Kapitel 33

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,,Wie viel Muscheln am Strand, soviel Schmerzen bietet die Liebe."
~Ovid

Nervös bahnte ich mir den Weg durch die Kartons, welche verstreut auf dem ganzen Boden verteilt waren. Wieder verbrachte ich meine Zeit damit mich in diesem riesigen Gebäude hin und her schicken zu lassen, doch trotz der Welle an Aufgaben ließ mich ein Gedanke nicht los.
Marek.
Er war seit knappen drei Tagen auf sich alleine gestellt und kümmerte sich wieder um Stella wie wir es alle gewohnt waren. Aufopferungsvoll laß er ihr jede Bitte und jeden Wunsch von den Lippen ab und zögerte keinen Moment ihr diese zu erfüllen. Doch er vergaß  sich selber in alldem. Es ging immer nur um Stella was er im Moment brauchte, spielte keine Rolle. Er sollte sich schonen, sich einfach ins Bett legen und die anderen alles machen lassen. Stattdessen schwang er den Kochlöffel, räumte Stella jede Kleinigkeit hinterher, putzte das komplette Haus auf Hochglanz und fuhr mit Stella kilometerweit mit dem Auto nur damit sie in irgendwelchen Indoor Spielplätzen ihren Spaß hatte.
Marek liebte seine kleine Schwester und genau diese riesige Liebe zwischen Bruder und Schwester riss ihn in den Abgrund der Erschöpfung.

Jeden verdammten Tag waren Noah und ich bei ihm. Jeden Tag bot er uns den gleichen Anblick und jeden Tag die gleiche Diskussion. Andauernd verweigerte er jegliche Art von Hilfe, schwörte darauf, dass er alles alleine hin bekam und versuchte durch sein ständiges Lächeln die offensichtliche Erschöpfung zu überspielen. Er versuchte uns mit belanglosen Gesprächen und Spieleinheiten mit Stella abzulenken. Er wollte vor uns verbergen wie er sich an jeder Kommode, an jedem Schrank oder an der Küchenzeile abstütze, weil seine Beine ihn nicht mehr halten konnten. Seine Kraft schwand von Tag zu Tag immer mehr und uns blieb nichts anderes übrig als zuzusehen. Mehr als nur Naiv war es gewesen sich eigenwillig aus dem Krankenhaus zu entlassen. Er selbst musste doch merken, dass er sich auf einem schmalen Grat befand, zwischen Leben und ewiger Erschöpfung.
Wir machten uns Sorgen um ihn, denn jetzt konnte er noch der alte Marek werden,  bald aber würde vom damaligen Marek nicht viel übrig bleiben. Bald würde er zu Grunde gehen da er sich und seine Kraft überschätzt hat. Bald gab es den Marek in den ich mich Hals über Kopf verliebt hatte nicht mehr. Es würden nur noch Erinnerungen bleiben an eine Person die mir so Nahe stand wie kein anderer, aber doch nie zu ergreifen war und vielleicht in naher Zukunft in meinem Leben nicht mehr existierte.

Das plötzliche Öffnen der Bürotür beendete meinen Gedankenschwall abrupt. Erschrocken lief ich einen Schritt zurück und knallte an einen der Kartons.

,,Marek, bist du verrückt? Was machst du hier?" Fassungslos sah ich dem kreidebleichen jungen Mann an den ich kaum noch wieder erkannte. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht entglitten. Jegliche Kraft die man ihm früher ansah verschwunden und das Feuer in seinen Augen komplett erloschen. Der Mut, die Kraft, die Lebensfreude all das war nicht mehr da. Es war eine Hülle seines alten Wesens die vor mir stand, aber schon mehr tot als lebendig  zu sein schien.
Dieser Anblick trieb mir die Tränen in die Augen.
Hatte ich ihn etwa schon verloren?

,,Ich gehe arbeiten, Maddie. Wie jeder andere gesunde Mensch auch."

,,Das ist doch ein schlechter Witz, Marek. Du gehörst ins Bett. Mein Gott was sag ich da du gehörst ins Krankenhaus! Das du es überhaupt lebend hier her geschafft hast ist ein Wunder. Wie kann man nur so unvernünftig sein?"

Keine Worte der Welt konnten nach vollziehen wie viel Wut sich in mir anstaute.  Sein Leben hing doch schon am seidenen Faden. Wieso musste er jetzt noch die Schere ansetzten um ihn für immer zu durchtrennen? Wieso konnte er nicht einsehen, dass er nicht zu kämpfen hatte sondern sich einfach Zeit geben musste um sein altes Leben zurückzuerlangen?

,,Ich bin gesund und jetzt gib mir ein paar Kisten die runter ins Archiv können."
Sein Gesichtsausdruck genauso eiskalt wie die Stimme mit denen er die Worte sagte. Das nette Lächeln und die netten Worte blieben weg genauso wie meine Hoffnung, dass er sich jetzt noch ändern konnte.

,,Du bist viel zu schwach um hier irgendwas zu machen. Geh nach Hause Marek, bitte."

Für einen kurzen Moment glaubte ich ein Funken Einsicht zu sehen, doch dieser Moment war genauso schnell wieder weg wie er kam.

,,Ich glaube ich kann das besser beurteilen als du und jetzt gib mir die Kisten. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit."

Unverstanden schüttelte ich den Kopf.
,,Ich werde dir hier nichts in die Hand geben bis du nicht wieder ganz gesund bist.  Ich will nicht, dass du hier noch zusammenbrichst und jetzt sei bitte vernünftig und geh nach Hause und leg dich hin. Ich komm nach der Arbeit zu dir und dann fahren wir zusammen ins Krankenhaus das kann und wird so nicht weiter gehen."

,,Gut du willst es nicht anders." Ich dachte nun er wäre zur Vernunft gekommen doch das war er nicht. Er bückte sich und nahm sich zwei Kisten. ,,Und damit du Bescheid weißt du brauchst nachher nicht zu mir zu kommen, denn ein Besuch im Krankenhaus ist unnötig." Dann drehte er sich um und wollte schon gehen doch eine Sache wollte er noch los werden. ,,Ah und Maddie bevor ich es vergesse. Stella und ich kommen sehr gut ohne euch klar. Eure ständige, nervige Anwesenheit ist nicht mehr erwünscht."

Dann war er weg und ließ mich in mitten von Kartons, Dreck und meinen eigenen Tränen stehen. Meine Augen immer noch auf den Punkt gerichtet wo er gerade noch stand und ich began mich zu fragen, ob Marek und ich überhaupt noch als Freunde eine Zukunft hatten.

Langsam bückte ich mich, kniff meine Augen ein wenig zusammen, damit ich die Tränen stoppen konnte.
Wusste er überhaupt wie sehr er mich verletzt hatte? Wie viel mir seine Worte bedeuteten? Was er mir damit angetan hatte? Jeden Tag hatte ich mich an sein Krankenbett gesetzt. Jeden Tag habe ich jede freie Sekunde bei ihm verbracht um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist und das war jetzt der Dank für all die Kraft die ich aufbringen musste meine große Liebe in so einem Zustand ansehen zu können.

Vorsichtig strich ich mir ein paar Tränen von den Wangen während ich mit dem Rücken zur Tür stand und ein paar Kartons mit dem kleinen Rest Altpapier vom Vortag befüllte. Nur nebenbei bemerkte ich wie die Tür wieder geöffnet wurde. Wahrscheinlich war es Marek der weitere Kisten gegen meinen Rat ins Archiv bringen wollte, doch erstaunt war ich schon, denn dann hatte er ein ganz schönes Tempo, wenn er jetzt schon wieder hier oben stand. Ich wartete also nur darauf wieder das Scharben der Kisten zu hören doch es ließ länger auf sich warten als ich dachte.

Plötzlich spürte ich den heißen Atem von jemanden an meinem Hals und dieser betörende Duft stieg mir wieder in die Nase. Saubere aber doch dreckige Hände schlangen sich um meine Taille und drückten meinen Körper ganz fest an seinen.
Schlagartig riss ich meine Augen auf und wünschte mir, dass es nur ein schlechter Traum war doch seine Stimme raubte mir jede Hoffnung die ich hegte.
,,Endlich bist du mein, Angel."

Fight for MyselfWhere stories live. Discover now