Kapitel 10

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Die bunte Gruppe schlich durch die Straßen der Stadt und suchten nach geeigneten Eingängen zu der Kanalisation. Die Slums hatten Delian bereits über ihren Plan aufgeklärt. Dieser war keineswegs begeistert über das, was ihm bevorstand, aber so wie es momentan aussah, konnte er sich zwischen einem Massaker und der Flucht entscheiden. Die Frage war nur, ob nicht beides zum Tod führen würde.

In der Entfernung hallten die Schüsse und Schreie der Menschen und deren Maschinen. Keiner der Fliehenden wollte sich das Blutbad, welches dort vor dem Stadtausgang gerade stattfand, auch nur ausmalen. Der Gedanke daran ließ ihnen die Nackenhaare zu Berge stehen. Wie viele starben dort gerade in ihrem Rücken? Oder besser gesagt, wer würde diesen Anschlag überleben?

„Hier können wir rein!", rief Vaith von etwas weiter vorne und hebelte einen Gullydeckel mit Hilfe einer Eisenstange aus dem Boden. Woher er diese hatte, war nicht zu sagen, vermutlich aus dem Müllcontainer nebenan. Corvin stieg ohne zu zögern als erstes den Schacht mit den schmierigen Leitersprossen herab. Delian konnte nicht sagen, ob jemals ein Mensch diesen Ort zuvor betreten hatte, seit Jahren wurde die Überprüfung und Reinigung von Robotern übernommen.

Als der Slums von unten herabrief, dass alles in Ordnung sei, folgte Arwen und dann Vaith. Delian zögerte für einen Moment und rümpfte seine Nase. Sollte er diesen Slums tatsächlich folgen? Noch hatte er die Möglichkeit umzudrehen. Doch als er erneut das Schreien der Menschen in der Ferne hörte, hatte er eine feste Entscheidung getroffen.

Der Reiche krabbelte vorsichtig und mit angewidertem Gesichtsausdruck die Sprossen herab, die mit Dreck und einer schleimigen Substanz - von der er vermutlich nicht wissen wollte, worum es sich dabei handelte - überzogen waren. Die letzten Paar übersprang er und landete sicher auf seinen Beinen. Der Untergrund war feucht und uneben und seine Nase wurde überschwemmt mit unangenehmen Gerüchen, welche ihm den Magen umdrehten. Nur einen Meter neben ihm floss sachte ein dreckiger Fluss in einem Rinnsal entlang und deutete ihnen den Weg in die richtige Richtung. Schweigsam folgten sie dem stinkenden Abwasser, bis es sie zu einer Sackgasse leitete, wo es durch ein rundes, vergittertes Loch in die Freiheit hinausgelangte.

Es lohnte sich nicht, das Abwasser zu reinigen. Die Welt da draußen war ohnehin schon verpestet. Dort - nur wenige Meter von ihnen entfernt - würde das Wasser in den Untergrund sickern und auf natürliche Weise gereinigt werden, sodass der Mensch sich wieder am sauberen Grundwasser bedienen könnte.

„Niemals schaffen wir es, diese dicken Gitterstäbe zu verbiegen", entgegnete Corvin empört und trat an den Stahl heran. Der Junge ruckelte an den Gittern und überprüfte ihre Stabilität, doch sie bewegten sich keinen Zentimeter. „Vielleicht...?", dachte er laut weiter und versuchte sich zwischen zwei der Stäbe hindurch zu quetschen. Der Slums war wirklich alles andere als dick, aber trotzdem hatte er keine Chance, durch den Spalt zu passen.

Vaith sagte: „Arwen würde es vielleicht schaffen, aber für uns ist das keine Option."

Damit wurde in Delian jegliche Hoffnung auf eine Flucht zerschlagen. „Na super", murmelte er und hätte sich gerne erschöpft auf den Boden sinken lassen, allerdings befürchtete er dann an den Bakterien, die in der Kanalisation umherschwirrten, sterben zu müssen.

„Wir suchen uns einfach einen anderen Ausgang", schlug Vaith voller Zuversicht vor und ging den Weg, den sie zuvor gekommen waren, zurück. In seiner Hand hielt er noch immer die Eisenstange von vorhin. Zweifelnd und etwas bedrückt folgten die anderen dem Blonden. Natürlich, einfach nur dem Abwasser zu folgen, wäre schließlich auch zu simpel gewesen.

Vaith bog in einen kleineren Seitentunnel ab, in dem die Fliehenden sich etwas bücken mussten, um sich nicht den Kopf zu stoßen. An den schrecklichen Geruch ihrer Umgebung hatten sie sich schon lange gewöhnt. Nach kurzem Umherirren kamen die vier wieder an einem etwas größeren Tunnel an. Das Rinnsal in der Mitte war jedoch fast völlig versiegt.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now