⊱Kapitel 40⊰

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Heute scheint Evan seinen ganzen Charakter ins Positive gekehrt zu haben. Kaum zu fassen, dass ich das mal erleben darf.

»Da kann ich wohl froh sein, dass das niemals passieren wird«, erwidere ich.
»Sag niemals nie, Maggs«, sagt Evan mit einem überheblichen Grinsen, welches mich die Augen verdrehen lässt. In letzter Zeit tue ich dies entschieden zu oft.

»Du bist ebenfalls nicht mein Typ, Evan.«
Ich wende den Blick aus dem Fenster und sehe dabei zu, wie Straße für Straße an und vorbeizieht. Weniger als zehn Minuten und ich werde meiner Mutter entgegentreten müssen.

»Was, etwa, weil ich dir zu attraktiv und zu aufregend bin? Tut mir leid, nicht jeder ist so langweilig wie Blondie.« Nach einer kurzen Pause, in der ich nichts dazu sage, fügt er mit veränderter, dunkler Stimme hinzu: »Gib zu, du hast etwas gefühlt, als ich dich geküsst habe.«

Nur zu gut, erinnere ich mich an das süße Prickeln auf meinen Lippen und das unbändige Verlangen Evan zu küssen. Nicht mal nach zwei langen Wochen, habe ich diesen Tag aus dem Kopf bekommen. Noch immer sehe ich in meinen Träumen Evan unter der Laterne stehen. So nah und doch so fern ...

»Träum weiter«, lüge ich und beiße mir auf die Unterlippe.
»Belüge dich nur, wir wissen beide, dass du mich willst.«
Anstatt das übliche, meist spöttische Grinsen auf Evans Lippen vorzufinden, steht dort ein einfaches und doch bezauberndes Lächeln.

»Wir könnten Freunde sein«, wiegele ich ab, bekomme aber ein klares Kopfschütteln als Antwort zurück.
»Nein, können wir nicht.«
Evan scheint keinen Widerspruch zu dulden, aber darauf werde ich es nicht beruhen lassen.
»Und warum bitte nicht? Mit Zara bist du schließlich auch befreundet.«

»Mit ihr habe ich allerdings auch geschlafen«, erwidert er ohne mit der Wimper zu zucken und ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke. »Sag bloß, sie hat’s dir nicht erzählt?« Er lacht amüsiert über meine Reaktion.

Ich huste stark, um wieder Luft zu bekommen.
»Hat sie wohl vergessen zu erwähnen«, krächze ich, noch immer hustend. »Hast du mit allen deinen Freunden geschlafen, wo wir gerade dabei sind?« Nicht, dass ich das von ihm erwarten würde, aber sicher ist sicher.

»Meine sexuelle Orientierung bezieht sich allein auf die weiblichen Spezies, was dir Zara ganz bestimmt bereitwillig versichern wird, falls du meinem Wort keinen Glauben schenkst«, raunt er und parkt den Wagen unvorbereitet am Straßenrand. Sind wir tatsächlich schon da?

»Was ist, wenn ich auch Zara nicht glaube?«, murmele ich geistig abwesend, als er den Kopf schief legt und sich zu mir beugt, sodass ich seinen Duft wahrnehmen kann. Ich nehme Evans Anblick vollständig in mich auf. Sein markantes Kinn, die hohen Wangenknochen und geschwungenen Lippen, wie auch seine wunderschönen grünen Iriden, die etwas dunkler als sonst, mich an die Farbe von Moos im Regen erinnern.

»Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es dir zu beweisen.«

Die Stimmung kippt und mit einem Mal kann ich mich seiner Anziehungskraft nicht länger entziehen. Liegt es daran, dass er heute ausnahmsweise einmal nett zu mir ist? Beinahe schon höflich? Oder daran, dass er mich gestern nicht herausgeworfen, sondern einen Schlafplatz gegeben und mir etwas gegen den Kater verschafft hat?

Mein Mund ist mit einem Mal genauso trocken, als wenn ich die Sahara verschluckt hätte und ich bin mir ziemlich sicher, wenn nicht in genau diesem Moment meine Mutter lauthals meinen Namen geschrien hätte, hätte ich so unvernünftig es auch sein mag, einfach meine Lippen auf sie von Evan gepresst.

»Maggie Frey, du steigst jetzt sofort aus diesem Wagen und kommst mit rein!«, donnert sie los und steht bereits drohend neben Evans schwarzem BMW.

Schuldbewusst komme ich Moms Aufforderung unverzüglich nach und steige aus. Zu meiner eigenen Verwunderung, tut es mir Evan gleich und kommt wenig später gelassen um den Wagen herumgeschlendert. Als der Blick von meiner Mutter auf Evan fällt, scheint meine Zeit endgültig abgelaufen.

Moms Kopf wird dunkelrot vor Zorn, als sie ihn abschätzig mustert und dabei viel zu lange bei seinen Tattoos verweilt. Während sie und Evan sich ein kaltes Blickduell liefern, welches ohnegleichen Geschichtswürdig ist, bleibt mir beinahe die Luft weg. Evan Miene ist eisig, aber er bleibt ruhig und besitzt sogar die Dreistigkeit seine Hände entspannt in die Taschen seiner schwarzen Jeans zu schieben.

»Wer ist das
Ich schlucke fest, als Mom den Blick von Evan abwendet, um mich anzusehen. Evan hat also gewonnen.
»Mein Name ist Evan Davis. Sie scheinen dann wohl Maggies Mutter zu sein«, stellt sich Evan ungefragt selbst vor und, bilde ich mir das nur ein, oder schiebt er sich bewusst ein Stückchen vor mich?

»Mit einem Grufti wie dir habe ich ganz sicher nicht gesprochen!«, keift Mom und ich fasse automatisch nach Evans Hand, um ihn davon abzuhalten sie weiter zu provozieren. Ohne gleichen hat er nach der Beleidigung genau das vor, denn als Grufti betitelt zu werden, scheint ihm überhaupt nicht in den Kram zu passen.

»Bitte, es wäre besser du würdest jetzt gehen. Danke fürs Fahren.«
Obwohl es Evan sichtlich widerstrebt und er alles andere als begeistert davon ist, nickt er als er mich ansieht und wendet sich ab. Sicher stehen bereits die Nachbarn mit neugierigen Blicken hinter den Fenstern oder im Garten, um zu sehen, was hier vor sich geht.

Kommt nicht oft vor, dass die perfekte Fassade unserer Familie bröckelt, die Mom nach Dads Affäre unerbittlich aufrechtzuerhalten versucht.
»Wir sehen uns«, sagt Evan knapp und schenkt mir ein kleines Lächeln, was meine Mutter allerdings sofort wieder erneut in Rage versetzt. Sicher ist das auch genau Evans Absicht gewesen.

»Ganz bestimmt nicht!«, blafft sie ihn an und übertreibt es wirklich. Kaum ist Evan in sein Auto gestiegen und davon gefahren, greift sie nach meinem Handgelenk und schleift mich eigenhändig zurück ins Haus.

Da es keinen Sinn ergibt, mich gegen sie zu wehren, versuche ich erst gar nicht in mein Zimmer zu gelangen und mich wie ein aufmüpfiger Teenager einzuschließen. Das hätte sie nur noch zorniger gemacht, als sie es ohnehin schon ist.

Im Hausflur stehen wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Meine Mutter, trotz ihrer harten Arbeit wie immer perfekt gestylt und ich, als erbärmliches Überbleibsel einer chaotischen Partynacht.

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