⊱Kapitel 54⊰

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In all den Jahren, hat Shane noch nie die Fassung verloren. Er galt schon immer, als mein beständiger Fels in der Brandung. Fürsorglich, gutmütig und voller Ruhe, ein wahrer und liebevoller Freund. Doch vor wenigen Sekunden hat sich das schlagartig geändert.

»Shane, bitte warte!«, rufe ich, als ich ihn fast erreicht habe. Er muss mich gehört haben, denn er bleibt abrupt stehen, bis ich zu ihm aufgeschlossen habe. Schon nach den wenigen Metern Sprint bin ich völlig fertig.
»Wie kannst du dich nur mit solchen Menschen abgeben?«, will Shane augenblicklich verärgert wissen. »Niemand sollte auf diese Weise über eine andere Person sprechen!«

Da hat er recht, aber wenn ich ehrlich bin, hat es mir gefallen, was Evan über Nici gesagt hat. Zumindest der Teil, der besagt, dass es zwischen ihnen vorbei ist und er nie etwas für sie empfunden hat. Evans Wortwahl war zugegeben ... ungünstig, doch das interessiert mich nicht, solange es bedeutet, dass er Nici endgültig abserviert hat.

Als ich ihm meine Zustimmung enthalte, schüttelt Shane verständnislos den blonden Lockenkopf.

»Ich verstehe nicht, wie du dich in so kurzer Zeit so schnell verändern konntest, Maggie. Seit du Zara und die anderen kennst, ziehst du dich anders an, hast eine neue Frisur, schminkst dich mehr, tust unüberlegte Dinge und belügst die Leute, die dir wichtig sind. Dir mag es nicht auffallen, aber für mich ist es so, als würde ich mit einer ganz anderen Person sprechen und ich weiß nicht, ob mir das gefällt.«

Ich blinzele die Tränen weg, die sich in meine Augen stehlen. Noch nie habe ich Shane auch nur Ansatzweise so traurig erlebt, wie in diesem Augenblick. Wir überqueren über einen Zebrastreifen die Straße und ich suche nach passenden Worten, um ihm meinen Standpunkt zu erklären.

»Shane, ich bin noch immer derselbe Mensch. Ich verändere mich nicht, glaub mir.«
»Wenn dem wirklich so ist, warum hast du mir dann nicht von der Party erzählt, Maggie? Wieso hast du mir stattdessen gesagt, du würdest den ganzen Abend zu Hause verbringen?«

Das Argument hat gesessen. Reumütig senke ich den Blick, weil er mir eine Lüge niemals glauben würde und ich ihn bei der Wahrheit einfach nicht ansehen kann.

»Ich wusste, wenn ich dir die Wahrheit sagen würde, würdest du versuchen wollen mich umzustimmen«, sage ich. »Ich wollte nicht umgestimmt werden. Es tut mir leid, aber ich bitte dich mich zu verstehen, Shane. Mir hat immer irgendetwas in meinem Leben gefehlt, ich wusste nur nicht was es war, bis ich es durch Zara gefunden habe. Spontanität, Unabhängigkeit, Freiheit«, erkläre ich und rufe mir dabei unwillkürlich Evan in mein Gedächtnis.

»Verzeih, wenn ich dir nicht zustimmen kann. Du warst leichtsinnig und hast dich in Gefahr gebracht. Nicht jeder Jugendliche, der betrunken ist, hat nur gutes im Sinn, Maggie. Du kannst dir kaum vorstellen, was in deiner Mutter und mir in dieser Nacht vorging. Ich war krank vor Sorge und konnte nicht das geringste tun, weil ich Kilometer weit weg bei meinem Onkel war. Wäre dir etwas zugestoßen, hätte ich mir das niemals verzeihen können«, bemerkte Shane betroffen.

Wir bleiben stehen, direkt neben einer Säule, die über und über mit Werbung beklebt ist.
»Es tut mir leid, ich wollte dir keine Sorgen bereiten«, murmele ich kleinlaut. Denn Shane hat recht, aus seiner Sicht hätte ich mich nicht anders verhalten. Ich hätte mir ebenfalls Sorgen um ihn gemacht.

Shane probiert sich an einem milden Lächeln.
»Ich weiß, dass Zara und die anderen deine Freunde sind. Ich weiß, dass du ihnen vertraust, aber ich möchte doch nur, dass du in Zukunft etwas vorsichtiger bist. Ich will dich nicht verlieren, Maggie«, flüstert Shane und ergreift meine Hand, drückt sie sanft.

Die Mundwinkel bedrückt nach unten gezogen, halte ich die Trauer in seiner Mimik kaum mehr aus. Es schmerzt ihn so zu sehen. Zu tiefst verletzt und das nur meinetwegen.
»Shane, du wirst mich niemals verlieren«, sage ich und umarme ihn fest. »Ich werde dich nicht verlassen, du bedeutest mir wirklich viel.«

Ich lächele, weil Shane trotz, dass er meine Freunde nicht mag, doch hinter mir steht. Nicht einmal Evan kann daran etwas ändern.
Als wir uns voneinander lösen, hält er meine Hand noch immer fest.

Gerade möchte ich verwundert fragen, was denn los ist, doch mir bleiben meine Worte in der Kehle stecken, als Shane plötzlich seine Hand an meine Wange legt.
»Du bist wunderschön, Maggs«, wispert er. Ich stocke, doch ehe ich begreife, was das zu bedeuten hat, legt Shane auch schon seine Lippen auf meine.

Es fühlt sich an, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst.

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