⊱Kapitel 37⊰

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Den Blick auf den Sternenhimmel gerichtet, trinke ich einen weiteren Schluck aus dem roten Becher in meiner Hand. Irgendwie habe ich es geschafft, mir weiteren Alkohol zu beschaffen, nachdem ich den Becher vor etwa einer Stunde geleert habe. Wo weiß ich nicht mehr.

Das Brennen des Alkohols in meiner Kehle und die angenehme Wärme in meinen Adern lindert die schrecklichen Schuldgefühle etwas. Ich hätte Shane sagen sollen, wo ich bin und auch meiner Mutter hätte ich es nicht vorenthalten dürfen. Nun ist es zu spät dafür.

Trotz dessen ziehe ich umständlich mein Handy hervor und wähle Shanes Nummer. Ich will seine beruhigende Stimme hören und ihm sagen, dass er die ganze Zeit recht gehabt hat. Dass Zara ihn abgefüllt hat und sie unmöglich länger unsere Freundin sein kann.

Es dauert eine Weile, bis er den Anruf annimmt.
»Maggie, bist du das? Warum rufst du mich um halb eins am Morgen an?«, gähnt Shane, den ich durch meinen Anruf wohl geweckt haben muss. Ich muss mit einem Mal kichern, weil ich mir Shanes verschlafenes Gesicht nur zu gut vorstellen kann.

»Du hattest recht, Zara ist keine gute Freundin«, lalle ich mit schwerer Zunge und rupfe ein paar Büschel Gras aus der Wiese, auf der ich es mir bequem gemacht habe. Einige Halme piksen mich in die Beine, was nicht gerade angenehm, aber aushaltbar ist.

»Sag mal, bist du etwa betrunken?«
»Nöööööö!«, flöte ich heiter.
»Maggie, wo steckst du?«, will Shane eindringlich wissen und die Ernsthaftigkeit seiner Stimme nervt mich.

»Ich hasse es, wenn du mich wie ein kleines Kind behandelst! Ich bin siebzehn und brauche niemanden der auf mich aufpasst!« Mit neugewonnener Aggressivität reiße ich noch mehr Gras aus dem Boden und schiebe meine Unterlippe schmollend vor.
»Maggie, bitte, sag mir wo du steckst.«

Ich blicke mich auf der Suche nach einem Anhaltspunkt um, entdecke allerdings nichts.
»Keine Ahnung. Hier ist ein Haus, eine Wiese und ... dort vorn eine Straßenlaterne. Nebenan sind noch mehr Häuser. Aber das ist nicht wichtig. Tut mir leid, dass ich dich gestört habe. Schlaf gut, wir sprechen uns morgen!«
»Maggie, du-«

Ich lege auf und schalte das Handy auf stumm, als Shane mich noch einmal versucht anzurufen. Danach probiert er es mit Nachrichten, die ich allerdings nicht beantworte. Von Glückshormonen erfüllt, summe ich vor mich und lege mich schließlich auf den Rücken. Den Becher schmeiße ich weg, weil er schon wieder leer ist.

Der Sommer in Phoenix ist wie immer außergewöhnlich heiß, selbst mitten in der Nacht kühlen die Temperaturen kaum ab, sodass ich gut und gern auch unter freien Himmel schlafen kann. Das Gras ist so schön weich ...

»Hier bist du.«
Erschrocken zucke ich zusammen, als sich nicht Kota oder Zara, sondern Ian zu mir gesellt. »Ich habe dich schon seit einer Ewigkeit gesucht.«

»Warum denn?« Ich reibe mir die Augen und setze mich auf.
»Zara hat mir gesagt, dass ich dir mitteilen soll, dass sie jetzt geht.«
Sofort bin ich trotz des Alkohols in meinem Blut hellwach.
»Was? Wann war das?«

Ian spielt mit seinem Lippenpiercing und erneuert seinen schwarzen Zopf.
»Keine Ahnung. Vielleicht vor einer halben Stunde, ich habe dich nicht gleich gefunden.«
»Was ist mit Kota?«

Ian, der eindeutig auch angetrunken ist braucht zwei Sekunden um zu begreifen, von wem ich spreche.
»Ach Kota! Na Zara und Kota sind gemeinsam verschwunden. Habe ich das nicht erwähnt?«

Das kann doch nicht war sein!
»Und wie soll ich jetzt nach Hause kommen?«
Ian zuckt die Schultern und greift nach meinem roten Becher, den ich vorhin weggeschmissen habe. Er dreht ihn in seinen Händen, als würde er ihm bald eine Antwort mitteilen.

»Wenn du willst, kann ich ja mal rumfragen, ob noch jemand nüchtern ist und dich fährt. Oder du bleibst einfach hier, ich glaube nicht, dass Evan was dagegen hätte. Ich verbringe die Nach auch in irgendeinem Zimmer oben«, bietet Ian an, aber nichts davon hört sich besonders gut an. Vor allem nicht wenn ich bei Evan ...

»Warte, Evan schmeißt die Party?«

Verwundert sehe ich Ian an. Zara hat nur gesagt, dass wir zu irgendeinem Freund gehen würden und Dylan hat nicht mal mit Evans Anwesenheit gerechnet. Auch Evan hat nichts davon verlauten lassen, hier zu wohnen.

»Nee irgendeiner seiner Studentenkumpels, deswegen ist das Haus auch doppelt so voll als normal. Evan wohnt hier nur.« Ian streckt sich und steht auf. »Na gut, ich gehe dann mal wieder rein. Meine Mission ist, würde ich sagen erfüllt!«

Ich blicke auf das Handy in meiner Hand, aber ich kann jetzt unmöglich meine Mutter anrufen. Sie würde ausrasten und mich für den Rest meines Lebens in meinem Zimmer einsperren. Auch mein Dad kommt nicht infrage. Davon mal abgesehen würde er so früh am Morgen nicht zwei Stunden fahren, um seine betrunkene Tochter von einer Party abzuholen.

Jules ist die einzige, die mir helfen kann, heute allerdings bei Justin übernachtet. Ich wähle schnell ihre Nummer, aber nach dem dritten Versuch sie zu erreichen, gebe ich es schließlich auf. Sie geht nicht ran, was bedeutet, dass Jules tief und fest schläft und das Handy vermutlich auf lautlos geschaltet hat.

Ernüchtert, scheitert mein Plan. Shane noch einmal anzurufen würde mir auch nichts bringen. Er ist bei seinem Onkel und müsste noch länger als mein Vater fahren, um mich abzuholen. Des Weiteren habe ich kein Geld dabei, also werde ich unmöglich mit dem Bus fahren können. Und um diese Uhrzeit noch ein Taxi zu bekommen, ist ebenfalls mehr als unwahrscheinlich. Allein durch die Nacht zu laufen, wo ich doch keine Ahnung habe, wo ich mich befinde, ist ebenfalls keine Option.

So wie es aussieht, sitze ich hier bis morgen früh fest.

Light up my WorldWhere stories live. Discover now