Kapitel 12

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Hermine

Ich packte ebenfalls meine Tasche und lief hinter Malfoy her, der unwahrscheinlich schnell ging. Er wollte es wohl so schnell wie möglich hinter sich bringen, was ich ihm gar nicht verübeln konnte.

Die Tür fiel plötzlich mit einem lauten Krachen hinter mir zu und sorgte dafür, dass ich zum zweiten Mal an einem Tag zusammenzuckte.

„Granger", zischte Malfoy, „Ich würde gerne noch heute den Krankenflügel erreichen."

Am liebsten würde ich ihm wie im dritten Schuljahr eine Ohrfeige verpassen. Nein, Hermine, böser Gedanke. Du brauchst Malfoy für Ron und musst ihn dazu bringen, dich zu mögen! Vielleicht solltest du etwas freundlicher zu ihm sein.

Andererseits konnte ich auch nicht zu nett sein und musste meine gefälschten Gefühle weiterhin vor ihm verstecken. Er durfte ja nicht wissen, dass ich in ihn.. verliebt war. Am besten erwiderte ich seine wütenden Blicke und stritt mich weiterhin.. obwohl es sich wirklich gut anhörte, schien es nicht mit dem Verführen zusammenzupassen. Vielleicht sollte ich einfach versuchen höflich zu sein? Das konnte doch nicht so schwer sein.

Ich hielt seinem hasserfüllten Blick stand und tauchte in stählernes Grau ein. „Tut mir wahnsinnig leid, dass ich deine Zeit verschwende, Malfoy." War das zu sarkastisch? Man könnte es doch sicher als höflich interpretieren, richtig?

„Genau. Als Streber des Goldenen Trios stehst du doch gerne im Mittelpunkt", schnaubte er und beschleunigte seine Schritte.

Es war wohl doch zu sarkastisch gewesen. Ich musste dringend an meiner Selbstkontrolle arbeiten, wenn ich wollte, dass er mit mir ausging. „Da spricht der Richtige", konterte ich automatisch und verfluchte mich danach selbst. So viel zu an mir selbst arbeiten.

Malfoy schnitt nur eine Grimasse und marschierte weiter. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis zum Krankenflügel. In den Gängen, die wir passierten, waren nur unsere Schritte zu hören. Die Stille war sehr unangenehm und sorgte dafür, dass ich nervös an meinen Nägeln kaute.

Was würde jemand tun, der von Malfoy gehasst wurde, ihn jahrelang ebenfalls hasste und nun in ihn verliebt war? Ich überlegte, ob ich ein Gespräch initialisieren sollte. Doch über was sollte ich mit dem Frettchen sprechen? Über Hogwarts? Nein, das war sicher keine gute Idee. Immerhin hatte er dafür gesorgt, dass Todesser es im sechsten Schuljahr verwüsteten.

Wie wäre es mit einem Unterrichtsfach? Nein, er würde mich daraufhin nur als Streber verspotten.

Es musste doch irgendetwas geben, das nicht sofort zu Streit zwischen uns führte. Vielleicht ein Hobby von ihm.. da fiel es mir ein: Quidditch. Wir könnten über diese Season sprechen. Dank Harry wusste ich genug um mich darüber mit jemanden unterhalten zu können. Gerade als ich den Mund öffnen wollte blieb Malfoy auf einmal ohne jeglichen Grund stehen und drehte sich zu mir um.

Wieso blieben wir in der Mitte eines kleinen Ganges stehen? Nicht einmal Portraits waren hier, die uns hören könnten. Ich unterdrückte die aufkommende Panik und atmete tief durch. Es war nur Malfoy. Was konnte er mir schon antun?

Als es länger zwischen uns still blieb und er keinerlei Anzeichen zum Gehen zeigte, musterte ich ihn genauer um eine Antwort auf dieses merkwürdige Verhalten zu erlangen.
Mit seinen dünnen Fingern fuhr Malfoy sich durch die leicht verschwitzten Haare und saugte kurz an seiner dunklen Unterlippe. Er schien mit sich selbst zu ringen.

„Granger", stieß er meinen Namen wie eine Beleidigung aus und atmete laut aus. War er etwa nervös? „Ich fordere Waffenstillstand."

Ich musste mich verhört haben. Wahrscheinlich machte er sich nur über mich lustig. „Wie bitte?", fragte ich fassungslos und suchte in dem Grau nach Antworten. Wieso wollte er einen Waffenstillstand? Was hatte er davon? Seine Augen gaben nicht das geringste Gefühl preis, was mich mehr als irritierte.

„Stell dich nicht dumm, Granger. Keine Flüche und Beleidigungen mehr, kein Ausspionieren etc. Das heißt jedoch nicht, dass ich mit dir befreundet sein will. Sind wir uns einig?", sein Tonfall wurde leicht spöttisch.

Konnte er es wirklich ernst meinen? „Woher weiß ich, dass es kein Trick ist?", hakte ich nach.

Seine dunklen Lippen verzogen sich zu einem hämischen Lächeln. „Du wirst mir wohl vertrauen müssen, Granger."

Das konnte er nicht von mir erwarten. Ich sollte ihm vertrauen? Dass ich nicht lache! Andererseits.. war das nicht der perfekte Weg um ihm zu zeigen, dass ich nicht nur negative Gefühle für ihn hegte?

„Na schön, Malfoy. Waffenstillstand", ich streckte ihm meine Hand entgegen und hätte mir in derselben Sekunde am liebsten gegen die Stirn geschlagen. Als ob Malfoy meine muggelgeborene Hand anfassen würde.

Er schien ebenfalls von meiner Tat überrascht zu sein, denn seine Augenbrauen schnellten kurz in die Höhe. Dumm, Hermine, einfach nur dummer Zug.

Zu meiner Verblüffung trat er jedoch noch näher heran, ehe er meine Hand ergriff und drückte. Seine war um einiges kälter als meine. Dabei sahen seine grauen Augen weiterhin direkt in meine, wodurch sich auf meinen Armen eine Gänsehaut bildete. Was war heute nur mit mir los?

Er lachte, bevor er sich einfach umdrehte und verschwand. Sollte er mich nicht eigentlich weiter zu Madam Pomfrey begleiten? Und wieso hatte er gelacht? Hatte er sich etwa doch über mich lustig gemacht?

Meine Wut verflog als ich um die nächste Ecke bog und die Treppen sah, die zu dem Krankenflügel führten. Ich konnte nur hoffen, dass ich noch etwas schauspielern und mich irgendwie herausreden konnte.

Kaum trat ich durch die Tür, da stürmte sie auch schon auf mich zu und scannte mich mit ihrem Zauberstab ab. Bitte, bitte, finde irgendetwas, betete ich.

Als sie fertig war, spitzte sie ihre dünnen Lippen. War das ein gutes Zeichen? „Miss Granger, es sieht so aus als hätten Sie sich zu sehr hineingesteigert. Wenn Sie das ganze Jahr lang wieder dermaßen viel lernen, könnte es zu einem Burnout kommen, davon haben Sie in der Muggelwelt sicher bereits gehört. Ich bereite Ihnen eine Tasse Tee und Sie werden sich einen Tag lang mal eine Pause gönnen. Das Schuljahr hat doch gerade erst begonnen. Wahrscheinlich haben Sie wieder die ganzen Ferien gelernt, nicht wahr?"

Ich blickte reumütig auf den Boden und nickte. Das war gerade nochmal gut gegangen.

2/6 der Lesenacht

Potter's slytherin planOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz