Kapitel 22

103 13 1
                                    

Lautlos stürmte die Gruppe durch die Nacht. Der Sand unter ihren Füßen machte das Vorankommen mühsam und die Dunkelheit ließ sie ins Ungewisse laufen. Die Lichter der Stadt ließen sie hinter sich, doch nicht die Räuber. Eine Patrouille der Wilden hatte sie bei ihrer gewagten Flucht erblickt und hing ihnen nun dicht auf den Fersen. Angst war auf ihrer Reise ein ständiger Begleiter, doch diese Kannibalen waren das Schlimmste. Menschen und trotzdem so unmenschlich.

Corvin zog seine Schwester grob hinter sich her. Auch wenn es ihm leidtat, dass es ihr so schrecklich ging und sie dringend eine Pause und ordentliche Nahrung benötigte, mussten sie weiter. Sie konnten sich gerade keine Rast leisten. Sie mussten diese Barbaren schnellstmöglich abhängen. Sie mussten Vaith finden.

Keuchend kämpften sie sich über eine Düne, wobei sie bei jedem Schritt, den sie taten, zwei zurückrutschten. Im Vergleich zum Tag war die Luft eiskalt und seine Lunge brannte aufgrund des Staubs. Noch immer pochte die Stelle an seiner Wange, wo der Räuber ihn geschlagen hatte. Sicherlich würde er um einen blauen Fleck nicht drum herum kommen.

Die Kannibalen holten auf – sie trugen Schuhe, die speziell für die Wüste geeignet waren. Ihre Gefangenen hatten einzig ein paar durchgelaufene Stadtschuhe an ihren Füßen. Noch gut drei Meter trennten sie voneinander, vielleicht auch nur noch zwei, da hörte Corvin plötzlich ein Flügelschlagen. Der Ton stammte von mehreren kleinen Flügeln – es klang durcheinander und wild. Als der Slums seinen Blick gen Himmel richtete, bereute er es sogleich wieder. Eine schwarze Wolke näherte sich ihnen. Doch als er genauer hinsah, erkannte er, dass es sich bei dem dunklen Fleck keineswegs um eine Wolke handelte, sondern um einen Schwarm krächzender Vögel. Mutanten-Krähen.

„Achtung!“, rief Corvin aus, auch wenn er sich recht sicher war, dass der Schwarm schon längst von allen bemerkt wurde. Die Räuber hinter ihnen verlangsamten ihren Schritt und schienen zu überlegen, ob sie es wert waren, einem Schwarm mutierter Vögel entgegenzurennen. Die Fliehenden hingegen hatten keine andere Wahl. Für sie hieß es: Vorwärts oder zurück in die Gefangenschaft.

„Was sollen wir tun, Nameless?“, rief Delian dem Mann panisch zu.

Dieser musterte, während sie die zuvor erklommene Düne auf der anderen Seite wieder herab schlitterten, die Horde Krähen: „Eigentlich sind Krähen Aasfresser, aber bei Mutanten wäre ich mir da nicht so sicher.“ Die schwarzen Körper bewegten sich weiter auf sie zu, unheilvoll und beängstigend. „Hier ist weit und breit kein Unterschlupf, schützt euch mit euren Stofffetzen und lasst euch auf keinen Fall zu Boden drücken“, beschloss er schlussendlich und wickelte sich sein Stofftuch fester um Nacken und Kopf. Die anderen taten es ihm nach, ohne an Tempo abzunehmen.

Mit einem Blick nach hinten stellte Corvin fest, dass die Räuber umgedreht waren und somit keine Bedrohung mehr darstellten. Er umklammerte Arwens Hand fester. „Egal was passiert, lass mich auf keinen Fall los“, befahl er und schluckte schwer bei dieser Entscheidung. Egal wie gefährlich die untere Ebene war, dies hier war die Hölle. 

Der Schwarm stürzte auf sie herab, Corvin spürte Krallen und Schnäbel nach ihm picken und an seiner Kleidung zerren. Er schlug mit seinen Armen nach den Tieren und beugte sich schützend über seine Schwester, während sie weiterhin vorwärts stolperten.

Durch die vielen Federn und Klauen und das ganze Getümmel hindurch, konnte er die anderen kaum noch erkennen, doch auch sie schienen zu kämpfen.

Corvin schien sich in einem peitschenden Urwald aus Schwingen und Schnäbeln zu befinden.

„Haut ab!“, hörte er Delian gereizt kreischen. Der letzte Klang seines Rufs, welcher noch in der Ferne verhallte, wurde von einem dröhnenden Schuss übertönt, der alle zusammenzucken ließ. Aufgeschreckt suchte Corvin nach der Geräuschquelle und erblickte erstaunt Nameless, welcher eine Waffe in die Luft hielt. Erschrocken zog die Vogelschar ab und ihr Krähen verebbte nach und nach.

H.E.L.L.H.O.U.N.DNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ