Epilog: lose Enden

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Reporterwellen branden gegen ermittelnde Polizisten, überschwemmen unsichere Gesichter, die mir bekannt vorkommen, heften sich an unwillige Beteiligte wie eine Öllache an das Federkleid einer Möwe.

Ein wichtigtuender Journalist fuchtelt mit bedeutungsschwangeren Gesten vor der Linse herum und erklärt verschwörerisch, dass sämtliche Mitglieder der „Gruppe Y" sich weigern, mit den Reportern zu sprechen. Einige sind angeblich verschwunden und nicht einmal die ermittelnden Polizisten wissen, wo sie sich derzeit aufhalten.

Mitten in die Spekulationsflut platzt ein Türklopfen. Zu meinem Erstaunen tritt Ylaine ein, viel ausgeruhter als bei unserer ersten Begegnung. Wortlos setzt sie sich auf den Stuhl und betrachtet mich. „Renoir hat mir gesagt, du hättest alles beobachtet und aufgezeichnet. Warum hast du das Material nicht weitergegeben?" Eine Anschuldigung liegt in der Frage. Als ob ich schuld wäre, als ob ich das alles hätte verhindern können, als ob ich irgendeine Wahl gehabt hätte. „An wen?", werfe ich die Frage zurück.

„Ronen..."

„Er hing mit drin, zumindest eine Zeit lang."

„Wie lang?"

„Weiß nicht genau, vielleicht bis er Nigel getroffen hat, vielleicht auch länger."

Sie stockt kurz. „Du hättest fliehen können."

„Angst."

Sie schweigt, knibbelt an einer Macke im Stuhl herum, legt zaghaft die Beine übereinander, stellt sie nebeneinander, überkreuzt die Füße. „Wie lang warst du bei ihm?"

„Ich glaub, ich war vier, als er kam. Da war ein Türklopfen. Meine Mutter ging hin und kam nicht wieder. Stattdessen kam Meister Simon und nahm mich mit."

„Das ist alles, mehr weißt du nicht?"

„Von allem anderen weiß ich nicht, ob es wahr ist." Probeweise zucke ich mit den Schultern.

„Und jetzt wirst du aussagen?"

„Erst, wenn ich alles herausgefunden hab. Sobald meine Wunden verheilt sind, breche ich auf."

„Vielleicht kann dir Renoir mehr erzählen."

„Hat er schon, aber stimmt es?"

Offenbar hat sie großes Vertrauen in den Priester. „Warum sollte er lügen? Außerdem, wo willst du anfangen?"

„Ganz am Anfang. Es wird eine Schnitzeljagd, aber diesmal werde ich die Hinweise entschlüsseln und niemand wird mir reinpfuschen."

Sie zieht die Augenbrauen etwas amateurhaft hoch, aber die Geste ist unmissverständlich. Langsam erhebt sie sich, kommt zu meinem Bett und reicht mir die Hand. Unsere Hände umschließen einander, drücken ein Versprechen durch die Muskelstränge, dass unsere Augen besiegeln.


Epian Times - Sonderausgabe

Morderzähler Telling und ehemalige Staatssekretärin bei Buchpremiere verhaftet

Anonymer Autor will Erlös an Opfer spenden

New York/Epien. Für große Aufregung bei der Premierenfeier des umstrittenen Romans „Justice" der mittlerweile geschlossenen Black-Feather-Company sorgte ein Großeinsatz der amerikanischen Spezialeinheit.

Laut Pressesprecher ging am Morgen der Hinweis ein, dass die per internationalem Haftbefehl gesuchte ehemalige epianische Staatschefin und der berüchtigte Morderzähler Telling unter falscher Identität in Beverly Hills leben und bei der großen Premiere von „Justice" ebenfalls anwesend sein würden.

Vorgeworfen werden der Sekretärin und dem ehemaligen Erzähler unter anderem Anstiftung zu Mord, Menschenhandel, Freiheitsberaubung, Gründung einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, sowie Bestechung und Amtsmissbrauch.

Die beiden einstigen epianischen Größen sind ebenfalls Initiatoren der Geschichte um die junge Erzählerin, die in einen Strudel aus Selbstjustiz und Intrigen gerät. Ihr Mitdrahtzieher wurde bereits bei der Stürmung der Unterwelt gestellt, im Feuergefecht allerdings getötet (Wir berichteten.). Auf der Mitschrift eines unbekannten Beteiligten beruht auch das Buch, welches unter heftigem Protest der Botschafter heute veröffentlicht wird. Da der verantwortliche Verlag in den USA angesiedelt ist, scheiterten alle Versuche der neugewählten Regierung Epiens, die Veröffentlichung per Klage vor dem epianischen Gericht in Cruk zu verhindern. Allerdings liegt der Redaktion der Times ein Schreiben vor, wonach sich die Betroffenen mit dem Autor, der das Buch unter dem Pseudonym „Balg" veröffentlicht, geeinigt haben.

Die Einnahmen aus Buch und geplanter Verfilmung fließen allesamt in den Wiederaufbau der durch Telling zerstörten Orte und Einrichtungen, sowie in eine Stiftung für die Opfer seiner Bande.

Die spannendste Frage ist aber weiterhin der Verbleib von Nigel Dalton und Ronen. Ob die Gerüchte über ihren Tod stimmen? Auch der Aufenthaltsort der verbliebenen Mitglieder der Ylaine-Expedition gibt weiterhin Rätsel auf. Die Regierungssprecher bestätigen lediglich, dass alle wohlauf seien. Werden sie sich demnächst zu den Vorfällen äußern?

In weiteren Artikeln finden Sie alle Details über die Telling-Affäre, Interviews mit der neuen Sekretärin Vren und Marianna Josephine Ramira Nathalia. Die Experten für Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen untersuchen, um welche Vereinigung es sich bei der rätselhaften Feder-Atom-Gruppe handelt und wie die Wong-Dynastie ihr hinzugewonnenes Prestige nutzt. Unser Auslandsreporter hat die Piraten begleitet und präsentiert eine Reportage über epianische Einwanderer aus Europa. Außerdem berichtet er von dem Prozess gegen die Crew, die wegen Mordes an einem von Tellings Gefolgsleuten angeklagt ist. Das und viele weitere Informationen rund um eines der aufregendsten und erschütterndsten Kapitel der epianischen Geschichte erwarten Sie, liebe Leser/innen, in unserer Sonderausgabe.

Herzlichst, Ihre Redakteure (Dreduri, dima bolis)

Kaspar und Shivajidarij Jawli


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Hallo ihr, die ihr bis zum Ende geblieben seid. Vielen Dank dafür!

Tatsächlich ist dies voerst der Schluss, die Hauptgeschichte erzählt. Nichtsdestotrotz ist diese nur die Spitze des Eisbergs. Nicht verwunderlich, wenn der Handlungsort eine Insel ist, deren Hauptzweck das Geschichtenerzählen (und vermarkten - schließlich ist das die Haupteinnahmequelle ;)) ist.

Ich werde allerdings erst einmal eine kleine Pause einlegen und mal sehen, welche Hintergrundgeschichten oder Randepisoden noch niedergeschrieben werden wollen. Ideen sind da, wenn euch eine bestimmte Person besonders reizt, gerne raus damit.

Bis dahin, möge eure Fantasie endlos sein und mögen eure Finger sich beim Tippen niemals verknoten!

FederlesenWhere stories live. Discover now