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Ich lies meinen Tränen freien Lauf, denn jetzt war es auch schon egal. Stoppen konnte ich sie nun sowieso nicht mehr, also saß ich einfach nur da und weinte, bis ich mich im nächsten Moment plötzlich in den Armen von Wincent befand, der mich an sich gezogen hatte. 

Wenn ich könnte, hätte ich mich sofort dagegen Gefährt, doch anstatt, dass ich das tat, klammerte ich mich nach Halt suchend an dem Saum seines Shirts fest und heulte mir die Seele aus dem Leib. 

Woher mein plötzlicher Sinneswandel kam wusste ich nicht, doch er gab mir gerade einfach den Halt den ich brauchte um nicht zu fallen, wenn ich das nicht schon längst war. 

Seine Hand strich beruhigend über meinen Rücken und ich lies es sogar zu, dass er das tat, doch so richtig beruhigen konnte ich mich nicht, selbst wenn ich wollte. Es war gerade einfach alles viel zu viel. 

"Hey... Shhhh....", flüsterte er mit ruhiger Stimme, doch es half alles nichts. "Beruhig dich... Es ist alles gut...", sprach er ruhig weiter. Wie gern ich seinen Worten Glauben schenken wollte, doch es war alles andere als alles gut...

Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Ich hatte keine Ahnung was ich hier eigentlich mach. Ich weiß doch nicht mal wie es jetzt weitergehen soll! Dann ist da die Angst, dass Timo mich finden könnte, egal wo ich war. Und dann war da noch Wincent, der einfach das komplette Gegenteil von Timo war. Anstatt das er, wie Timo es tat, mich schlug oder irgendwo einsperrte und mich fertig machte bis aufs äußerste, sorgte und kümmerte er sich um mich. Gab mir ein klein wenig Halt. Sagt sogar immer wieder, dass er mir nichts tut und das ich keine Angst haben muss, und das, obwohl er mich nicht einmal kannte.

Warum tat er das eigentlich? Ich konnte ihm doch auch genauso schlichtweg egal sein. Wieso sah er nicht weg wie so viele andere auch?

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren meine Tränen versiegt. Entweder hatte ich einfach schon zu viel geweint oder ich hatte mich vielleicht doch etwas beruhigen können, wobei es sich nicht so anfühlte.

Langsam löste ich mich aus seinen Armen und blickte ihn durch meine verweinten Augen entschuldigend an, als ich sah, dass ich seine Schulter total vollgeweint hatte. "Ich....tut mir...tut mir leid ich...ich wollte das nicht....", brachte ich leise hervor, doch er schüttelte leicht den Kopf. 

"Dir muss es nicht leid tun... Wirklich, es ist alles okay... Mach dir darum keine Gedanken..." Ich nickte nur leicht. Wieso war er so lieb? Ich kam damit einfach nicht klar. 

"Danke....", murmelte ich noch hinterher, bevor ich, wie so oft, wieder weg sah, aber Wincent legte seine Hand an meine Wange und drehte mein Gesicht ganz vorsichtig wieder zu sich und sah mir tief in die Augen. "Was ist nur mit dir? Wer hat dir das angetan?" Allein aus seiner Stimme hörte man heraus, dass ihn das wirklich sehr beschäftigte. Ich glaubte sogar eine kleine Spur von Verzweiflung herauszuhören, doch ich konnte es nicht. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen.

Frische Luft || Wincent Weiss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt