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Er lies einen prüfenden Blick über mich gleiten und sah mich dann wieder an. "Weist du, ich mein es wirklich nicht böse, aber irgendwie glaub ich dir das nicht. Du sitzt im Zug, hast überall Schnittwunden und blutest, wirkst völlig fertig und kannst dich kaum auf den Beinen halten, und sagst dann, dass du zu deinen Großeltern willst..." 

Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, lies es dann aber doch bleiben und schloss ihn wieder. Was bringt es mir denn auch? Seufztend senkte ich den Blick auf meine Füße und schwieg. 

"Lass dir doch bitte helfen....ich mein es wirklich nur gut... Ich will dir nichts tun..." Er wählte seine Worte mit Bedacht, meinte sie aber wirklich ernst, und das merkte man ihm auch an, ohne hinsehen zu müssen.

"Bitte...", flüsterte er dann schon fast und legte seine Hand auf meine Schulter, was mich zusammenzucken und aufschauen lies. "Auch wenn ich dich eigentlich nicht kenne, tut es weh, einen Menschen so zu sehen.... Was auch immer mit dir passiert ist.... Lass mich dir helfen, und mich wenigstens um deine Wunden kümmern..." Während er das sagte sah er mich eindringlich und gleichzeitig besorgt an, sodass mir garnichts anderes übrig blieb, also nickte ich einfach nur.

Eigentlich tat es mir ihm gegenüber wirklich leid. Er schien sich wirklich Sorgen um mich zu machen, will mir helfen obwohl er mich weder kennt, noch weis wer ich bin, und dann bin ich so distanziert und wollte niemanden an mich ran lassen, selbst wenn er doch eigentlich nur helfen wollte und es nur gut meint.

Es ist einfach, wie soll och sagen? Es ist, als würde mich innerlich etwas blockieren, und dann war da noch der Fakt, dass ich in der Nähe von Männern immer Angst hatte, dass sie das selbe tun könnten wie Timo. Ich errichte eine Art Mauer um mich, die niemand so einfach durchbrechen kann. Aber warum? Vielleicht aus Selbstschutz?

Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich garnicht merkte, dass der junge Mann, von dem ich nicht mal wusste wie er hieß, mit seiner Hand vor meinem Gesicht herumwedelte. Erschrocken zuckte ich deshalb zusammen, woraufhin er mich entschuldigend ansah. "Hm?", murmelte ich nur fragend.

"Ist es für dich okay, wenn ich dich zu mir nach Hause bring und mich dort darum kümmere?" Er sprach so ruhig und vorsichtig, dass es mir noch mehr leid tat, trotzdem nickte ich wieder nur. 

Er führte mich weg vom Bahnhof und die Straße entlang. Ich sah dabei wieder die ganze Zeit auf meine Füße runter und sprach kein Wort. 

Irgendwann bog er auf eine Seitenstraße ab und ich folgte ihm weiterhin wortlos. Das er sich das mit mir überhaupt antat? Ich mein, ich rede doch nicht mal wirklich was und war noch dazu ziemlich verschlossen. 

Nach einiger Zeit blieb er dann stehen und ich hob nach gefühlter Ewigkeit wieder mal meinen Kopf. 

Wir standen vor einem kleinen, etwas abgelegenen Häusschen, das mitten im Grünen lag. "Wir sind da...", sagte er kurz und schloss dann die Tür auf und ging von mir gefolgt hinein.

Frische Luft || Wincent Weiss Where stories live. Discover now