und mit der dreifachen Verpackung nur darauf achte, nicht alles auf einmal zu essen.

Draußen weht mir eine sommerliche Brise entgegen. Ich lebe seit drei Jahren in San Diego und noch immer überrascht es mich, dass es hier so schnell warm wird. Die Temperaturen von New York lassen sich eben nicht mit San Diego vergleichen. Selbst im Winter sinken die Temperaturen hier selten unter vierzehn Grad. Es ist gerade einmal März und dennoch zeigt das große Thermometer über der alten Sonnenuhr auf dem Campus schon fünfundzwanzig Grad an.

Ich ziehe die Lederjacke aus und genieße die warmen Sonnenstrahlen, die von meinem schwarzen ärmellosen Jack Daniels Shirt aufgesogen werden. Bei diesen Temperaturen bin ich froh, mich heute Morgen für die ultrakurzen Jeans Shorts entschieden zu haben. Nicht nur, weil bereits der eine oder andere anerkennende Blick über meine Beine glitt – was unheimlich gut für mein angeknackstes Selbstbewusstsein ist – sondern weil der lange Fußmarsch über den Campus mich regelmäßig ins Schwitzen bringt.

Meine Kurse sind über dem gesamten Gelände verteilt. Zwar bin ich meistens im Medieninstitut, wo auch viele meiner Praxiskurse stattfinden, aber die Vorlesungen und Theorieblöcke sind beinahe alle im Hauptgebäude und das liegt am anderen Ende des Campus', wo auch mein nächster Kurs stattfindet. Kunstgeschichte bei Professor Coney. Ich hasse diesen Kurs.

Nicht, weil ich mit der Thematik nichts anzufangen weiß. Im Gegenteil. Ich mag Kunst und finde die Vorträge von Professor Coney sehr interessant und gut strukturiert. Das Problem ist, dass wir oft in Gruppen arbeiten und der Kurs so knapp besetzt ist, dass meine Arbeitsgruppe nur aus drei, statt fünf Mitgliedern besteht. Und anstatt die anderen Gruppen zu verkleinern und alle mit der gleichen Anzahl zusammenzusetzen, ist Coney der Ansicht, dass wir auch zu dritt das Pensum schaffen.

Kunstgeschichte ist eine meiner letzten Pflichtvorlesungen. Wenn das geschafft ist, habe ich das Theoriemodul abgeschlossen und kann mich ganz auf meine Praxiskurse konzentrieren. Im dritten Jahr darf ich auch endlich das große Medienstudio nutzen und freue mich schon darauf, Bilder und Grafiken technisch zu bearbeiten und mich in einem richtigen Studio auszutoben.

Stuck In Your Head! *pausiert*Where stories live. Discover now