⊱Kapitel 31⊰

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Die Titans hatten gewonnen und ich hatte den glorreichen Sieg verpasst, weil ich meine Zeit lieber mit Evan im Besenschrank des Hausmeisters verschwendet und anschließend völlig neben mir gestanden hatte. Seit gestern Abend schaffe ich es nicht, das Geschehene nicht in Grund und Boden zu analysieren und mich selbst für mein dummes Verhalten zurechtzuweisen.

Vielleicht wollte Evan mir so beweisen, dass das, was er in der Cafeteria zu mir gesagt hatte, nicht nur leere Worte gewesen waren. Dass ich wirklich nicht sein Typ bin. Aber selbst wenn, dem so wäre, interessiert es mich nicht sonderlich. Keine Ahnung was im Besenschrank in mich gefahren war. Auch Evan ist nicht unbedingt mein Typ, schließlich hat er seinen ganzen Körper mit Tattoos verunstaltet.

»Hörst du mir eigentlich zu?«, will Shane wissen und ich bemerke zähneknirschend, dass ich schon wieder an Evan gedacht habe.
»Äh was?«, frage ich verdutzt, während ich eine kleine, kaum benutzte Handtasche aus meinem Schrank krame.

»Ich wollte wissen, ob wir loskönnen. Sonst kommen wir zu spät.«
Shanes übertriebene Pünktlichkeit lässt mich die Augen verdrehen. Ich sehe ein letztes Mal auf mein Handy, ehe ich es in der braunen Umhängetasche verstaue. Der Bus kommt erst in einer halben Stunde und wir müssen nur einen Block bis zur Haltestelle laufen.

»Klar, ich bin so weit.«

Die Vorfreude, die sich in mir breit macht, lässt mich ganz hibbelig werden. Schon die ganze Woche über habe ich mich auf den heutigen Abend gefreut. Ich liebe Bücher über alles, dementsprechend deckt mein Interesse auch mehrere Genres ab. Und für einen guten Thriller bin ich immer zu haben.

Die Stimmung zwischen Shane und mir ist ausgelassen. Selbst dann noch, als wir den Bus nehmen und stehen müssen, weil er komplett überfüllt ist. Shane scheint es nicht zu stören. Seine gute Laune kann kein Wässerchen trüben und meine ebenso wenig, weil mich Shane mit einem Repertoire an wirklich schlechten Witzen trotzdem erheitern kann.

Als wir schließlich bei der Bibliothek ankommen, sind wir wie erwartet überpünktlich. Doch damit sind wir ausnahmsweise nicht die einzigen. Obwohl noch eine gute halbe Stunde Zeit ist, drängen sich bereits rund fünfzehn Personen in die kleine Bibliothek und treten sich die Füße wund. Man kann über Shane sagen was man möchte, aber heute bin ich wirklich froh Shanes Pünktlichkeitswahn Folge geleistet zu haben.

Knapp fünfzig Holzstühle sind herbeigeschafft worden. Umgeben von Büchern, suchen Shane und ich uns schließlich einen guten Platz. Wir entscheiden uns für die zweite Reihe, weil die erste bereits von übereifrigen Fans in Beschlag genommen wird. Ich fühle mich wohl, bin aber gleichzeitig nervös, als ich mich neben Shane setze.

Ein Blick zu meinem besten Freund bestätigt mir, dass es ihm nicht anders ergeht. Mit der Zeit füllen sich die noch freien Plätze und die Gespräche nehmen zu. Damit es niemanden stört, beschließe ich mein Handy schnell auszuschalten. Zwar habe ich es bereits auf lautlos geschaltet, aber ich möchte sicher gehen. Nichts wäre peinlicher als eine Veranstaltung zu stören.

Einer von Dylans Kumpeln schmeißt heute Abend eine Party. Lust mitzukommen?

Shane, der sich zu mir rüber beugt, schnalzt gereizt mit der Zunge.
»Ich dachte du hast Zara gesagt, dass du heute mit mir unterwegs bist?«, will er wissen und hört sich dabei ungewöhnlich verärgert an.

»Habe ich auch«, erwidere ich beschwichtigend. »Aber anscheinend hat sie es noch nicht aufgegeben, mich von der Langeweile dieser Veranstaltung überzeugen zu wollen.«

Ich habe Zara am Mittwoch von meinem Wochenendplan erzählt und sie gefragt, ob sie Lust hätte mitzukommen. Daraufhin hat sie allerdings nur gelacht und den Kopf geschüttelt.
»Auf keinen Fall, lieber spiele ich im Altersheim eine Runde Bingo«, war schließlich ihr einziger Kommentar dazu gewesen.

Keine Zeit. Bin in der Bibliothek.

Ach komm schon, Maggie! Evan ist diesmal auch wirklich nicht mit von der Partie!

Seufzend schreibe ich ihr eine erneute Absage, was Shane mit einem zufriedenen Lächeln zur Kenntnis nimmt. Er legte mir einen Arm um die Schulter und gerade rechtzeitig schaffe ich es noch, mein Handy ausgeschaltet zurück in meine Tasche zu stecken.

Als der Mann des Abends, der begnadete Autor James Thomas, mit einer Ausgabe seines neuen Thrillers erscheint, brandet lauter Applaus auf. Mit einem freundlichen Lächeln auf den schmalen Lippen bedankt sich der etwa fünfzigjährige Mann für unser Erscheinen und reißt einen kleinen Scherz.

Sofort ist mir der Mann, mit dem leicht ergrauten blonden Haar, wie auch dem Rest der Anwesenden sympathisch. Während er eine kurze Einleitung zu seinem Buch anschlägt und uns mitteilt, wie er zu seiner brillanten Idee gekommen ist, lehne ich mich an Shane an und höre mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen zu.

»Officer Caleb Stark war ein guter Polizist. Er hatte noch nie Schmiergeld angenommen oder ein Verbrechen unter den Teppich gekehrt. Auch nicht, wenn es um hohe Tiere und Politiker gegangen war. Sein verstorbener Vater wäre stolz auf ihn gewesen, da war er sich ganz sicher. Doch den Fund, den er in dieser unheilvollen Nacht machen würde, würde sein ganzes Leben in ein neues Licht rücken. Nur wusste er bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der unmittelbaren Gefahr, die sich direkt hinter ihm aus den schwarzen Schatten schälte ...«

Ich weiß nicht, was mich dazu verleitet meinen Kopf von Shanes Schulter zu nehmen und meinen Blick über die anderen Anwesenden schweifen zu lassen. Es ist nur ein Gefühl gewesen, ein seltsames Prickeln in meinem Nacken.

Shane sieht weiterhin nach vorn, scheint jedes Wort von James’ neuen Buch in sich aufzusaugen, aber mit meiner Aufmerksamkeit ist es von jetzt auf gleich dahin. Ich schlucke fest, als meine braunen Augen denen von grünen begegnen.

Light up my WorldOù les histoires vivent. Découvrez maintenant