Kapitel 5

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Weitere zwei Tage waren verstrichen. Corvin konnte es kaum abwarten, endlich diese Arbeit los zu werden und wieder etwas verdienen zu können. Seine Freunde hatten schon sichtbar abgenommen. Zwar würde das Geld, welches Vaith verdiente, dafür reichen alle ausreichend zu ernähren, aber sie hatten auch noch eine monatliche Miete abzubezahlen. Da reichte ihr Verdientes vorne und hinten nicht.

Es machte ihn beinahe schon etwas wütend, dass ihm so ein Scheiß hatte passieren müssen. Er hatte sich natürlich schon nach Nebenjobs erkundigt, doch lediglich nur Absagen erhalten. Nun stand er wie immer zwischen dem Gestrüpp im Park und versuchte so viele Mängel wie nur möglich zu beseitigen.

Die Sonne stand gerade hoch am Himmel – wenn er so den ganzen Tag in den oberen Ebenen verbrachte, hatte er sich mittlerweile tatsächlich schon an diesen Anblick gewöhnt. Leider hatte er sich auch schon dabei erwischt, wie er sich dachte, dass die unteren Ebenen schrecklich waren. Sein Leben lang hatte er versucht diese Gedanken von sich fernzuhalten, er wollte immer positiv denken. Wollte immer alle beschützen.

Mit der Gartenschere in der Hand dachte er über die vergangenen Tage nach, während er die abgestorbenen Äste eines Baumes stutzte. Doch weit kam er nicht, da plötzlich die Anwesenden um den Park herum auf die Glasmauer zustürmten, als hätten sie diese noch nie zuvor gesehen. Verwirrt beobachtete Corvin die Masse, die sich an das Glas drängte. Ein Raunen ging durch die Menge, begeistertes und schockiertes. Kinder sprangen auf und ab, um etwas erkennen zu können, was offensichtlich weit unter ihnen am Fuße des Glaszylinders lag.

Von Neugierde gepackt konnte auch Corvin nun nicht anders und bewegte sich auf die Menschenmenge zu. Etwas grob kämpfte er sich durch die Reihen nach vorne, um einen Blick auf das Unbekannte zu erhaschen. Er war es gewohnt, sich durch Menschen hindurch kämpfen zu müssen.

Als er vorne an dem verhältnismäßig warmen Glas ankam, erkannte er, woher der Aufruhr stammte. Am Fuße des Zylinders stand ein Mutant. Er war anmutiger als alles, was Corvin je zuvor gesehen hatte und wirkte zugleich gefährlich. Wenn man das Wesen mit einem Tier hätte vergleichen müssen, dann hätte man es wohl einen großen Wolf genannt. Der Mutant besaß einen schlanken Körper mit dunkel meliertem Fell. Der schwarze Rückenkamm und der lange Schweif, dessen ebenso langes Fell herabhing wie die Äste einer Trauerweide, verliehen dem Wesen eine unbeschreibliche Anmut. Doch am bizarrsten war der Kopf des Mutanten, der nur aus einem Schädel zu bestehen schien.

Das Tier setzte sich langsam in Bewegung. Die schlanken Beine setzte es sachte voreinander, an ihren Enden befanden sich große Pranken, die mit langen, scharfen Krallen besetzt waren. Langsam bewegte das Wesen sich von links nach rechts und wieder zurück, seine Ohren zuckten aufmerksam nach vorne und hinten. Mit seinen gelben Augen, die zwei winzigen Sonnen glichen, schien er die Glasstadt genauestens zu mustern. Man konnte die Muskeln und Sehnen der Augen erkennen, wie sie an der knöchernen Augenhöhle befestigt waren und bei jeder Bewegung zuckten.

Corvin hatte noch nie zuvor ein Wesen gesehen, welches so durchdacht die Stadt beobachtet hatte. Der Blick des Tieres verriet Corvin, dass es nachdachte und diese Erkenntnis jagte ihm einen Schauer durch den Körper. Wenn er an das unkoordinierte Angriffsverhalten der Igel-Katze dachte, erkannte er in dem Biest vor sich kein einziges Merkmal der aggressiven Mutanten wieder.

Die Menschen konnten ihren Blick nicht dem Bann des Mutanten entziehen und das Wesen musterte einfach nur die Stadt. Mehr tat es nicht, doch es genügte, um Corvin eine Heidenangst einzujagen.

In den darauffolgenden Tagen schnappte Corvin in den oberen Ebenen viele Nachrichten und Gerüchte auf. Darüber, dass ein besonders intelligenter Mutant um Atlanta kreise und die Glasmauer zu inspizieren schien. Ein Team der Predatorcuts wurde ausgesandt, um das Tier zu eliminieren, war jedoch gescheitert. Und auch, wenn dieser Teil nicht in den Nachrichten verkündet wurde, so hatte man gemurmelt, dass das Team bei der Mission sogar getötet und gefressen worden sei.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now