Kapitel 6

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"Ich sollte gehen" murmelte er. Ich hatte fast vergessen wie man sprach, solange stand ich einfach da und ließ seine hellen Strähnen durch meine Finger gleiten.

"Bleib" erstaunt sah er zu mir auf, die Arme noch immer um meine Hüfte geschlungen und mit Haaren, die in alle erdenklichen Richtungen abstanden. Ich schmunzelte über diesen Anblick. Seine Augenringe waren verschwunden und er wirkte auch nicht mehr so erschöpft. Der Vampir in ihm schien sich von dem zu erholen, was auch immer vorgefallen war.

"Bist du dir sicher?" fragte er leise.

"Ja. Bleib. Die Nachtwachen übernehmen ab jetzt und ich könnte Gesellschaft gebrauchen"

"Könntest du dann nochmal... du weißt schon" stammelte er mit kehliger Stimme.

Ich nickte nur und löste mich sanft aus seiner Umarmung. Aus meiner Schublade holte ich die Pistole, setzte sie an und verabreichte mir das Serum. Es kam in den letzten Tagen öfter vor, dass Thomas begann mein Blut wahrzunehmen und wenn ich nicht aufpasste könnte das unschön enden. Für uns beide.

"Du hast nichtmal gezuckt" sagte Thomas. Er saß noch immer auf meinem Bett und beobachtete mich ganz genau.

"Ich habe mich daran gewöhnt" ich setzte mich zu ihm auf die weiche Matratze, mit einem kleinen Sicherheitsabstand. Nur für den Fall.

"Das muss hart sein."

"Definiere."

"Ich meine, dass du nicht aus diesem Gebäude kannst. Du lebst unter Vampiren und musst dir regelmäßig dutzende Nadeln in den Arm jagen nur um nicht ausgesaugt zu werden... hast du denn garkeine Angst? Du kennst doch die Geschichten, Filme und Bücher über uns" seine Stimme klang angenehm rauchig und ich schmunzelte.

"33"

"Was ?" fragte Thomas.

"Es sind 33 Nadeln" Thomas grinste.

"Ich bin mit Vampiren aufgewachsen, daher kenne ich es nicht anders. Ich habe keine Angst vor Vampiren oder Nachtwandlern wie man sie auch nennen mag. Und was die Geschichten angeht ... ich weiß dass es Zeiten gab wo die Vampire blutrünstig waren, ohne Rücksicht auf Verluste und es gibt bestimmt immernoch welche davon, aber ich sehe sie als Familienmitglieder und es ist für mich total normal" erklärte ich und bemerkte wie Thomas' Blick mich förmlich durchbohrte, doch es machte mir keine Angst, eher war ich berauscht.

"Was ist mit dir?" lenkte ich ein und versuchte meinen Puls unter Kontrolle zu behalten, damit er nicht bemerkte wie mein Körper auf ihn reagierte.

"Ich bin ein Vampir. Was gibt es da großartig zu wissen?"

"Komm schon. Jetzt bist du dran" forderte ich ihn auf. Thomas setzte sich auf und stützte sich auf seine Fäuste. Er war mir so nah das ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte.

"Ich bin 1855 geboren und 1880 verwandelt worden"

"Dann bist du 163"

"Bleiben wir doch einfach dabei, dass ich 25 bin" schmunzelte er.

"Okay 25. Und wie bist du verwandelt worden?" fragte ich neugierig und wartete gespannt auf seine Antwort. Doch es kam keine. Thomas stand in Vampirgeschwindigkeit auf, war im Bruchteil einer Sekunde an meinem Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit.

Ich sah mich um und betrachtete ihn genauer. Seine breiten Schultern wirkten angespannt, er stand bewegungslos da und sprach kein Wort. Langsam glitt ich vom Bett und trat dicht hinter ihn. Ich legte meine Hand auf seinen muskulösen Oberarm und drückte ihn seicht. Ich wollte dass er mich ansah doch ich konnte seinen Blick starr in der Spieglung der Scheibe entdecken.

"Ich war Nachts unterwegs, wir hatten irgendwas zu feiern. Frag mich bloß nicht was, ich hab keine Ahnung. Als ich auf dem Weg nach Hause war musste ich feststellen dass irgendwas nicht stimmte. Im Haus lagen die Leichen meiner Eltern und meiner kleinen Schwester Lizzy. Ihre Körper waren ausgeweidet und überall war Blut" hart lachte er auf und mir brach das Herz.

"Da war ein Mann der über Lizzy' leblosen Körper hing und sein widerliches Gesicht an ihrem Hals vergruben hatte. Als er mich bemerkte war es schon zu spät um zu fliehen. Er verwandelte mich und ich wachte in dem Blut meiner Familie wieder auf. Danach weiß ich nichtsmehr." murmelte er. Ich stellte mir vor wie Thomas in die leeren Augen seiner Familie sah und nichts als Schmerz fühlte, ich wollte ihm diese Erinnerung nehmen doch ich konnte es zu meinem Bedauern nicht.

"Thomas..." meine Stimme brach und ich konnte die Tränen auf meinen Wangen spüren. ich weinte für den jungen Thomas, der mit ansehen musste wie ihm die Familie gewaltsam genommen wurde und er dann verwandelt wurde.

Thomas drehte ich ruckartig zu mir und schloss mich in seine starken Arme. Ich schmiegte mich an ihn und genoss den Moment der Berührung. Meine Finger krallten sich in seinen Rücken. Ich verspürte das Bedürfnis ihn zu retten, vor allem was er durchmachen musste. Wie ich das anstellen wollte war eine ganz andere Frage.

"Es tut mir so leid" flüsterte ich an seiner Schulter. "Muss es nicht" kam leise von ihm.

"Bilde ich mir jetzt zu viel ein?" fragte er scherzhaft und brachte mich damit zu einem kehligem Lachen. Ich gab ihm einen kleinem Klaps auf den Rücken und konnte auch ihn lachen spüren.

Bloodlines//TBS✅Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang