73. Isaac Lahey und Derek Hale

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„Also wer wird heute sterben, Isaac?"

Er starrt mich wortlos an und ich zwinge mich dazu, den minutenlangen Blickkontakt nicht zu unterbrechen. Auch wenn ich bei jeder weiteren Sekunde daran zweifele, dass Isaac meiner Ansprache tatsächlich verfällt und mich - um Scott und den Rest seiner Sekte zu retten - gehen lässt. Jedoch wage ich es nicht, meine Augen abzuwenden oder auch nur ein Laut von mir zu geben.

Eine weitere Minute verstreicht.

Dann plötzlich. Isaac seufzt nachgebend und entgegen meinen Erwartungen tritt er leicht zur Seite und macht mir somit den Weg frei. Ich ziehe leicht überrascht meine Augenbrauen nach oben und sage bestätigend an dem Beta gewandt: „Das war die richtige Entscheidung!" Zur selben Zeit drücke ich mich bereits an ihm vorbei, um zu verhindern, dass er sich doch noch um entscheidet. Jedoch bin ich nicht schnell genug, sodass Isaac im letzten Moment noch meinen Arm umfassen und mich zurückhalten kann.

„Was soll ich Scott erzählen?" fragt er mich jetzt mit einer ruhigen Stimme und nachdenklich drehe ich mich mit meinem Oberkörper zu ihm zurück. „Sag ihm, ich habe dich niedergeschlagen," ich hole tief Luft, „und gebe mir einen kleinen Vorsprung!" „Er wird merken dass ich lüge," widerspricht mir Isaac sofort und augenverdrehend wende ich ein: „Das wird er sowieso. Aber hauptsache er kommt mir nicht in den Weg!"

Ein unsicheres Nicken von dem Beta, während er zur selben Zeit den Griff um meinen Arm lockert. Somit kann ich mich seiner Hand entziehen und eile mit schnellen Schritten die Treppe herunter. Dabei ignoriere ich Isaacs kritischen Blick in meinem Rücken, der mir zeigt, dass er noch immer nicht zufriedenen mit seiner Entscheidung und meinem damit verbundenen Todesurteil ist. Jedoch zeigt mir sein Verhalten, dass er sehr genau weiß was er tut und in dieser Sekunde die Möglichkeit mit den wenigsten Opfern ausgewählt hat. Er hat eine rationale Entscheidung über eine emotionale getroffen.

„Raven," meine Hand liegt bereits auf der kalten Klinke der Haustüre. Jedoch lässt mich Isaacs Stimme vorerst in meiner Bewegung verharren, auch wenn ich mich nicht traue, mich zu ihm umzudrehen. „Pass auf dich auf," beendet er anschließend seinen Satz und für wenige Sekunden herrscht Stille zwischen uns. Dann entscheide ich mich dazu, ihm nicht zu antworten. Stattdessen öffne ich die Haustüre und verlasse, wortlos und ohne einen Blick zurück zuwerfen, das Haus der McCall Familie. Auch wenn ich Isaac in diesem Moment telepathisch mein Dank sende. Immerhin habe ich seinetwegen einen kleinen Vorsprung McCall gegenüber und habe somit vielleicht sogar genug Zeit meinem Vater gegenüber zu treten.

Eine leichte Windböe begrüßt mich in der Einfahrt und ich spüre den leichten Nieselregen auf meiner Haut. Ich erzittere leicht und ziehe daher den Reisverschluss der Jacke nach oben. Zur selben Zeit beweist mir ein Blick hinauf in den Himmel, dass nur dicke graue Regenwolken über Beacon Hills zu sehen sind. Es scheint fast so, als würde selbst die Natur das heutige Event spüren und uns durch das Wetter ständig daran erinnern wollen - was selbst für das Übernatürliche total schwachsinnig ist.

Ich atme tief durch und werfe einen letzten Blick zurück zu McCalls Haus, mit dem Wissen, dass ich es heute vielleicht zum letzten Mal sehe. Zur selben Zeit wird mir klar, dass ich vor dem Treffen mit meinem Vater noch einmal mit Matty telefonieren muss. Er - von allen Personen - verdient noch ein letztes Dankeschön.

Ich wende mich von dem Haus ab und lasse meinen Blick suchend über die Einfahrt wandern. Sie ist menschenleer und das einzige Fahrzeug, dass in der Einfahrt steht, ist das von Lydia. Mir fällt wieder ein, dass ich ohne mein Motorrad - wo auch immer es stehen mag - hier her gekommen bin. Ich zögere kurz und wäge in meinem Kopf die Pro und Contras einer Autoentführung ab, entscheide mich dann jedoch dagegen. Denn aus irgendeinem Grund bin ich mir sicher, dass Lydias privates Auto der Sekte später erlauben könnte mich zu orten.

Also richte ich mich nach Norden und durchquere leicht humpelnd die Einfahrt, nur um auf dem breiten Fußweg entlang zu laufen. Zur selben Zeit werfe ich einen kurzen Blick auf meine Handyuhr. Von hier aus brauche ich eine gute halbe Stunde zu Fuß zur Beacon Hills High School, wo theoretisch noch immer das schwarze Motorrad von Crowleys Anhänger  stehen sollte. Zwar kostet mich diese Aktion mächtig Zeit - McCall könnte in der Zwischenzeit von meiner Idee erfahren haben - verspricht mir im weiteren Verlauf jedoch eine gewisse Unabhängigkeit.

Außerdem muss ich auch schon träumerisch daran denken, wie ich mit dem Motorrad ein paar von Crowley's Leuten ausschalte.

Ich lasse mein Handy zurück in meine Jackentasche gleiten und beschleunige meine Schritte etwas. Auch wenn das die pulsierenden Schmerzen in meiner Hüfte durch meinen ganzen Körper jagt. Zur selben Zeit höre ich jedoch auch hinter mir den leisen Motor eines Autos, dass mit etwas Entfernung langsam hinter mir herfährt. Überprüfend lasse ich meinen Blick durch die Umgebung schweifen und erblicke am Straßenrand ein rot-weißes 50 Schild. Somit ist es höchstwahrscheinlich kein Zufall, dass das Auto mich in keiner Sekunde überholt und sich sogar beim leichten Drosseln meiner Schritte wieder etwas zurückfallen lässt.

Ich vergrabe meine Hände tief in meinen Hosentaschen und beschleunige erneut meine Schritte. Zwar bin ich davon überzeugt, dass es sich bei dem Autofahrer weder um Crowley selbst, noch um einen seiner Anhänger handelt, jedoch bin ich in dieser Sekunde lieber vorsichtiger. Auch wenn durch das hektische Laufen - ohne Rücksicht auf die weiterhin heilende Schusswunde - meine Hüfte erneut anfängt zu schmerzen und ich innerlich meine Heilkräfte verfluche.

Ich biege in eine kleinere Nebenstraße ein - der Regen hat sich in der Zwischenzeit vollständig verflüchtigt - und lausche beim Weiterlaufen auf das Auto, dass mir - wie erwartet - mit etwas Abstand folgt. Durch diese Erkenntnis gleiten meine Hände aus meinen Hosentasche und automatisch legt sich die Rechte über das Waffenholster, bereit die Pistole blitzschnell zu ziehen. Anschließend bleibe ich mitten auf dem Gehweg stehen und werfe einen Blick durch meine Umgebung. Keine Passanten. Keine weiteren Angreifer. Langsam drehe ich mich zu dem Auto um. Dabei rutscht meine rechte Hand von dem Waffenholster über meine Hüfte hinter meinen Rücken, wo sie bereits schussbereit neben der Pistole in meinem Hosenbund schwebt.

Ich richte meinen Blick angriffbereit auf das Auto, dass mir folgt. Es ist ein schwarzer 2010 Camaro, der mich verdächtig genau an eine altbekannten Person erinnern: Derek Hale.

Ich richte meinen Blick auf die splitterfreie Frontscheibe und erblicke tatsächlich das komisch vertraue Gesicht meines Onkels. Er starrt mich unverwandt an. Ich atme tief durch, bevor ich die Waffe - ich habe sie bereits Zentimeterweit aus meinem Hosenbund gezogen - wieder zurückgleiten lasse und mich gleichzeitig in Bewegung setze. Wie es scheint habe ich gerade unfreiwillig eine Mitfahrgelegenheit gefunden. Auch wenn diese mich sicherlich zurück zu McCall führt.

Bei dem schwarzen Auto angekommen, ignoriere ich Derek's wachen Blick auf mir. Stattdessen öffne ich ohne zu Zögern die Beifahrertüre und lasse mich elegant in das Fahrzeug gleiten, dass nach mehr als nur meinem Onkel riecht. Jedoch kann ich den süßlichen Geruch - wie bei der ersten Fahrt mit diesem Auto - nicht identifizieren. Es scheint eine Art unbekannter Eigengeruch zu sein.

Ich ignoriere weiterhin Derek's Blick, während ich die Türe nachgebend hinter mir zuschlage und mich vorbildlich mit dem vorhandenen Sicherheitsgurt anschnalle. Anschließend überschlage ich meine Beine und lege meine Hände gefaltet in meinem Schoß ab. Dann richte ich meinen neutralen Blick auf meinen Onkel und sage mit fester Stimme: „Abfahrt!"

Platinum Blonde [Teen Wolf FF]Where stories live. Discover now