sechs

29 6 0
                                    

Es lief ganz genau ab, wie beim letzten Mal. Sie saß vor meiner Haustür, sah ertappt aus und ich ließ sie herein, weil man das eben so macht. Man lässt Menschen nicht einfach sitzen.

"Hast du Hunger?"

Juno nickte und während ich Nudeln kochte, ging sie Duschen. Mein ganzes warmes Wasser war wieder aufgebraucht.

Wir aßen schweigen, sie ein paar Teller mehr als ich, dann tranken wir Bier. Ich holte Decken und Kissen, Juno bedankte sich. Nachts konnte ich sie weinen hören und war wütend, dass sie weinte, statt auf die Toilette zu gehen. Und war wütend, dass sie auf meinem Sofa weinte, statt auf irgendeinem anderen. Und war wütend, dass ich ihr weinen nur schwer aushielt.

Ich stand nicht auf. Obwohl ich das starke Bedürfniss verspürte Juno zu trösten. Und ich stand auch nicht auf, um die Briefe aus dem Schrank zu nehmen. Auch wenn dieses Bedürfnis fast noch stärker war. Sie weinte lange. Und irgendwann weinte ich auch. Und war wütend, dass wir nun beide weinten.

Am nächsten Morgen kochte ich Kaffee. Juno trank ihren schwarz, also tat ich das auch. Ich weiß nicht, welche Art von Menschen ihren Kaffee mit Milch trinken, nicht die Art von Menschen, die Juno und ich waren. Aber ich wusste auch nicht, was es bedeutete, dass Juno jetzt auch noch auf den Zucker verzichtete. Oder was es bedeutete, dass ich es ihr gleich tat.

Schön war sie noch immer nicht. Vielleicht eher noch weniger schön. Und natürlich stellte ich mir wieder eine einzige Frage. Und natürlich fragte sie mich wieder, ob ich glücklich war und natürlich hatte sie kein Recht dazu. Also antwortete ich nicht.

Ist es einfacher einen schönen Menschen zu lieben?

"Wie geht es deiner Hand?", fragte ich, weil ich sie nicht auf ihr Weinen ansprechen und trotzdem irgendwie sensibel sein wollte.

Sie demonstrierte mir das Zittern.

"Gut.", sagte sie dann, packte ihre Sachen und ging wieder.

Vorerst.

An für immer glauben wir doch beide eigentlich eh nicht, stimmts?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt