⊱Kapitel 9⊰

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»Wir sind schon wieder spät dran.«
»Nein, sind wir nicht, Shane. Zu einer Party geht man nicht pünktlich. Da kommt man mit Absicht zu spät und könnte trotzdem nicht pünktlicher sein.«

Obwohl es bereits Shanes dritte Party ist, hat er noch immer nicht den Dreh mit dem richtigen Timing raus. Aber dafür hat er mich. Ich habe schließlich von der besten gelernt. Meine Schwester Jules, kommt bei so gut wie jeder Veranstaltung konsequent zu spät – trifft dementsprechend also immer zur richtigen Zeit bei Partys ein.

»Ich kann’s noch immer nicht glauben, dass wir tatsächlich zu Zaras Party gehen.«

Shane schüttelt den blonden Lockenschopf und zieht sein Handy hervor. Zweifellos um schon zum fünften Mal die Adresse zu überprüfen, die uns Zara am Freitag geschickt hat. Bestimmt hofft er insgeheim, dass wir uns verlaufen haben. Manchmal kann Shane ein ganz schöner Spießer sein, auch wenn ich es ihm nie direkt ins Gesicht sagen würde.

»Wie oft muss ich es dir eigentlich noch sagen? Dass was dir Caesy erzählt hat, sind Gerüchte. Bloß Gerüchte, Shane. Die müssen nicht stimmen.«
»In jedem Gerücht steckt ein Fünkchen Wahrheit«, erwidert Shane verbissen, was mich die Augen verdrehen lässt.


Laut Caesy ist Zara eine ehemalige Drogensüchtige, die stetig den Nervenkitzel sucht und sich dabei einmal fast umgebracht hätte. Außerdem würde ihr Punk-Look von tiefer Depression zeugen.

Ihre Freunde, zu denen neben Ian auch Kota, Evan und ein Typ namens Dylan gehört – letzteren kenne ich flüchtig aus meinem Spanischkurs –, sollen hingegen nur aus Eigennutz mit Zara befreundet sein. Außerdem geht das Gerücht um, dass Evan mit Zara schläft.

Weder weiß Caesy, dass Ian und Zara verwandt sind, noch, dass die vier sich bereits Jahre kennen. Und wenn sie diese Informationen nicht kennt, ist klar, dass der Rest unmöglich stimmen kann. Zara ist eindeutig nicht depressiv und die Drogengeschichte garantiert erfunden. Das alle fünf miteinander befreundet sind, ist also das einzige, was aus Caesys Klatsch wirklich stimmt.

»Wie wäre es, wenn wir dieses ganze Gerede einfach vergessen würden und Spaß haben?«, schlage ich erschöpft von dem streitlustigen Thema vor und zum Glück scheint Shane meiner Meinung zu sein. Vielleicht ist er es genauso leid mich von Zaras schlechter Seite überzeugen zu wollen, wie ich ihn von ihrer guten.

»Okay, lass uns Spaß haben.«
»Geht doch.« Ich lächele zufrieden.

Die ganze Woche über haben wir uns deswegen bereits in die Haare gekriegt, obwohl Zara jeden Tag freundlich und äußerst humorvoll aufgetreten ist. Normalerweise hätte Shane Zara genauso sehr mögen müssen wie ich es nach dieser kurzen Zeit bereits tue, aber Caesy scheint ihm regelmäßig Flusen in den Kopf zu setzten.

Zaras Haus ist nicht zu verfehlen. Es ist das typische Bild, was man in Serien oder Filmen aufgezeigt bekommt. Einige Jugendliche liegen bereits eine Stunde nach offiziellen Beginn der Party betrunken auf dem dunkelgrünen Rasen, während andere munter lachend, mit roten Pappbechern in den Händen, den Weg ins Haus blockieren.

Die Musik ist laut und schallt bis in den Vorgarten hinaus. Als wir das Haus betreten, ist von Zara nicht die geringste Spur zu entdecken.

»Und was nun?«, schreit Shane über die Musik hinweg. Die Luft im Haus ist stickig und geschwängert von Alkohol, Rauch und Schweiß. Trotz dessen ist die Stimmung ausgelassen und die Musik gut, wenn man die Lautstärke außen vor lässt.

»Ich hole uns einen Drink!«, brülle ich zurück, bin mir allerdings nicht sicher, ob Shane mich wirklich versteht. Er nickt und quetscht sich im Wohnzimmer auf die Couch, direkt neben ein Pärchen, welches bereits eifrig Intimitäten austauscht.

Angeekelt wende ich den Blick ab und mache mich auf die Suche nach der Küche.
»Maggie, da bist du ja!«

Zara, die sich bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Jungen unterhalten hat, den ich nicht kenne, kommt auf mich zu, kaum habe ich die Küche ausfindig gemacht und betreten.

Sie trägt ein extrem kurzes und eng anliegendes schwarzes Kleid, welches kaum Haut bedeckt und ihren schlanken Körper perfekt in Szene setzt. Ihr violettes Haar trägt sie offen, sodass es in wilden Locken ihr hübsches Gesicht umrahmt.

Zara sieht umwerfend aus. Ihr gegenüber fühle ich mich in meiner hochgeschlossen weißen Bluse und der kurzen blauen Jeans wahrlich prüde.

»Happy Birthday«, lächle ich heiter und reiche ihr eine Flasche Rotwein, die mein Vater am Dienstag freundlicherweise aus dem Supermarkt besorgt hat. Bei Mom wäre das Verschenken von Alkohol nicht infrage gekommen.

Doch wenn ich etwas gelernt habe, dann, das Alkohol wohl das beste Geschenk ist, was man einem Teenager zu seinem Geburtstag machen kann. Zwar darf man Alkohol offiziell erst ab einundzwanzig trinken, aber daran hält sich womöglich in ganz Amerika niemand. Ich eingeschlossen.

»Vielen Dank! Sag mal wo ist denn eigentlich Shane?«, will sie wissen, überrascht mich allein zu sehen.
Da die Musik hier nicht so ohrenbetäubend wie im Wohnzimmer ist, müssen wir nicht schreien, um uns verständigen zu können.

Ich winke ab.
»Er ist im Wohnzimmer geblieben. Ich wollte uns gerade etwas zu Trinken holen.«

Zara nickt erfreut.
»Na dann werde ich ihn mal begrüßen gehen. Wegen euren Drinks, Evan mixt dir ganz bestimmt etwas Leckeres. Er ist ein klasse Barkeeper.«


Zara kichert ausgelassen, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass sie bereits einiges getrunken hat. Sie verschwindet mit wiegenden Hüften im Wohnzimmer, den Wein lässt sie auf dem Küchentresen stehen, wo er bestimmt bald geöffnet werden wird. Aber es ist ja ihr Geschenk.

Mein Blick bleibt an Evan hängen, welcher hinter dem Küchentresen steht. Er würdigt mich keines Blickes, als ich unsicher auf ihn zu trete und das, obwohl ich neben dem fremden Jungen, mit welchem Zara eben noch gesprochen hat, die einzige Person im Raum bin.

Light up my WorldWhere stories live. Discover now