Kapitel 38

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Die Zeit verging mit jeder Sekunde schneller. Immer unabhäniger drehten sich die Zeiger auf der Uhr. Sie hatten ihren Rhytmus, ihre Bestimmung, ihre Arbeit. Sie wussten wohin, im Gegensatz zu mir. Tagelang schon wusste ich nicht mehr wo unten und oben war wo ich mich überhaupt befand. Immer dieses hin und her meiner Gedanken, nie waren sie sich einig. Es war zu viel und doch zu wenig. Konnte mir keiner sagen wo ich hingehörte? Jegliches Zeit und Raum Gefühl verloren. Die Menschen aus meinem nächstem Umfeld schon fast vergessen, denn sie hatten mich vergessen. Es schien mir wie eine Ewigkeit die nun vergangen war, als ich mein Zimmer das letzte Mal mit einem Ziel vor Augen verließ. Hatte ich es überhaupt schon mal verlassen? Es konnte doch nicht sein das ich wirklich in diese Welt gehörte. Ich konnnte mich nicht noch mehr zurecht biegen. Es war nutzlos, denn nie würde ich jemand anderes sein. Nie würde aus  mir das werden was andere in mir sehen. Ich war ein Wrack und keiner war da. Keiner war da und nahm sich meiner zerbröselten Hülle an. Vermutlich wusste keiner wie. Nicht mal meine Mutter sah das in mir was ich nun war. Ich war ausgebrannt, brauchte neue Luft, denn es reichte nicht mehr die Welt vom Balkon aus zu beobachten. Die Welt wurde immer kleiner, schrumpfte in sich zusammen, kühlte sich selbst auf minusgrade runter und nahm mein Herz mit in den ewigen Eisschrank der Einsamkeit.

Diese riesige Distanz die nun zwischen uns lag, diese Ruhe, keiner wagte mehr ein Wort zu sagen. Es gab den Klärungsbedarf doch keiner erklärte sich für verantwortlich. Wir schwiegen uns weiter an. Nahmen den Verlust in Kauf, unternahmen nichts dagegen sondern akzeptierten es einfach. Keine andere Chance gab es nun für uns. Marek und ich schwiegen uns an, sahen uns kaum noch an. Es hingen dicke, dunkle Wolken über uns. Das alles was es vorher war: eine gute Freundschaft stand nun auf der Kippe. Es tat sich nichts, es veränderte sich nichts. Es war das was ich in meinen schlimmsten Befürchtungen kommen sah, wenn wir uns eines Tages annähren würden, wäre alles hinfällig was wir bis dahin waren, weil wir nie wieder dahin zurückkehren könnten. Unsere Freundschaft war wohl verloren. Wir waren verloren. Vielleicht war es besser so. Jeder von uns hatte nun die Chance sein Leben zu leben wie man es für richtig empfand. Marek hatte jetzt die Chance glücklich zu werden ohne mich als Gefahr. Doch obwohl ich wusste, dass es sehr wahrscheinlich am besten so war, plagte mich der Fakt das wir so auseinander gingen. Wir hatten so viel zusammen durch gemacht und das alles war nun auf ewig verloren. Es war Schade das uns so etwas vollkommen aus der Bahn warf, uns trennte und nie wieder zusammen kommen lassen sollte.

Doch immer noch quälte mich der Gedanke an das andere Mädchen welches Marek noch in den Arm nahm, wenn sie weinte oder wenn es ihr schlecht ging. Sie hatte das Glück noch um sich herum. Sie hatte die Chance Marek glücklich zu machen und ihm die Frau zu sein die er verdiente. Sie hatte die Chance dazu Marek für immer nach vorne sehen zu lassen und seine Vergangenheit in ihm Ruhen zu lassen. Sie konnte ihm die unsichtbare Stütze sein die er brauchte. Sie konnte die Person sein die ihr Leben mit seinem vereinigt. Sie konnte mit dafür sorgen das aus Stella eine richtige Frau mit Anstand und Verstand wird. Sie konnte der Grund für sein tägliches Lächeln sein, das an ihm besser ausah als an allen anderen Männern. Sie könnte die Frau seines Lebens sein. Die Frau die ich niemals sein würde. Ob sie der Grund für all das war? Wusste sie von dem was zwischen uns vorgefallen war? Hatte sie annährend eine Ahnung von dem was er für mich war? Hatte sie vielleicht heimlich die Fäden in der Hand und stürzte unsere Freundschaft in den Abgrund?

Doch auch wenn mich all dies plagte, würde ich darauf keine Antwort bekommen, denn keiner interessierte sich für mich. Wer war ich schon? Ich war nichts. Ich war nichts wert. Ich war nie jemand besonderes. Ich war nicht einzigartig auf dieser Welt. Mich und meine Geschichte erhörte keiner, egal wie laut ich zu schreien vermögte. Wen interessierte es schon wie es mir am Ende des Tages ging? Keiner würde sich für meine verkümmerte Leiche im Fluss interessieren, da ich sowieso nicht zu retten war. Doch auch mein lebendes Ebenbild war nicht mehr zu retten, all die Narben, all die Tränen haben mich gezeichnet, mich angegriffen, mich schneller reifen lassen, doch niemals verstehen lassen das mein Leben unerwünscht auf diesem Planten war. Mich hätte es doch noch nicht mal geben dürfen! Die Tochter einer Junkie Mutter und eines Schweins der seine eigene Tochter misbrauchte.

Wie konnten Menschen freiwillig Zeit mit mir verbringen wollen? Wieso verschwendeten sie ihre Zeit mit mir? All das brauchte doch keiner. Wer brauchte mich denn schon in seinem Leben, so etwas wie mich? Ich war doch schon längst nicht mehr das was ich mal war. All das was ich mal besaß, trug nun mein Vater bei sich. Der Mann der mir alles genommen hat und immer noch auf freien Fuß durch die Gegend wandert, nur weil ich damals Gnade vor Recht ergehen ließ, dabei war es unbegreiflich, dass ich Gande in bertacht zog bei dem was er mir angetan hat, denn wer begnadigte mich? Ich schleppte jeden Tag alles mit rum. Musste versuchen das alles zu verdrängen. Musste versuchen mich zu ändern, aber nichts auf der Welt konnte mich meinen Vater vergessen lassen, dieses dreckige Lächeln würde ich niemals vergessen. Doch wieso sollte ich Mitleid erwarten? Keiner hat das erlebt was ich erleben musste, denn erst wenn man selbst erlebt hat, wie es sich anfühlt von seinem eigenem Vater misshandelt zu werden, konnte man verstehen was in mir vorging.

Mein Herz bereits vergeben doch meinen Körper gab ich jemand anderem. Keinen einzigen Tag konnte ich mir erklären wie ich mich dazu hinreißen lassen konnte. Verraten hatte ich meine Liebe zu Marek. Marek war zu der Zeit im Krankenhaus und ich hatte nichts besseres zu tun als mir mit Lukas ein Bett zu teilen. Ich hatte mich selbst hintergangen, Marek fast schon betrogen und trotzdem sah ich ihm schamlos weiter in seine Augen, da ich mir nicht ausmalen wollte wie er darauf reagieren würde nach all dem was zwischen ihnen vorgefallen war. 

Fight for MyselfWhere stories live. Discover now