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Warum merkte ich nur erst jetzt, wie nahe ihm das eigentlich ging. Ich brauchte ihn doch mindestens genau so sehr. "Ich bin so dumm...Es tut mir so leid...", sagte ich immer und immer wieder. 

Langsam hob Wincent seinen Kopf und sah mich aus verweinten Augen an. "Hör auf zu sagen, dass du dumm bist... Nur weil du Selbstmord als einzigen Ausweg siehst dem allen zu entkommen, heißt es noch lange nicht, dass du dumm bist... Aber bitte... Bitte spring nicht..."

Für einige Momente schien die Zeit auf einmal stillzustehen. Unsere Blicke verhakten sich ineinander. Das Blaue meiner Augen traf auf das Haselnussbraun der seinen und umgekehrt. "Tu es nicht...", flüsterte er kaum hörbar. 

Ein Teil von mir wollte immer noch von dieser verdammten Brücke springen und sterben, doch der andere, viel größere Teil, hatte schon längst entschieden es nicht zu tun. Ich konnte nicht. Ich konnte ihm das einfach nicht antun. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, selbst wenn ich es wollte. Es war, als hätte mein Kopf plötzlich den Schalter umgelegt und erkannt, dass es dumm wäre, mein Leben aufzugeben, auch wenn es noch so scheiße war.

Kaum merklich begann ich meinen Kopf zu schütteln und versuchte ihm ein minimales ernstgemeintes Lächeln zu schenken, auch wenn das gerade alles andere als leicht war. "Nein... Ich werde es nicht tun...", sprach ich gerade so laut, dass er es verstehen konnte. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da befand ich mich schon wieder in seinen Armen. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und versuchte die erneut aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Wie viel kann ein einziger Menschen an einem Stück weinen? 

"Mach sowas nie wieder...", hörte ich Wincent leise sagen, während er mir über die Haare strich. Ich nickte nur ganz leicht. 

Ich merkte, wie er mich kurz los ließ um seine Jacke auszuziehen und diese dann über mich legte, bevor er mich gleich darauf wieder in den Arm nahm. "Wir sollten sehen, dass wir nach Hause kommen... Du frierst ja schon...", stellte er leise fest. Erst jetzt merkte ich selbst, dass ich zu zittern begonnen hatte, da mir wirklich kalt war. Wieder nickte ich nur. 

Ganz langsam stand Wincent auf und zog mich vorsichtig mit sich hoch. Kaum stand ich auf den Beinen, hatte ich das Gefühl, gleich wieder umzukippen, was auch Wincent bemerkte und mich kurzerhand hoch hob. "Es ist besser, wenn ich dich trage...", sprach er ruhig. Auch jetzt nickte ich wieder nur. Es war, als wäre ich nicht fähig irgendwas zu sagen. Als wären alle Worte aus meinem Kopf verschwunden. Das einzige, was ich zustande brachte, war ein leises 'Danke'. "Es wird alles gut...", flüsterte er, bevor er langsam los ging. Ich nickte und kuschelte mich an seine Brust. Meine Augen hatte ich geschlossen und konzentrierte mich voll und ganz auf seinen Herzschlag, um nicht wieder auf irgendwelche dummen Gedanken zu kommen, die ein kleiner Teil von mir immer noch hatte. 

Das beruhigte mich innerlich wie außerlich gerade so sehr, dass ich nach kurzer Zeit wohl einfach auf seinen Armen eingeschlafen, sodass ich nicht mal mehr mitbekam, wie wir bei ihm ankamen und er mich ins Bett verfrachtete.

Frische Luft || Wincent Weiss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt