⊱Kapitel 14⊰

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Ich schaue mich, wie immer, wenn ich hier bin, ein wenig in Shanes Zimmer um. Es ist ein kleines bisschen größer als meines und überwiegend in Blau und Grau gehalten. Dafür sind die Möbel allesamt weiß.

Verschiedenfarbige, und eindeutig frisch gewaschene Klamotten stapeln sich auf Shanes Schreibtisch, die er wohl noch nicht geschafft hat einzuräumen. Shane ist ein wahrer Ordnungsfanatiker. Dass die Wäsche noch nicht ordentlich in seinem Schrank weilt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass es ihm nach gestern Abend bei weitem nicht blendend geht.

»Maggs, wo bist du?«, stöhnt Shane schlaftrunken und tastet mit seiner linken Hand nach mir.

Sein blondes Haar steht in alle Richtungen ab. Er trägt ein weißes T-Shirt, was allerdings verrutscht ist, sodass ich seinen nackten Bauch sehen kann. Ich gebe zu, der schlaftrunkene Shane sieht irgendwie süß aus. Würde nur noch fehlen, dass er am Daumen lutscht.

»Direkt neben dir. Wie wär’s, wenn du die Augen aufmachen würdest? Dann könntest du mich sehen.«

»Willst du mich umbringen?! Wenn ich sie aufmache, sterbe ich!«
Meine Mundwinkel zucken, aber ich zwinge mich dazu ihn nicht auszulachen. Wenn Shane einen Kater hat, neigt er dazu die Dramaqueen raushängen zu lassen.

»Ach komm schon, ich habe auch ein Glas Wasser und Aspirin dabei. Dir wird’s danach besser gehen, wirst schon sehen.«
»Wo hast du die her?«, fragt er misstrauisch, öffnet nun jedoch endlich die Augen. Mit übertrieben schmerzverzerrtem Gesicht, nimmt er mir die Tablette und das Wasser aus der Hand und befolgt meinen Ratschlag. »Danke.«

»Von deiner Mutter. Sie hat mir im Gegensatz zu dir auch die Tür geöffnet, nachdem du hier oben in einen komatösen Zustand gefallen bist. Du solltest echt weniger trinken.«
Ich klemme mir eine braune Haarsträhne hinter mein Ohr.

»Sei nicht so grausam! Du siehst doch wie schlecht es mir geht«, jammert Shane, das leere Glas gibt er mir zurück. Ich stelle es auf seinem Nachttisch ab. »Wieso geht es dir überhaupt so gut? Hast du nichts getrunken?«

»Wenn du gestern nicht einfach so verschwunden wärst, wüsstest du, dass ich nicht mehr als zwei Schlucke Wodka intus hatte«, erwidere ich knapp. Shane runzelt verwirrt die Stirn.
»Wie meinst du das? Waren wir nicht die ganze Zeit zusammen?«

»Nein, waren wir nicht. Erinnerst du dich etwa nicht mehr an gestern?«
Verblüfft sehe ich auf meinen besten Freund hinab, der angestrengt nachzudenken scheint. Schließlich schüttelt er den Kopf, verzieht als Nächstes allerdings vor Schmerzen das Gesicht. Das ist ihm noch nie passiert.

Bisher ist Shane immer gewissenhaft gewesen und hat nie mehr als zwei Becher Bier getrunken. Dass er davon trotzdem am nächsten Tag schon breit war, liegt daran, dass er überhaupt nichts verträgt.

Er setzt sich auf und lehnt sich mit dem Rücken gegen das Kopfende seines Bettes.
»Du siehst mich praktisch schon die ganze Zeit angewidert an, Maggs. Sag mir also bitte was gestern Abend passiert ist.«

Ich zögere und bleibe stumm, während ich mir gedanklich ein paar Worte zurechtlege.
»Sag es mir, Maggs. Was habe ich gestern getan?«, wiederholt er bittend. Shanes blaue Augen drücken Furcht aus. Er geht bereits jetzt vom Schlimmsten aus. Leider hat er recht.

»Ich weiß nicht alles, weil du plötzlich verschwunden bist. Als ich dich angerufen habe, warst du allerdings bereits ganz schön angeheitert. Ich habe dich ungefähr eine Stunde gesucht, dann habe ich dich in einem Schlafzimmer im Obergeschoss entdeckt.«

»Warte, wenn du mich dann doch gefunden hast, Maggs. Wieso sind wir dann nicht zusammen nach Hause gegangen? Ich glaube mich zu erinnern, dass ich allein war, als ich gegangen bin«, murmelt Shane fragend vor sich hin, scheint sich allerdings nicht ganz sicher zu sein.

Ich seufze tief, ehe ich mit der ungeschminkten Wahrheit herausplatze: »Shane, du hast gestern Abend Caesy betrogen. Als ich dich fand, warst du nicht allein. Ein Mädchen saß auf deinem Schoß und hat dir wortwörtlich die Zunge in den Hals gesteckt.«

Schweigen.
Nur das Ticken von Shanes Wanduhr ist zu hören.

»Ich habe meine Freundin betrogen?«, fragt er ungläubig. »Habe ich auch ... mit ihr geschlafen?«
»Ich weiß es nicht, Shane.«
Er nickt, als könne er es selbst noch nicht ganz begreifen.
»Wirst du es ihr sagen?«, will ich vorsichtig wissen.

»Ja, das muss ich wohl.«
»Es tut mir leid für dich, Shane. Ich weiß doch, wie sehr du Caesy liebst«, murmele ich und starre dabei die weiße Zimmerdecke an.
»

Es ist allein meine Schuld«, höre ich Shane sagen. »Sie wird mich hassen.«


Am liebsten hätte ich etwas Nettes zu ihm gesagt, aber ich bringe es nicht über mich. Shane ist selbst schuld an seiner Situation und egal wie hart es auch klingen mag, er muss es selbst ausbaden.

»Ich werde mich mal fertig machen und dann zu Caesy gehen. Ich denke es ist besser, wenn ich es ihr gleich sage«, seufzt Shane und erhebt sich, als wir beide eine Weile geschwiegen haben.
»Klar«, antworte ich verstehend.

Auf dem Weg nach unten kommt mir Shanes kleiner Bruder Lewis entgegen. Der zwölf Jahre alte Junge sieht aus, wie die kleinere Version von Shane. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und in einem blauen Pyjama bekleidet sieht er zum Anbeißen niedlich aus. Wie sein großer Bruder hat er das Frühstück verschlafen.

»Hallo, Maggs«, gähnt er noch immer nicht richtig munter, während er ins Badezimmer marschiert. »Mom hat gesagt Shane liegt im Koma. Geht’s ihm wieder gut, jetzt wo du da warst?«
»Wenn du damit meinst, dass er wach ist, dann ja«, erwidere ich lächelnd.

»Dann ist gut. Ich dachte schon, er würde nie wieder aufwachen, aber da hat mich Mom wohl auf den Arm genommen. Tschüss, Maggs«, meint Lewis, ehe er die Badezimmertür hinter sich zuschlägt, um seine Privatsphäre einzufordern.

Im Hinausgehen verabschiede ich mich von Shanes Mutter Shirley und lehne ihr Angebot, bei ihnen Mittag zu essen dankend ab. Nach dem Überbringen von Shanes persönlicher Hiobsbotschaft bekomme ich ohnehin keinen Bissen mehr runter.

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