17.2. Heute (überarbeitet)

248 13 2
                                    

Emma

„Komm schon Raven, langsam wird es lächerlich."

Seit drei verdammten Wochen straft sie mich bereits mit diesem eisigen Blick. Jedes Mal, wenn ich versuche mit Raven zu reden, macht sie dicht und verlässt seelenruhig den Raum. Wenn sie wenigstens toben oder mich anschreien würde, käme ich mir nicht so elend vor. Aber sie weigert sich stur, mir auch nur das geringste bisschen Emotion zu zeigen. Und ich dachte immer, ich wäre gut darin, meine Gefühle abzuschalten. In Raven hatte ich wohl meinen Meister gefunden.

„Du weißt, dass du dich kindisch benimmst oder?", versuche ich es noch einmal.

Da sie nicht auf mein Bitten und Betteln reagiert, komme ich mit Provokation vielleicht weiter. Langsam verliere ich nämlich die Geduld mit ihr. Sie ist meine beste Freundin und ich will verdammt sein, wenn uns eine blöde Lüge auseinanderbringt. Zumal sie keine Schwierigkeiten damit hatte, Mason und den Jungs um den Hals zu fallen, als ich sie ihr - in der Hoffnung, das würde alles wieder in Ordnung bringen - vorgestellt habe.

Die Jungs mochten sie vom ersten Moment an. David und Luke sogar mehr als sie je zugeben würden. Sie kreisten um sie als wäre Raven ihre persönliche Sonne und hingen an ihren Lippen. Ich musste mich schwer zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, weil die beiden Rockstars dem Charme meiner Mitbewohnerin verfielen und sich dessen nicht einmal bewusst waren. Dass Raven wie ein blonder Victoria's Secret Engel aussieht, tat sein Übriges und ich konnte quasi fühlen, wie sich zwischen den beiden Brüdern ein kleiner Konkurrenzkampf um ihre Aufmerksamkeit anbahnte. Bisher geschah nichts in diese Richtung, aber das liegt vermutlich zum Großteil an Raven, die nur schwer Zutrauen zu Männern aufbaut. Selbst wenn es sich dabei um ihre Lieblingsrockband handelt.

Obwohl ich ihr den Traum erfüllte, Stuck In Your Head! persönlich zu treffen und zwei Bandmitglieder quasi den Boden unter ihren Füßen anbeteten, scheint sie mir einfach nicht verzeihen zu können. Langsam frage ich mich, ob sie es jemals tut. Ich würde zu gerne wissen, wieso sie so hartnäckig darauf beharrt, mir meine Lüge vorzuwerfen. Ich hatte ihr mehrfach erklärt, wieso ich es getan habe und dass ich es bereue, doch sie scheint sich in ihrer Meinung festzubeißen. Mason meint, ich soll ihr Zeit lasse. Sie würde mir schon irgendwann verzeihen.

Seit unserem Telefonat haben Mason und ich uns tatsächlich wieder angenähert. Wir gehen es langsam an und haben stillschweigend beschlossen, die Freundschaftsgrenze nicht zu überschreiten. Ich weiß, dass ihm das nicht wirklich gefällt, aber er hat bisher nicht versucht, diese Grenze auszudehnen. Zwar weiß ich nicht, ob ich dem Frieden wirklich trauen kann, doch ich habe beschlossen, Shanes Ratschlag zu befolgen und mich einfach darauf einzulassen.

Bei Raven sieht die Sache jedoch ganz anders aus. Wir scheinen immer weiter auf der Stelle zu treten. Sie ist sauer auf mich - was ich verstehen kann - und ich bin sauer auf sie - einfach, weil sie sauer auf mich ist. Doch langsam reicht es mir und ich beschließe, die Sache ein für alle Mal zu klären. Heute. Jetzt.

„Hörst du mir zu?", frage ich provokativ mit den Armen in die Hüften gestemmt, während ich meine Mitbewohnerin auf ihrem Platz am Küchentresen niederstarre. „Mir reicht es jetzt, Raven. Du bist meine beste Freundin und ich will, dass wir das klären. Was muss ich tun, damit du mir verzeihst?"

„Ich muss zu meinem Yoga Kurs", ist alles was sie dazu sagt.

Sie steht gelassen von ihrem Hocker auf und spült ihre Kaffeetasse ab, ehe sie den Becher zum Abtropfen neben die Spüle stellt. Dann wischt sie sich die feuchten Hände an ihrer Yoga Hose ab und zupft an ihrem Sport-BH herum, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Als sie an mir vorbeigeht, ohne mich eines Blickes zu würdigen, verliere ich endgültig die Geduld.

Stuck In Your Head! *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt