dreiundzwanzig

21 7 0
                                    

Abgesehen davon, dass Junos Vater ein Feigling war und sich nicht traute zu klingeln, war er wohl auch ziemlich wütend. Als ich eine Woche später nach Hause kam und er wieder vor der Wohnung herumlungerte, rief ich Juno an. Sie kam früher von der Arbeit und konfrontierte ihn. Ich habe noch nie einen Menschen, einen anderen Menschen so voller Hass ansehen sehen, wie er seine Tochter anschaute. Als hätte sie ihm etwas ganz furchtbar grausames angetan.

Juno sprach den ganzen Abend über kein Wort mit mir. Sie hatte seinen Blick auch gesehen und ich konnte mir nicht vorstellen, wie verletzt sie sein musste. Es tat mir weh. Und eigentlich war ich eine Außenstehende. Die Beziehung zwischen ihr und ihrer Familie, besonders ihrem Vater, war immer ungut gewesen, aber er hatte sie wenigstens nicht gehasst. Jetzt tat er das. Und es war unfair. Weil er stolz sein sollte und stolz sein könnte. Juno hatte sich gut entwickelt. Sie hatte es verdient, dass man sie in den Arm nahm, sie lobte, ihr gratulierte. Sie hatte Liebe verdient. Heute. Und hätte sie besonders verdient, als das schwerste Outing ihr die Luft zum Atmen nahm. Das Outing vor ihr selbst.

Wenn du vor dem Spiegel stehst und dich selbst hassen musst, weil dein Herz nicht für den netten Jungen von nebenan, sondern für das Mädchen mit den Augenringe und dem ungesunden Kaffeekonsum schlägt, dann hast du später, wenn es weniger weh tut, wenn du es mehr akzeptiert hast, jemanden verdient der dich in den Arm nimmt, dich tröstet, weil er nicht dabei war, als du vor dem Spiegel standest und dir wünschtest du könntest jemand ganz anderes sein. Juno hätte eine Umarmung verdient, vielleicht einen Kuchen, Zuneigung, Liebe, Unterstützung.

Ich konnte nicht aufhören daran zu denken, dass Väter, die hier vor der Wohnung ihrer Töchter herum lungerten, nicht sie sondern ihre Mitbewohnerin ansprachen, um dann feige und mit purem Hass die Konfrontation zu beginnen, irgendwo anders mit Waffen auf Homosexuelle los gingen oder sie einsperren ließen, für die bloße Tatsache, dass sie mutig genug waren, sich selbst zu akzeptieren und ehrlich zu sein.

Ich ließ Juno ein Bad ein und dann schloss ich die Tür, räumte die Küche auf und hoffte, das warme Wasser könnte sie irgendwie trösten. Ich konnte es in diesem Moment nicht. Konnte nichts sagen, dass ihr helfen würde. Es war genauso wie die Realitionsphase, nach der Wut, wenn man bemerkt, dass das Mädchen mit den Augenringe und dem ungesunden Kaffeekomsum die Welt in die Knie zwingt, wenn sie lächelt. Erst einmal musste Juno das mit sich selbst ausmachen.
Aber es war auch anders, denn sie rief mich und ich setzte mich neben die Badewanne auf den Boden und hielt ihre Hand. Sagen konnte ich immer noch nichts. Aber alleine sein musste sie diesmal wenigstens nicht.

Juno hatte ein dickes Fell. Sie würde das überstehen. Aber selbst Menschen mit dickem Fell werden manchmal in die Knie gezwungen und wenn sie wieder auf die Beine kommen, dann sind sie nicht mehr, wer sie einmal waren. Und das ist unfair.

An für immer glauben wir doch beide eigentlich eh nicht, stimmts?Kde žijí příběhy. Začni objevovat