Kapitel 30

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Eine Woche lag der Tag ihrer Ankunft nun zurück. Und in einer Woche konnte erstaunlich viel passieren. Das war Delian zuvor in diesem Ausmaß nicht bewusst gewesen. Es hatte schon damit angefangen, als Delian das Polizeigebäude mit seiner Mutter verlassen wollte. Journalisten hatten ihn abgefangen und mit ihren Kameras ein Blitzlichtgewitter entstehen lassen. Sie hatten ihn über jedes nur erdenkliche Thema ausfragen wollen.

„Wie habt ihr die Reise überstanden?"

„Was hast du gedacht?"

„Hattest du Angst?"

„War es dir nicht zuwider mit Slums zu reisen?"

Delian hätte sie am liebsten alle geschlagen. Er wollte seine Ruhe. Er war kein Held, er war nicht einmal ein Gewinner. Immerhin hatte er seine Freunde verloren - seine ersten richtigen Freunde.

Evolet hatte ihn zu ihrem neuen zu Hause in Deutschland gebracht. Es war nicht ganz so groß wie ihr altes und es lag auch eine Ebene tiefer, trotzdem war es mehr als drei Personen eigentlich nötig hätten. Der Junge hatte am Abend nicht in seinem weichen Bett schlafen können und das Frühstück, welches er am nächsten Morgen bekommen hatte, war für ihn viel zu viel. Die Dusche, die er sich gegönnt hatte, war im Vergleich zu allem anderen doch angenehm gewesen. Er hatte in der Zeitung über sich gelesen, der Artikel gefiel ihm jedoch nicht. Seiner Meinung nach beinhaltete er zu viele falsche Angaben.

Seine Mutter hatte ihm den ganzen Tag lang an den Fersen gehangen wie eine Klette und hatte ihm jeden Wunsch von den Lippen lesen wollen, nur nicht den, den er sich wünschte: Seine Freunde und Freiheit.

Am Nachmittag dann hatte Evolet ihn zum Arzt geschleppt, wo er geimpft und untersucht wurde. Es wurde ein erhöhter radioaktiver Wert festgestellt, ohne Impfung könnte das langfristig zu Krebs oder anderen Strahlenkrankheiten führen - nicht, dass diese nachträglich nicht auch behandelt werden könnten, aber Vorsicht war bekanntlich besser als Nachsicht.

Der Arzt hatte zudem festgestellt, dass er eine leichte Sehschwäche bekommen hatte, die korrigiert werden musste. Sein Vater hatte - als er zurück in der Wohnung gewesen war - gesagt, dass sie das Geld für eine Operation in ein paar Monaten sicherlich zusammengetragen hätten. Delian allerdings hatte gemeint, dass ihm eine Brille genügen würde und diese auch günstiger sei. Seine Eltern hatten es nicht fassen können und ihn zumindest von Kontaktlinsen überzeugen wollen, doch ihr Sohn war stur geblieben.

„Ganz wie der Vater", hatte Evolet gelächelt und Delian hatte angewidert das Gesicht verzogen. Ihn sollte niemand mit Ferros vergleichen, niemals!

Delian hatte sich fest vorgenommen nicht mehr so verschwenderisch zu leben und mehr auf die Welt und seine Mitmenschen Acht zu geben. Vielleicht wäre es bereits ein Anfang, sich eine Brille zu kaufen, statt eine teure Operation auf sich zu nehmen, nur aufgrund einer kleinen Sehschwäche.

Am nächsten Tag hatte er sich also eine Brille mit schlichtem, schwarzem Gestell und runden Gläsern ausgesucht. Danach hatte seine Mutter ihn zum Friseur gebracht. Seine Haare waren dort wieder auf seine frühere Länge geschnitten worden, doch er hatte sie nicht neu färben wollen, weshalb seine braune Haarpracht nun von kleinen, blauen Spitzen geziert wurde.

Danach hatte er sogar noch ein Gespräch bei einem Psychotherapeuten über sich ergehen lassen müssen, dieser konnte aber keine wirklichen Probleme feststellen. Delian berichtete ihm wahrheitsgemäß von seinen Albträumen und dem Gefühl der Enge, seitdem er zurück in der Stadt war. Mehr hatte er jedoch nicht zu erzählen gehabt.

„Er muss sich nur wieder ein wenig einleben, sicherlich wird er sich bald wieder vollkommen wohl fühlen, wo er nun ist. Beobachten Sie die Situation fortan einfach", hatte der Therapeut zu seinen Eltern gesagt. Delian hatte es schweigend hingenommen.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now