Kapitel 19

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Delian blinzelte gegen das schmerzlich helle Licht an, welches ihn umgab. Mit seinen Händen krallte er sich in den Untergrund – weicher, glühend heißer Sand. Als der Junge sich an das blendende Licht der Sonne gewöhnt hatte, welche ungebremst auf ihn herab knallte, realisierte er, dass er sich noch immer in der Außenwelt befand. Für einen Moment hatte er gehofft, dass alles nur ein Traum gewesen war. Als nächstes bemerkte er das pochende Schmerzen seiner Schläfe und hielt sich automatisch eine Hand dagegen. Er spürte Blut. Dass es sich an seinem Kopf um eine Platzwunde handelte, war nicht schwer zu erschließen.

Stöhnend raffte er sich zu einer sitzenden Position auf und blickte sich irritiert um. Nur langsam fing er an, sich wieder an das Geschehende zu erinnern – sein Gehirn fühlte sich an wie Wackelpudding. Da waren Räuber gewesen, so fiel es ihm ein. Sie hatten gekämpft und... etwas hatte ihn am Kopf getroffen. Aber wo waren nun die anderen? Der Blauhaarige blickte sich genauer um und entdeckte eine Blutspur im Sand. An ihrem Ende fand er Vaith und zwei tote Mutanten vor.

„Verdammt“, knurrte er und wollte aufspringen. Ein quälender Schmerz, gefolgt von Schwindel hinderten ihn an seinen plötzlichen Bewegungen und nur langsam fing er an, zu dem Blonden herüber zu kriechen. „Vaith?“

Er rüttelte den Slums vorsichtig, als hätte er Angst, er könne jeden Augenblick zerbrechen. Entgeistert stellte Delian fest, dass dem Verletzten ein gewaltiges Stück seiner Haare fehlten. Die sonst so blonde Haarpracht war nun blutverklebt und an vielen Stellen kaum noch länger als zwei Zentimeter. Zudem kam noch hinzu, dass ein Pfeil in der Seite des Blonden steckte – das Blut um ihn herum war schon längst geronnen und hatte sich im Sand verklumpt.

„Vaith?“, wiederholte Delian erneut und erhielt wie zuvor keine Antwort. Wie war das nochmal? Puls nur messen mit Zeige- und Mittelfinger, dachte er zu sich selbst und setzte seine Gedanken gleich in die Tat um. Nach einer kurzen Suche erfasste er tatsächlich ein schwaches Pochen an dem Handgelenk des anderen und atmete erleichtert auf. Doch wie sollte er diesen Pfeil beseitigen? Eins war klar, er konnte nicht in seinem Körper stecken bleiben, allerdings hatte Delian keine Ahnung von so etwas. Wie konnte er den Gegenstand mit möglichst wenig Blutverlust herausziehen, oder würde sich die Wunde dann infizieren? Unsicher drehte der Blauhaarige den Slums auf die Seite, um seinen Rücken zu sehen. Der Pfeil war wirklich einmal durch seinen Körper gejagt.

„Vielleicht…“, murmelte er zu sich selbst, um sich zumindest etwas zu beruhige. Dabei wusste er nicht einmal, was er sich damit sagen wollte.

Delian musterte das mit bunten Federn versehene Ende des altmodischen Geschosses, welches grotesk aus Vaiths Bauchseite hervorragte.

„Wie soll ich das Teil rausziehen?“, fiepte er verzweifelt. Für einen Herzschlag war er versucht, den Pfeil anzufassen, doch er zuckte einzig von dem Gedanken zurück. Dann warf er einen letzten Blick auf die mit Blut benetzte Pfeilspitze auf Vaiths Rückenseite und atmete einmal tief durch.

Als er die blutige Pfeilspitze mit seinen nackten Händen packte und den Holzpfeil mit aller Kraft abbrach, wurde ihm schwindelig und Übelkeit überkam ihm. Er schleuderte den Holzstab mit samt der Pfeilspitze so weit von sich weg, wie er nur konnte. Einige Meter von sich entfernt, konnte er den Gegenstand dumpf auf dem heißen Sand aufschlagen hören.

Der Junge ignorierte sein Gefühl der Übelkeit und griff mit seiner anderen Hand nach dem beschmückten Ende des Pfeiles. Dann – nun wo der den Widerhaken beseitigt hatte – zog er den Pfeil mit einem Ruck aus dem Fleisch des anderen. Auch diesen Rest schleuderte er möglichst weit weg, um das Ding nicht weiter sehen zu müssen. Er hatte das Gefühl, sich auf der Stelle auf dem Boden übergeben zu müssen und versuchte die Luft anzuhalten, um seinen Würgereiz zu unterdrücken. Der Junge atmete tief durch und versuchte sich damit zu beruhigen.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now