Kapitel 15

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Ein Mörder. Der Namenlose war also ein Mörder. Corvin wusste nicht, ob ihn diese Erkenntnis nun stören sollte, immerhin war sein Verbrechen schon dreizehn Jahre her und hier in der Wildnis hatte der Mann wohl schon genügend Strafe abgesessen.

Wenn er uns nichts tut, soll es mir recht sein, beschloss Corvin somit und ließ das Thema hinter sich. Auch Vaith schien es nicht weiter zu kümmern und Arwen sagte generell kein Wort mehr. Der Namenlose wandte sich wieder an Delian und fuhr damit fort, seine Wunden zu verarzten.

„Und woher hast du die Heilkunst gelernt?", sprach Vaith nun weiter.

Es war nicht zu übersehen, dass der Namenlose sich mit Pflanzen auskannte und offensichtlich auch genauestens wusste, wo welche zu finden waren. In der Baumhütte hingen überall an der niedrigen Decke getrocknete Pflanzen, Pelze und Knochen, die offensichtlich als Werkzeuge fungierten. Der Fremde musste wirklich schon ewig Erfahrungen mit der Außenwelt gesammelt haben - es war bewundernswert, dass er es tatsächlich geschafft hatte, so lange alleine zu überleben.

Dementsprechend antwortete der Mann auch: „Na, ich habe mir alles selbst beigebracht. Was dachtet ihr denn?"

„Genau das", entgegnete Corvin mit einem Lächeln.

Der Wilde pflückte sich eine befremdliche Pflanze von der Decke und verteilte eine Paste davon auf den schlimmsten Wunden von Delian. Urplötzlich zuckte dieser zusammen und schreckte von seiner liegenden Position auf. Der Blauhaarige atmete schwer und blickte sich wild in der Hütte um. Schweißperlen schimmerten auf seiner Stirn. Das Einzige, was ihn in diesem Moment beruhigte, war die Tatsache, dass er die Gesichter seiner Kameraden erkannte.

„Wo sind wir?", fragte er und hielt sich schmerzhaft den Kopf, welcher wieder zu Pochen angefangen hatte.

„Bei mir", antwortete der Namenlose und schmierte ihm einen weiteren Haufen der Pflanzenpaste auf eine Wunde.

Erschrocken zuckte der Reiche zusammen. Anfangs schmerzte die Masse, doch dann wirkte sie angenehm kühlend auf seinen Schrammen, wodurch er sich etwas entspannen konnte. Es ging ihm im Allgemeinen schon deutlich besser - sein Durst schien etwas gestillt worden zu sein und die Sonne knallte nicht weiter erbarmungslos auf ihn herab.

Der Blick des Jungen wanderte herüber zu dem fremden Mann neben ihm. Er zog seine Stirn in Falten und stellte eher fragend fest: „Sie haben uns gerettet?" Der Bärtige nickte und beendete die Prozedur, seine Wunden zu versorgen, indem er die Paste beiseite legte.

Nachdem Vaith ihm alles erzählt hatte, was durch seine Ohnmacht unbemerkt an ihm vorbeigezogen war, war auch Delian wieder auf dem neuesten Stand. Auch was das Siezen dem Fremden gegenüber anging. Doch, dass es ein Mörder war, der sie gerettet hatte, gefiel ihm überhaupt nicht. Wie konnte dieser Namenlose die Räuber überhaupt als unzivilisiert bezeichnen, wenn er selbst ein Wilder war? Und wie konnten sie sich bei ihm in Sicherheit wiegen?

Diese Gedanken behielt der Reiche jedoch lieber für sich. Zumindest vorerst. Wenn sie hier noch längere Zeit verweilen würden, gäbe es bessere Momente, den anderen seine Bedenken mitzuteilen und wenn sie nicht lange bleiben würden, müsste er seine Zweifel gar nicht erst preisgeben.

Der Fremde wendete sich an Corvin und die anderen, um ihre Wunden zu versorgen, während sie alle ihr Gespräch weiterführten. „Aus welchen Ebenen kommt ihr?", hakte der Namenlose nach und zeigte somit zum ersten Mal wirklich Interesse an seinen Gegenübern.

„Rate doch", war Corvins einzige Antwort.

„Hm", der Bärtige inspizierte jeden einzelnen seiner Gäste genau und entschied dann: „Ich denke ihr zwei... Covin und Arwen, seid Slums. Und ihr zwei kommt von oben."

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now