⊱Kapitel 7⊰

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Am nächsten Morgen bin ich ausnahmsweise mal nicht spät dran und muss mich beeilen. Das liegt allerdings nur daran, dass meine ältere Schwester Jules und Mom sich einen Wettstreit im Brüllen geliefert haben.

Verschlafen hatte ich mir das Kopfkissen auf die Ohren gepresst, zwar kein Wort von dem verstanden, was sie geschrien hatten, aber ihre Stimmen hatte ich so trotzdem nicht ausblenden können. Schließlich war ich ins Badezimmer geschlurft, um mich fertig zu machen.

Eine halbe Stunde später betrete ich nun das Schulgebäude und mache mich sofort auf den Weg zu meinem Schließfach. Dabei muss ich zwei tuschelnden Schülerinnen ausweichen, was mir allerdings nicht besonders gut gelingt.

Eine der beiden rempelt mich grob an, wobei mir das Buch aus der Hand fällt, welches ich mir vor den Sommerferien aus der Schulbibliothek ausgeliehen habe und nun zurückgeben muss.

Sofort erdolcht mich die Brünette mit ihren Blicken, so als wäre es meine und nicht ihre Schuld, dass sie den ganzen Gang einnehmen und keinen Platz mehr zum Vorbeigehen übrig lassen.

Seufzend verfluche ich innerlich das Mädchen und bücke mich, um die Ausgabe von Twilight aufzuheben. Schnulzig und doch eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Die Bibliothekarin wird mir die Ausgabe noch eines Tages schenken, so oft habe ich sie mir mittlerweile ausgeliehen.

Ich strecke meine Hand nach dem relativ dicken Buch aus, doch ehe ich es erreiche, schließen sich bereits die Hände einer anderen Person um den Band und heben es hoch. Erschrocken zucke ich zusammen und ernte fast augenblicklich ein spöttisches Lachen über meine Reaktion.

Überrascht richte ich mich auf und sehe mich zwei hochgewachsenen Jungen gegenüber. Mit einem zuvorkommenden Lächeln reicht mir Kota das Buch, aber es ist nicht er, der meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Auf Evans Lippen liegt ein hämisches Grinsen, eine Begrüßung schenkt er sich. Er verschränkt die tätowierten Arme vor der Brust und zieht provokant eine Augenbraue hoch, als er mein Starren bemerkt. Eilig wende ich den Blick ab und sehe stattdessen Kota an.

»Danke«, flüstere ich ein wenig verspätet und versuche den Drang zu unterdrücken, das Buch vor den Blicken der beiden zu verstecken. Es ist ohnehin bereits zu spät dafür, also begnüge ich mich damit es möglichst tief zu halten, weil ich das Gefühl verspüre mich für den kitschigen Roman schämen zu müssen.

»Bitte«, entgegnet Kota zwinkernd und spricht sofort weiter. »Ich habe übrigens gehört, du kommst am Samstag zur Party.«
Ich bin froh, dass er sich nicht über meinen Lesegeschmack lustig macht, obwohl ich das nicht wirklich von ihm erwartet habe.

»Stimmt.« Ich nicke zustimmend und umklammere mit beiden Händen das Buch, weil mich die Anwesenheit von Menschen, die ich nicht richtig kenne, immer ein wenig nervös macht. »Zara hat mich eingeladen.«

Kota streicht sich durch sein kurzes schwarzes Haar, wobei mir die drei schwarz tätowierten Linien an seinem rechten Bizeps auffallen. Abgesehen von ihnen und drei weiteren Bildchen, scheint er keine weiteren Tattoos zu besitzen.

»Ich weiß. Zara hat es uns gestern freudestrahlend erzählt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich bereits als ihre beste Freundin sieht. Glückwunsch, Maggie. Wir heißen dich offiziell in unserem Freundeskreis willkommen.«

Egal wie einladend Kota in diesem Moment auch die Arme ausbreitet, ich weiß nicht, ob ich seine offensichtlich ehrliche Begeisterung teilen kann. Ich ringe mir für ihn ein kleines Lächeln ab, aber mehr ist definitiv nicht drin.

»Übertreib’s nicht, sie passt nicht zu uns«, brummt Evan und sofort fliegt mein Kopf in seine Richtung. »Du kennst Zara, morgen ist ihre beste Freundin eh jemand anderes. Verübeln kann ich’s ihr bei dieser ersten Wahl jedenfalls nicht.«

Evans Stimme ist tiefer, als ich erwartet habe. Er funkelt mich zornig an, obwohl ich nicht das geringste getan habe, um seinen Ärger zu verdienen. Kota lacht herzlich. Er ist eindeutig der besser gelaunte von beiden.

Dem Japaner scheint aufgefallen zu sein, dass ich Evan alles andere als sympathisch finde. Vielleicht, weil mich seine harte Wortwahl doch unwillkürlich getroffen hat.
»Kümmere dich nicht um ihn, der ist immer schlecht gelaunt.«

Schlecht zu sagen, ob Kota seine Worte als Scherz oder tatsächlich ernst meint. Ich tippe bei Evans wütendem Gesichtsausdruck jedoch auf letzteres.
»Ist mir noch gar nicht aufgefallen«, murmele ich und bringe Kota schon wieder zum Lachen.

Evan hingegen scheint es alles andere als witzig zu finden. Er schnaubt verächtlich, und macht auf dem Absatz kehrt. Womöglich, weil er kein einziges Wort an mich verschwenden will. Ich bin froh, als er endlich weg ist.

Kota entschuldigt sich und versichert mir noch einmal sich darüber zu freuen, dass ich zur Party komme, ehe er seinem Kumpel schließlich folgt.
»Evan ist ja äußerst charmant«, kommentiere ich trocken, als der Japaner außer Hörweite ist und schüttele den Kopf.

»Kaum zu glauben, dass ihm die Mädchen reihenweise zu Füßen liegen, was?«, meldet sich kichernd eine helle Stimme zu Wort.
Ein vertrauter violetter Schopf gesellt sich an meine Seite und ich frage mich, wie viel sie wohl gesehen und gehört hat. Heute trägt Zara ihr Haar glatt anstatt der wilden Lockenmähne von gestern. Sie sieht trotz des vielen Make-ups beneidenswert schön aus.

»Du machst Scherze.«

Ungläubig ziehe ich die Augenbrauen zusammen, doch Zara lässt sich nicht beirren. Ich steuere auf meinen Spind zu und verstaue das Buch, weil die Bibliothek noch nicht geöffnet hat und ich es dementsprechend erst später zurückbringen kann.

»Ganz und gar nicht. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, er ist nicht gerade von der hässlichen Sorte Mann.« Sie wackelt vielsagend mit ihren perfekt gezupften Augenbrauen.

Wenn man einen athletischen, mit unzähligen Tätowierungen verunstalteten Körper bevorzugt ...
Ich schließe den Spind zugegeben eine Spur zu heftig und verschränke anschließend die Arme vor der Brust.

»Mag sein, dass er ganz passabel ist, aber an Taylor Lautner kommt er nicht ran«, grinse ich und bemerke erst, nachdem ich es ausgesprochen habe, dass ich mich tatsächlich unverkrampft mit Zara unterhalte. Dabei ist das Geständnis, dass ich insgeheim auf Taylor Lautner stehe, einfach so aus meinem Mund gepurzelt.

»Da hat jemand Geschmack!«, erwidert Zara hingegen meinen Erwartungen anerkennend und hakt sich lachend bei mir unter. »Bereit für zwei aufregende Stunden Geschichte?«, wechselt sie geschickt das Thema.

Wir haben gestern vor Mathematik unsere Stundenpläne ausgetauscht und dienstags ungewöhnlicherweise haargenau dieselben Fächer belegt.
»Nicht wirklich«, stöhne ich alles andere als begeistert und ernte sofort Zustimmung.

Vielleicht werden wir uns wirklich gut verstehen, überlege ich leicht lächelnd, während Zara und ich uns auf den Weg in den Geschichtsraum machen. Wir scheinen uns ähnlicher zu sein, als ich auf den ersten Blick vermutet habe.

Light up my WorldWhere stories live. Discover now