Kapitel 27

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Vier weitere Tage irrten sie in der ausgestorbenen Wüste umher. Sie begegneten kaum einem Lebewesen, nicht einmal einem wirklichen Gewächs. Corvin war heilfroh darüber, dass die Schlepper ihnen genügend Proviant mitgegeben hatten.

Eine Stadt ragte vor ihnen in die Höhe. Zerfallene Gebäude mit vielen Glassplittern, welche im Licht funkelten. Die Gruppe entschied sich, diese zu umgehen, aus Angst, es könnte das Gebiet einer der Stämme sein. Keiner von ihnen hatte Lust, noch einmal als Beute in einem Keller zu enden. Zwar entgingen ihnen somit wohl viele wertvolle und vor allem nützliche Ressourcen, doch die Risiken waren zu groß. Noch hatten sie Nahrung und Wasser für ein paar weitere Tage.

Auf halben Weg durch die Sandlandschaft erreichten sie einige bröcklige Felsen, auf denen mehrere Pflanzen um ihr Überleben kämpften und ihre Wurzeln in das Gestein schlugen. Corvin fragte sich, wovon die Pflanzen lebten, denn er sah keinen Tropfen Wasser weit und breit.

Für die trockenen Verhältnisse waren die leuchtend roten Früchte, die die Pflanzen trugen, umso erstaunlicher. Die sattgrünen Gewächse sahen aus, als würden sie in der Blüte ihres Lebens stehen.

„Denkt ihr, die Dinger schmecken?", fragte Delian an seine Begleiter gerichtet und steuerte mit knurrendem Magen direkt auf die Pflanzen zu.

„Ich habe so etwas noch nie gesehen", murmelte Nameless und folgte dem Stadtjungen.

Die beiden blieben vor der mannshohen Pflanze stehen, die ihre Blätter in alle Richtungen ausbreitete, um möglichst viele Sonnenstrahlen mit ihrer Oberfläche auffangen zu können. Ein breiter Blütenstängel, an dem mehrere der seltsamen Früchte hingen wie rote Glocken, ragte beinahe zwei Meter in die Höhe. Am oberen Ende des armdicken Stängels wuchsen - wie ein Kranz, der die Früchte einfing - weitere Blätter, die zusammen die Form eines fünfzackigen Sternes einnahmen. Ein seltsamer Anblick.

Delian streckte die Hand nach einer der Früchte aus und meinte: „Wir könnten ja ein Stück probieren."

„Auf keinen Fall", entgegnete Nameless, hinderte den Jungen jedoch nicht weiter an seinem Vorhaben. „In der Wildnis isst man nicht einfach alles, was einem über den Weg kommt."

„Ich dachte, du hättest nur so überlebt", entgegnete Delian gleichgültig und versuchte die Frucht vom Stängel zu lösen.

Corvin kniff seine Augen gegen die helle Sonne zusammen. Hatte er die oberen Blätter der Pflanze gerade zucken sehen?

Delian schien nichts davon bemerkt zu haben, denn der Junge lehnte sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen die Pflanze und schaffte es dennoch nicht die Frucht zu pflücken.

„Was soll das?", schimpfte er gereizt.

Dieses Mal sah Corvin es definitiv. Die Pflanze lebte.

„Delian!", rief er entsetzt, doch es war bereits zu spät.

Die Mutantenpflanze bog ihren sternenförmigen Kopf in Delians Richtung und schnappte zu.

Der Junge kreischte erschrocken auf und stolperte nach hinten, doch die Pflanze packte mit ihren Blättern bereits zu und erwischte seinen Fuß. Dann zog sie ihn über den staubigen Boden näher und machte sich daran ihn zu verschlingen wie eine Schlange ihre Beute, bis sie bereits Delians gesamtes Bein verschluckt hatte.

„Hilfe!", kreischte er wie am Spieß und versuchte irgendwo Halt zu finden, doch seine Nägel rutschten widerstandlos durch den heißen Sand.

Corvin war augenblicklich an Delians Seite und packte ihn unter den Armen, doch selbst mit vereinten Kräften schafften die beiden es nicht, Delians Bein aus dem Biss der fleischfressenden Pflanze zu befreien.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now