Kapitel 31

95 14 2
                                    

Corvin wusste, dass das Glas, welches ihn umschloss, von außen undurchsichtig war, doch vom Inneren heraus konnte er dennoch die Außenwelt klar erkennen. Der Tunnel, durch den sie rasten, war dunkel und wurde nur von kalten, weißen Leuchtröhren jeweils rechts und links der Fahrspur beleuchtet. Das Glasscar bewegte sich lautlos neben der Spur für die Bahn entlang. Ein Zug war nicht in Sicht und bald würden sie in den Gang, welcher zum Gefängnisbezirk führte, abbiegen.

Der Slums rüttelte leicht an seinen Handschellen. Sie bestanden aus dünnem, weißen Material, welches weder nachgab, noch zerstörbar schien. Als Corvin vorne an den Polizisten vorbei durch das Glas blickte, konnte er Trümmer erkennen, welche den gesamten Tunneldurchgang verschlossen. Dort hatten sie den Untergrund gesprengt und Atlanta von den Städten abgeschnitten.

Er fragte sich unverzüglich, ob der Höllenhund wohl schon in den Tunnel gelangt war, oder ob es einen anderen Grund dafür gab, dass dieser verhältnismäßig nahe an Köln gesprengt wurde? Immerhin hätten sie den Weg auch schon früher - näher an Atlanta - versperren können.

Ein unheimliches Knurren war in dem großen Tunnel zu vernehmen, welches von den steinernen Wänden widerhallte. Ein Fauchen, ein Scharren. Es jagte Corvin einen Schauder durch das Rückenmark. Die Geräusche klangen ein wenig wie Gemurmel, wie Wind, der durch Gassen strich. Doch hier gab es keinen Wind. Keinen noch so kleinen Luftzug, außer den, den das rollende Glasscar selbst verursachte. Als dieses um die nächste Kurve, in die Richtung des Gefängnisbezirks im ehemaligen Australien, biegen wollte, drosselte der Fahrer seine Geschwindigkeit.

„Noch gut zwei Stunden", sprach er in ein Funkgerät und blickte dabei flüchtig zu seinem Kollegen herüber. Dieser nickte und setzte sich tiefer in seinen Sitz. Für ihn schien diese Fahrt eine Erholung zu sein, für Corvin bedeutete sie das begrenzte Ende seiner Freiheit. Als sie auf der nächsten Geraden ankamen, erhöhte der Fahrer das Tempo erstmals wirklich. Die zurückgelegte Strecke von zuvor war im Vergleich zu der folgenden nur eine Spazierfahrt gewesen.

„Hörst du das?", verkündete der eine Polizist plötzlich, während die kargen Wände an ihnen vorbeischossen.

„Was denn?", fragte der andere.

„Das", antwortete er einfach nur und Corvin fing an zu lauschen.

Das Murmeln von zuvor, dass Zischen und Scharren - es war lauter geworden. Der Junge warf seinen Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte die Quelle des Geräusches zu orten, sein Blick fiel dabei auf einen Schatten an der gerundeten Decke des Tunnels.

„Achtung!", rief er aus, doch anstatt die Warnung aufzunehmen, glotzten die Polizisten dumm zu ihm auf die Rückbank.
Das Etwas löste sich von der Decke, seine Klauen glitzerten im weißen Licht und es erwischte das rasende Fahrzeug hart. Mit einem gewaltigen Ruck kam die Kugel zum Stehen und die Polizisten drehten sich endlich nach vorne. Eine Reihe blitzender Zähne, von denen Speichelfäden herabhingen, war das Erste, was sie sahen.

Der eine schrie erschrocken auf, während der Fahrer nach seinem Funkgerät griff. „Wir haben einen Notfall!", rief er aufgebracht.

Corvin rüttelte brutal an seinen Handschellen, sodass diese ihm das Blut in den Händen abschnürten - mit Vergeben. Der Gefangene drehte sich nach hinten um, als er aus dieser Richtung einen Lichtstrahl bemerkte, welcher sich in den Augen des Höllenhundes gespiegelt und seinen melierten Pelz beleuchtet hatte. Ein Zug dröhnte ungebremst in ihre Richtung. Corvin wünschte sich, er könnte den Höllenhund auf die Fahrspur schubsen, doch den selben Gedanken hatte auch der Mutant.

Mit seinem knöchernen Schädel und seinen sichelförmigen Krallen presste er sich gegen die Kugel, jeder einzelne Muskel war unter seinem Fell deutlich zu erkennen. Langsam aber sicher rollte das Glasscar auf die Spur für den Zug zu, welcher ein lautes Hupen von sich gab. Der tiefe Ton dröhnte in Corvins Ohren und ließ sein Hörvermögen für eine kurze Weile schwinden. Hektisch zerrte Corvin weiter an seinen Handschellen, doch seine Hände blieben wo sie waren - an seinem Rücken festgebunden.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now