⊱Kapitel 30⊰

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Verdattert starre ich in Evans zugegeben verdammt hübsches Gesicht und habe keine Ahnung, was ich von unserer jetzigen Situation halten soll. Dass er seine Freizeit in völliger Dunkelheit in einem Besenschrank verbringt und anschließend ein dahergelaufenes Mädchen mit zu sich hineinzieht, konnte man jedenfalls nicht als normales Verhalten interpretieren.

»Du bist nicht Nici.«
Evan der mit seiner Stimme anscheinend nicht auch sein Gehirn wieder gefunden hat, trägt nicht wirklich etwas geistvolles zu einem zukünftigen Gespräch bei.
»Bin ich nicht.«
Aber von mir kann man auch nichts Positiveres behaupten.

Innerhalb von Sekunden wandelt sich jedoch Evans irritierte Miene und weicht einem breiten Grinsen. Weil wir uns noch immer ziemlich nah auf so kleinen Raum sind, fällt mir der fast schon sinnliche Schwung seiner vollen Lippen auf und ein nicht gerade züchtiger Gedanke schießt durch meinen Kopf.

Wie sie sich wohl auf meinen anfühlen würden?

»Du stehst auf mich.«
Was?
Evan lacht und kommt mir etwas näher, wobei das in der klaustrophobischen Enge schon eine Kunst für sich darstellt. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um weiterhin in das atemberaubende Smaragdgrün seiner Augen blicken zu können.

»Du hast mich verfolgt, stimmt’s? Die neue Frisur, dass dringende Bedürfnis mit Zara befreundet zu sein ... habe ich recht?«, raunt er in mein Ohr und diesmal ist es seine Nähe, die mein Herz zu einem Marathonlauf antreibt.
Doch bevor ich mich über sein irritierendes Verhalten wundern kann, nehme ich den schwachen, aber doch eindeutig vorhandenen Geruch von Alkohol wahr.

»Du hast getrunken?«, frage ich Evan und bin mir nicht sicher was ich nun mit diesem Wissen anfangen soll.
»Ist das ein Problem?«, erwidert er scharf und das Grinsen, sowie sein anzüglicher Ton sind mit einem Mal verschwunden. Evans Stimmungen wechseln so rasant, dass ich Mühe habe mitzukommen.

Ich entscheide mich dazu das Thema zu wechseln und die prickelnde Gänsehaut auf meinem Körper zu ignorieren, als er mit seiner Hand die nackte Haut an meinem Arm streift.
»Warum bist du nicht beim Spiel? Oder bei deinen Freunden?«, möchte ich wissen und versuche vergeblich etwas Abstand zwischen uns zu schaffen. Evans Grinsen kehrt an seinen angestammten Platz zurück.

»So wie es aussieht, kann ich dich dasselbe fragen. Wie kommt es das du mit mir hier bist, obwohl dein kleiner Freund gerade die Ehre der Schule verteidigt? Ist er denn wirklich so beschissen langweilig, dass du es nicht länger mit ihm aushältst?«

Ich balle die Hände zu Fäusten und funkele ihn sauer an.
»Wie kommt es, dass du bei jeder unserer Begegnungen unausstehlich bist? Ich meine, hast du schon mal etwas von Freundlichkeit gehört? Oder wie wäre es mit Anstand? Klingelt da was?«

Niemals werde ich es zulassen, dass er meinen besten Freund hemmungslos beleidigt und dabei tatenlos zusehen. Im alkoholisierten Zustand mag Evan zum Teil umgänglicher sein, aber selbst da bleibt er noch immer unverkennbar ein Arschloch. Als er nicht antwortet, seufze ich theatralisch und suche umständlich nach dem Türgriff.

Doch als ich ihn gefunden habe, schießt Evans Hand urplötzlich vor und hält mich davon ab zuverschwinden. Etwas, was ich schon viel früher hätte tun sollen, wie mir sogleich bewusst wird.

»Du bist süß, wenn du wütend bist«, sagt Evan. Überrascht wende ich mich ihm wieder zu und halte, mitten in meinem Ansatz ihn für diesen Satz eine Beleidigung entgegenschleudern zu wollen, inne. Evan grinst weder spöttisch noch ergötzt er sich an meiner ungestümen Reaktion, die nur er hervorrufen kann.

Nein, stattdessen lächelt er ein sanftes, jungenhaftes Lächeln, welches zwei wunderschöne Grübchen auf seine Wangen zaubert. Es ist das erste Mal, dass ich sie bemerke, das erste Mal, dass ich Evan ganz anders und viel intensiver wahrnehme.

Mit einem Mal wird mir jede Stelle, an der sich unsere Körper berühren bewusst. Ich spüre seine Hand, die noch immer meine umschließt, sein rechter Arm, der nur ganz leicht meine Hüfte streift und die Wärme seines athletischen Körpers. Mein Mund ist wie ausgetrocknet, als seine Hand an meine Wange und noch ein Stückchen weiter wandert, bis er mir Shanes Cape sanft vom Kopf zieht.

»Besser«, kommentiert er sein Werk, bevor ich meinen Unmut darüber äußern kann. Doch das habe ich überhaupt nicht mehr vor, als ich erneut in das faszinierende Grün seiner Iriden blicke und Evan die Konturen meines Kinns sanft mit den Fingerspitzen nachzieht.

Ich bin davon ausgegangen, dass Evan mich küssen würde. Das war töricht und dumm, wenn man bedenkt, dass unsere längste Unterhaltung bisher darin bestanden hatte miteinander zu streiten. Ich musste die Signale falsch gedeutet haben, anders kann ich es mir im Nachhinein nicht erklären.

Vorsichtig nähert sich Evan noch ein Stückchen weiter und ich schließe erwartungsvoll die Augen, spüre bereits seinen Atem auf meinen Lippen. Doch kurz bevor sich seine mit meinen vereinen können, verschwindet Evans Wärme plötzlich.

Verwundert flattern meine Lider auf, doch ich habe mich nicht getäuscht. Evan ist verschwunden, die Tür steht offen und ich blicke in einen, von Besen und diversen weiteren Putzutensilien einmal abgesehen, komplett leeren Raum.
Shanes Cape liegt verlassen auf dem Boden und genauso fühle ich mich auch.

Als ich zum Footballfeld zurückkehre, habe ich keine Ahnung wie der Spielstand aussieht und welche Mannschaft vorn liegt. Ich mache mir nicht erst die Mühe nach Zara zu suchen, sondern setze mich direkt neben Schülern auf die Tribüne, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Aber das stört mich nicht, nicht mehr.

Irgendwann bricht der Großteil der Menge um mich herum in ungläubige Jubelschreie und tosenden Applaus aus. Ich blicke mich um und erkenne Shane, der seinen Helm abgenommen hat und mit seiner Mannschaft das Ende des Spiels feiert, von dem ich nicht das geringste mitbekommen habe.

Das letzte woran ich mich erinnere ist, dass ich aufgestanden bin und die Tribüne verlassen habe. Einen Wimpernschlag später, liege ich auch schon in Shanes Armen. Verzweifelt versuche ich mit den Tränen klar zu kommen, die mir heiß über die Wangen laufen und die Shane, von seinem Glücksgefühl getragen, versehentlich mit Freudentränen verwechselt.

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