Kapitel 32

2.5K 109 15
                                    

Stillschweigend saßen wir in Noahs Auto. Ich war hin und hergerissen von meinen eigenen Gedanken er wusste nun bescheid doch würde es etwas ändern? Ich glaubte eher nicht, doch Noah war Mareks bester Freund. Sie erzählten sich doch sonst immer alles. Würde es also bald kein Geheimnis mehr sein? Wusste Marek bald das, was ich ihm für immer verschweigen wollte um ihn vor mir zu schützen?
Ich war angespannt, wusste nicht mehr genau was ich denken und fühlen sollte, war überrumpelt von meinen eigenen Gedanken und wusste nicht mehr wo oben und unten war. Er könnte mir helfen herauszufinden was es nun zwischen Marek und mir war, andererseits fragte ich mich ob ich es überhaupt wissen wollte. Was war wenn Marek für mich keinerlei Gefühle mehr empfand? Ich für ihn gestorben war, nur noch als Freundin angesehen wurde, auch nicht mehr als die Frau im Leben. Es ließ mich schlucken aber auch nachdenken, vielleicht war es wirklich besser Marek loszulassen. Vielleicht würde er glücklicher werden, wenn er nicht wüsste was er für mich bedeutete, wenn er nicht wusste, dass er mein Herz in seinen Händen hielt, wenn er nicht wusste, dass ich ihm schon längst gehörte.

Ich spürte wie mir die Tränen hoch kamen. Tränen die nichts an alledem geändert hätten, die sinnlos fließen würden da mein Leben sich abermals gegen mich wendete. Allein gelassen, so wie immer, saß ich doch Abends stillschweigend in meinem Bett, zählte die Stunden, die Minuten sogar die Sekunden dafür, das sich nichts änderte. Ich lebte vor mich hin, atmete in kräftigen Zügen, blinzelte die Tränen weg und hoffte, dass ein Wind meine moralisch falschen Gedanken wegblies. Doch nichts von alledem, was ich mir sehnlichst erhoffte, geschah. Es wurde mir nicht gestattet glücklich zu sein. Ich war da um andere glücklich zu machen, aber ich selber durfte eine Fassade darstellen, da mir die Lebensfreude geraubt wurde. Das Gefühl von Ahnungslosigkeit nistete sich dafür aber immer weiträumiger in meinem Dasein ein. Keiner konnte mir sagen wo ich hingehörte. Keiner konnte mir sagen ob ich gebraucht werde. Keiner konnte mir sagen was mein Leben auf sich hatte. Keiner konnte mir sagen wer ich eigentlich war. Das Objekt. War es nicht das was sie in mir sahen? Etwas ersetzbares.
Verlogen das waren sie alle. Sie sperrten mich ein, zwangen mich eine Puppe zu sein. Spielen sollte ich. Ich war eine Figur in meinem eigenen Leben. Ich war eine Rolle die zu meinem Lebensinhalt wurde. So gefährlich und gewagt war der blutrote Weg, doch es war der, der mir im Laufe der Jahre zugewiesen wurde. Der Puppe die zu laufen und zu stehen hatte wann sie sollte. Die Puppe die reduziert wurde auf das was sie darstellte. Ein Objekt was das natürliche Lächeln verlernt hat. Ich sollte bluten für das Lächeln anderer. Ich sollte geben aber mir niemals etwas nehmen was mir nicht gehörte. Oft genug sollte ich lieben um niemals geliebt zu werden. Warum sollte sich also jemals etwas daran ändern? Es konnte sich nichts daran ändern da der Käfig fest verschlossen war. Undurchdringlich die Gitterstäbe die mich von meinen freien Handlungen trennten. Ein Teil der Puppe spukte in mir und machte mich zu etwas was ich nicht war. Dies wurde mir abermals klar als wir das Krankenhaus betraten. Diese ganzen Menschen in ihren weißen Gewand, so unschuldig. Diese Einheitskleidung machte alle gleich trotzdem versprühten sie mehr Einzigartigkeit als ich. Diese grünen Augen die sich in die des Anderen hineinbohrten, die im Gedächtnis blieben. Meine Worte aber wurden vergessen. Ich als Mensch wurde vergessen da ich schon längst keiner mehr war. Gebraucht, geliebt das alles wurde ich doch nicht. Man kam ohne mich genauso gut zurecht womit sie es nicht nötig hatten sich die Person hinter den grünen Augen anzusehen.

Ich fühlte mich eingeengt im Fahrstuhl der eigentlich noch genügend Platz hergab. Doch meine Gedanken nahmen den Platz ein. Sie drückten mich in eine Ecke zwangen mich, mich ganz klein zu machen damit ich nicht erschlagen wurde. Die Luft erdrückte mich, das atmen fiel mir schwer und ich verlor die Kontrolle über mich selbst. Ich sah die Fragen ohne die Antworten auf mich hinabfallen. Fühlte mich so klein und hilflos obwohl Noah nicht weit von mir entfernt stand. Ich sah mich alleine wie ich es immer war. Ich konnte nach der Hand die mir gereicht wurde nicht mehr greifen da sie sich stetig entfernte und mir die Kraft fehlte ihr zu folgen. Der Boden unter meinen Füßen war plötzlich weg und ich spürte wie tief ich fiel. Ich wartete auf den Aufprall, schrie mir die Angst vor den Schmerzen aus dem Leib, spürte den eiskalten Luftzug durch meine Haare wehen, sah ein grelles Licht wartend darauf, dass ich in seine Arme fiel bevor ich den harten Aufprall erlebte.

Er stand da auf einmal ganz wackelig auf seinen Beinen und packte seine Tasche die wir ihm einst gebracht hatten. Es war so als ob nichts schlimmes Geschehen war, als ob er mir nicht die schlimmsten Wochen meines Lebens geschenkt hatte. Er tat so wir immer. In Einzelteile zersprang mein Herz abermals und ich wünschte ihm das Beste da es das Einzige war was mir nun noch blieb. Ich konnte nichts an dem ändern an dem ich gerne etwas ändern würde doch wie sollte es nur gehen? Marek war ein freier Mensch ein Mensch der selber entscheiden konnte. Ich war nicht dazu befugt in sein Leben einzugreifen Selbst wenn der Drang danach stetig größer wurde. Er war frei und konnte selber entscheiden was für ihn das Richtige war, auch wenn es mir als falsch erschien hatte ich kein Recht dazu es zu ändern denn sein Leben musste er alleine bestimmen.

,,Marek man was soll das? Leg dich wieder hin."

Er drehte sich nicht um. Er packte immer weiter seine Tasche.
,,Ich habe mich selbst entlassen. Ich muss mich wieder um Stella kümmern. Ich war schon lange genug hier. Ich will endlich wieder anfangen zu leben."

,,Marek das ist verrückt. Du kannst doch jetzt hier nicht einfach mal so rausmaschieren als wäre nichts passiert."

Selbst wenn ich mich für Marek freute, musste ich Noah zustimmen. Es war verrückt von ihm doch so kannte man ihn doch auch. Er tat immer das was er im Moment für richtig hielt ohne weiter um die Ecke zu denken. Er ging doch schon immer mit dieser Einstellung durch die Welt selbst wenn er damit Mauern zum einstürzen brachte, hinderte ihn nichts daran so weiter so Leben wie er es tat. Immer mit dem Kopf durch die Wand die Hauptsache war, dass er am Ende das hatte was er sich vorgenommen hatte. Selbst wenn die ganze Welt auf der anderen Seite stehen würde, würde er bei seiner Meinung bleiben.
Es war also vorauszusehen, dass er stur bei seiner Meinung blieb, denn Einsicht gehörte nicht zu ihm.

Er zog sich die Jacke langsam über doch man bemerkte, dass noch nichts so recht klappte wie es seiner Meinung nach klappen sollte.
Ich eilte ihm zur Hilfe da ich es ihm nicht unnötig schwer machen wollte. Der Gedanke daran, dass er noch gar nicht so lange wach war und sich nun schon Zuhause sah, ließ mich erschaudern. In Angesicht dieser Umstände bezweifelte ich, dass er ohne weiteres zurecht kommen würde. An Willensstärke fehlte es ihm nicht aber ihm fehlte die Kraft die er für alles brauchen würde. Er wollte sich wieder liebevoll um Stella kümmern doch jeder hier im Raum wusste was das bedeutete. Er würde sich aufopfern für das Wohl seiner kleiner Schwester. Er würde sich selber komplett vergessen. Egal wie oft sein Körper ihm Signale senden würde, er würde sie ignorieren um Stella ein guter Bruder zu sein. Er würde niemals auf die Idee kommen um sie um eine Pause zu bitten, denn dann konnte er ihr ihren Wunsch nicht so erfüllen wie er es wollte.

Noah griff nach der Tasche die Marek fertig gepackt hatte und sah ihn mit diesem enttäuschten Blick an.
,,Ich verstehe deine Entscheidung, Marek, aber sie ist unvernünftig."

Marek beachtete ihn nicht weiter und schwankte Richtung Tür. Noah mahlte enttäuscht seinen Kiefer und würde ihm, wenn es Marek nicht so schlecht gehen würde, seine Meinung sagen doch wir merkten beide das es gerade keinen wirklichen Sinn machte. Er war wirklich nicht in der Verfassung einen vor den Latz geknallt zu bekommen.

Ich nahm mir wieder seinen Arm und für eine Sekunde spürte ich ein Zucken seinerseits.

Noah lief vor uns her mit Mareks Tasche in der Hand während ich neben ihm herlief und ihm meinen Arm als Stütze anbot die er ein Glück auch dankend annahm.

Ich bemerkte wieder dieses Gribbeln in meinen Händen, dieses Verlangen doch ich musste mich beherrschen vielelicht sogar für den Rest meines Lebens. Ich sollte die Stunden genießen die ich mit ihm verbringen durfte vor allem seitdem ich registriert hatte wie schnell ein geliebter Mensch von einem gehen könnte.

Fight for MyselfWhere stories live. Discover now