Kapitel 16

117 16 6
                                    

Corvins Blick blieb eisern auf Delian geheftet, welcher ihn mit geweiteten Augen anblickte. Der Schwarzhaarige erkannte zufrieden das Entsetzen in den gelben Augen seines Gegenübers. In ihm brodelte die Wut – wie Lava in einem Vulkan, der gleich auszubrechen drohte. Noch so vieles hätte er dem verwöhnten Gör an den Kopf geworfen, doch Nameless war derjenige, der ihren Starr-Wettbewerb beendete.

„Wenn ihr euch gegenseitig niederschlagen wollt, dann geht dafür in die Wüste. In diesem Baumhaus hat es noch nie Streit gegeben und so soll es auch bleiben“, warf der Mann mit ernster Miene ein und legte ihre Mahlzeit mit Hilfe eines Holzspießes über das offene Feuer.

„Nein. Entschuldige, es ist alles gut“, entgegnete Corvin nachdem er sich einmal kräftig geräuspert hatte. Ein letztes Mal warf er einen verächtlichen Blick auf Delian, welcher mittlerweile eher bedrückt als entsetzt wirkte, und wendete sich dann wieder mit aufgesetzter Freundlichkeit den anderen zu.

Das Feuer neben ihnen knisterte beruhigend und spendete ihnen Wärme, nun wo der Tag sich dem Ende zuneigte. Der Himmel war wie immer klar – sofern die Gruppe es aus ihrem Unterschlupf her beurteilen konnten – und die Sterne schenkten ihnen den traumhaften Anblick eines Lichtermeeres über ihren Köpfen.

Nameless erhob ein weiteres Mal seine Stimme, als kein anderer Anstalten zu sprechen machte: „Also, wo führt euer Weg euch hin? Warum durchquert ihr diese Hölle?“

„Wir sind auf dem Weg nach Deutschland“, gab Vaith wie immer freundlich von sich.

Sein Gegenüber grinste belustigt. „Deutschland?“, grölte er: „Da liegt noch ein gesamtes Meer zwischen euch, von dem ganzen Land mal ganz zu schweigen.“

„Ja“, bestätigte der Blonde einsilbig. Dann kehrte wieder Schweigen ein. Arwen hatte ihren Kopf noch immer gesenkt und zeichnete imaginäre Bilder auf den Boden. Auch die Nacht schwieg.

„Nun ja...“, versuchte ihr Gastgeber nun wieder Fahrt ins Gespräch zu bringen: „Ich kenne ein paar Schlepper, die euch sicherlich über den Atlantik bringen können.“

„Wirklich?“, Begeisterung schimmerte in Vaiths Augen.

„Ja, ihr solltet nur besser aufpassen, sie arbeiten eng mit diesen Räubern zusammen“, warnte der Ältere.

Die Reisenden tauschten kurze Blicke, ehe Corvin fragte: „Was würden sie für unseren Transport verlangen?“

„Oh, ihr seid schlau“, rief Nameless lachend aus: „Ihr denkt mit und wisst, dass nichts für umsonst ist.“ Dann legte er sich nachdenklich eine Hand an sein bärtiges Kinn und schien scharf nachzudenken, wobei er mit seinem Blick die Decke fixierte. Plötzlich jedoch schien ihm ein Einfall zu kommen und er richtete seine Aufmerksamkeit vollkommen auf Vaith. „Na ja. Ich denke sie werden das Einzige verlangen, was ihr besitzt.“

Der Blonde schielte nach oben und fuhr sich einmal durch die Haare. „Meinst du mein Haar?“

Nameless nickte und fing an, das Eichhörnchen – welches noch immer über dem Feuer schmorte und bereits einen köstlichen Geruch verbreitete – zu wenden. Jetzt, wo es nicht mehr so blutig aussah, konnte Vaith schon viel besser dort hin gucken. Er konnte den Anblick von Blut einfach nicht mehr ertragen.

„Sicher, dass sie nicht noch mehr verlangen oder gleich seinen ganzen Kopf nehmen?“, erkundigte sich Corvin weiter.

Erneut fing der Wilde an zu lachen und meinte: „Gut möglich, aber welche andere Wahl habt ihr, als das Risiko einzugehen?“

Missmutig musste der Junge Zustimmung grummeln. Der Mann hatte natürlich recht. Schwimmen war in diesem Fall definitiv keine Option – ganz abgesehen davon, dass die Slums das Schwimmen nicht einmal beherrschten – und mit einem selbstgebastelten Floß würden sie auch nicht den gesamten Ozean überwinden können. Nicht lebend. Entweder würden sie aufgrund von Nahrungs- und Süßwassermangel oder irgendwelchen Mutanten draufgehen.

H.E.L.L.H.O.U.N.DWhere stories live. Discover now