⊱Kapitel 50⊰

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Ich erkenne das Restaurant, bevor Evan den Wagen parkt. Ein erfreutes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, denn hier habe ich erst vor einigen Wochen mit meinem Vater gegessen.

»Das Essen hier ist wundervoll«, sage ich, kaum sind wir ausgestiegen. Freddys kleiner Laden ist wie immer gut gefüllt, als Evan die Glastür aufstößt und mir aufhält.
»Deswegen komme ich hier auch so gerne her«, antwortet Evan lächelnd.

Fast augenblicklich kommt Freddys Frau Nina auf uns zu, die sichtlich überrascht wirkt, mich nicht in der Begleitung meines Dads zu sehen.
Die rundliche Frau schenkt uns ein strahlendes Lächeln und bedeutet uns ihr nach einer herzlich ausfallenden Begrüßung zu folgen.

»Schön dich zu sehen, Maggie«, sagt sie, während sie uns durch das rustikal eingerichtete Restaurant zu dem letzten noch freien Platz führt. Er ist etwas abgelegen, aber direkt am Fenster. »Heute mal in anderer Begleitung als sonst?«
Evan runzelt irritiert die Stirn, während er mir gegenüber am dunklen Holztisch Platz nimmt. Ich schenke der schwarzhaarigen Frau ein geheimnisvolles Lächeln.

»Ja, heute bin ich ausnahmsweise mal nicht mit Dad hier«, gebe ich zurück. Nina lächelt unverbindlich, doch ich weiß, dass sie sich insgeheim zurückhält. Normalerweise hätte sie mir schon mindestens drei Fragen auf den Weg bis zum Tisch gestellt, aber in Evans Nähe verkneift sie sich die Fragerunde.

Ich bin froh darüber. Was hätte ich ihr sagen sollen, wenn sie gefragt hätte, ob wir zusammen sind?
Sind Evan und ich Freunde? Oder ist er etwa ... mein Freund? Bis jetzt habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, aber plötzlich verunsichert mich die Frage und ich habe keine Ahnung, was mir von den beiden Optionen lieber wäre.

»Was darf ich euch zwei Süßen denn bringen?«, möchte Nina wissen und reißt mich so aus meinen Grübeleien.
Evan entscheidet sich ziemlich schnell für einen Hamburger mit Fritten und ich tue es ihm gleich.
Nina notiert sich unsere Bestellung auf einem kleinen Block und lässt uns dann allein.

»Du kennst also die Besitzer persönlich?«, erkundigt sich Evan, während er das Dekor bestehend aus dunklem Holz, frischen roten Rosen und strahlend weißen Tischdecken in sich aufnimmt. Nina hat dem rustikalen Restaurant etwas romantisches eingehaucht, was in gewisser Weise den unvergleichlichen Charme ausmacht und neben dem himmlischen Essen die Kundschaft in Scharen anzieht.

Ich nippe an meiner Cola, die uns eine Kellnerin gerade gebracht hat, ehe ich ihm antworte: »Meine Eltern und Freddy, der Besitzer des Restaurants, sind damals zusammen zur Schule gegangen. Sie haben nie den Kontakt verloren, auch wenn sie sich nicht wirklich oft sehen.«

»Dennoch meintest du vorhin, du würdest immer nur mit deinem Vater herkommen. Warum ist das so?«
Evan dreht sein eigenes Glas in den Händen und sieht mich mit schief gelegten Kopf neugierig an. Ich bin überrascht, dass Evan mir zugehört hat, weil er vorhin irgendwie abwesend gewirkt hat.

»Stimmt, nur Dad und ich kommen hier her. Über die Jahre ist es irgendwie zu unserem Ort geworden. Du musst wissen, meine Mutter mag Fastfood nicht und meine Schwester Jules scheint da ganz nach ihr zu kommen«, erkläre ich und lasse dabei den Vortrag über gesundes Essen und zu viele Kohlenhydrate geflissentlich aus.

Evan schüttelt grinsend den Kopf.
»Wow hört sich ganz schön spießig an«, erwidert Evan und wenn ich ganz ehrlich bin, hat er recht. In gewisser Hinsicht ist Mom wirklich ziemlich spießig.

Von Anfang an hat sie darauf geachtet, dass ich stets saubere Kleidung trage, mir die Nägel in einer angemessenen Länge schneide und höflich und vornehm zu jedem bin, der mir über den Weg läuft. Das besonders letzteres in der Schule nicht immer geklappt hat, ist sicher nicht weiter verwunderlich.

Aber dennoch hatten Jules und ich eine unbeschwerte, glückliche Kindheit und ich liebe meine Mutter trotz all ihren Macken und übertriebenen Erziehungsmethoden bedingungslos.

»Die Scheidung von meinem Dad hat sie ganz schön mitgenommen. Sie ist schon immer überfürsorglich gewesen, aber jetzt neigt sie dazu es maßlos zu übertreiben«, erkläre ich und bemerke erst, dass ich sie verteidige, als ich es bereits ausgesprochen habe. »Ich nehme an, dass es jeder Mutter so geht. Vielleicht werde ich es verstehen, wenn ich selbst Mutter bin.«

»Du willst Kinder?« Es gelingt mir nicht Evans Blick zu deuten. Ist er überrascht?
»Du nicht? Ist das nicht jedermanns Traum, Kinder und eine Familie zu haben?«
Mit einem Schlag verdunkelt sich das Grün seiner Augen.
»Nicht jeder ist dafür geeignet eine Frau und Kinder zu haben«, sagt er mit gesenkter Stimme.

»Meinst du damit deine Eltern? Wohnst du deswegen nicht mehr bei ihnen?«, hake ich sanft nach und möchte meine Hand auf Evans legen, doch bevor ich die Gelegenheit dazu habe, zieht er sie nach außerhalb meiner Reichweite.

»Ich werde nicht mit dir darüber reden«, knurrt er und sieht demonstrativ an mir vorbei. Eine zornige Falte bildet sich auf seiner Stirn, aber ich gebe nicht auf.
»Wir haben den ganzen Abend über meine Mutter gesprochen. Ich habe dir erzählt wie schwierig sie ist, aber um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht warum das Thema so schwer für dich ist. Ich habe deine Eltern im Kino gesehen und sie erschienen mir wirklich nett zu sein.«

»Kate ist nicht meine beschissene Mutter!«, fällt mir Evan ins Wort und starrt mich finster an. »Und William ist nicht mehr als mein verfickter Erzeuger, kapiert?!«

Ich zucke über die Heftigkeit seiner Reaktion zusammen und sehe beschämt, wie sich die Leute an den Nachbartischen zu uns umdrehen. Evan scheint es nicht zu kümmern.
»Was hat er getan, dass du so über ihn redest?«, frage ich flüsternd und betrachte eingehend die detailreiche Rose auf Evans rechten Arm, weil ich mich plötzlich nicht traue ihm in die Augen zu sehen.

»Etwas unverzeihliches«, antwortet Evan schlicht und beendet mit Nachdruck das Thema. Wir schweigen, selbst dann noch, als Nina mit unserem Essen kommt. Obwohl sie bemerkt haben muss, dass sich die Stimmung deutlich abgekühlt hat, fragt sie nicht nach und geht sofort wieder. Und darüber bin ich ihr unendlich dankbar.

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