~Kapitel 37 - Die Nacht wird zum Tag ( Teil 2 )~

1.2K 99 8
                                    

Ich wusste ganz genau, dass Azrael über meine Entscheidung überrascht war und ich wusste auch, dass er mir am Anfang kein Glauben schenkte, obwohl ich es mir selber nicht erklären konnte, wie ich genau zu dieser Entscheidung gekommen war. Irgendetwas drängelte sich in meiner Unterbewusstsein. Irgendetwas, was man als Wut und Hass bezeichnen konnte.

Sekunden vergingen, die mir wie Stunden vorkam und Azrael erwiderte immer noch nichts. Wie von selbst, wiederholte ich meine Wörter unbeabsichtigt wie eine Abspielkassette, um beweisen zu können, dass ich es ernst meinte, warum auch immer. Nebenbei spürte ich auch die Blicke von meinen Freunden auf mir, die genauso schockiert und verwirrt waren, wie Azrael selbst, doch der lächelte mich plötzlich an. „Wie es aussieht, hast du den Wandel bald hinter dir. Du empfindest genauso wie ich, du fühlst genauso wie ich und du willst genauso handeln wie ich. Genau so wie ich es haben wollte.“ Ich runzelte meine Stirn. „ Wie ist das Möglich?“ Azrael lächelte amüsant. „ Ach meine wunderschöne Lynn, durch den Blutaustausch haben wir nicht nur unser Blut ausgetauscht, sondern gleichzeitig auch unsere Gefühle, Emotionen und unsere Denkweisen. So konnte ich zum Beispiel deine Verletzlichkeit deutlich spüren, als du erfahren hattest, dass dein Onkel für den Tod deine Eltern verantwortlich war. Ich habe ihn auch einerseits deshalb umgebracht, weil ich deinen Trauer gespürt habe und sie waren unerträglich, so als hätte der Bastard mich ebenfalls verletzt.“ Er setzte seine Stirn in Falten und sah nachdenklich aus, doch dann sprach er weiter. „Wir beide sind körperlich und geistig verbunden, Lynn. Du willst deine lieben Freunde deshalb umbringen, weil du meinen Hass, die ich für sie empfinde, ebenfalls spüren kannst. Du willst sie umbringen…", Azrael beugte sich leicht zu mir runter und flüsterte gefährlich: „ …weil ich es will.“ Ich schluckte schwer und fühlte wie sich meine Nackenhaare aufrichteten. Wie konnte sowas nur möglich sein? Wie konnte ich bloß durch Azrael’s Hass, die er für meine Freunde empfand, gesteuert werden, um sie dann eigenhändig umzubringen? Doch ich konnte Azrael’s Gefühle, die nur aus Wut und Hass bestand, nachempfinden, so als wären sie meine eigene.

Der Hybrid überreichte mir auf wundersamer Weise den Dolch, die ich erst genau beobachtete, bevor ich sie dann in Zeitlupe nahm. Ich schluckte noch das letzte Mal hart, dann rappelte ich mich langsam auf und ging Schritt für Schritt auf meine Freunde zu, die mich mit gemischten Gefühlen beobachteten, ohne ihre Blicke von mir auch zu lösen.  „Ich bin gespannt, wen du als erstes den Dolch ins Herz stoßen wirst. Die Entscheidung liegt nur allein bei dir, meine bezaubernde Lynn.", hörte ich Azrael hinter mir amüsierend zu rufen und lachte am Ende noch frech, was die ganze Halle überdeckte und mehrere Echos bilden ließ. Ich fühlte mich mit jedem Schritt den ich machte seltsamer. Beschreiben konnte Ich meine Lage nicht genau aber irgendwie herrschte in mir ein Orkan voller Gefühlen und Emotionen, die mächtig aufeinander prallten und wie kleinen Glasscherben, die daraus entstanden, meine Seele tiefe Schnittwunden zufügten. Schließlich fühlte ich Dinge, was nicht zu mir gehörte, sondern einem Fremden. Nämlich von Azrael. Es war wie eine unsichtbare Schnur, dass mich mit den Gefühlen, die Emotionen und das Fühlen von ihm, verband.

Jeden Schritt den ich machte, jeden Schritt den ich wagte, fragte ich mich immer wieder, sei es auch nur kurz, was ich gerade hier eigentlich tat. Wollte und konnte ich denn meine Freunde umbringen? Meine Freunde, die für mich wie eine Familie waren...?

War ich denn dazu fähig? Warum unternahm ich nichts? Warum ließ ich den Dolch nicht einfach fallen und wehrte mich nicht? Warum verspürte ich in dem Moment kein Mitleid, sondern nur Wut und Hass? Ich konnte einfach diese Gefühle, die mich kontrollierten, nicht verdrängen, sie waren viel zu stark gewesen. Stärker als meine Gefühle, die ich für meine Freunde empfand, nämlich Liebe, Zuneigung und Vertrauen.

Wie ein Geist lief ich mit der Dolch in der Hand immer weiter, bis nur noch ein bestimmter Distanz zwischen meine Freunde und mir  entstand. In der Halle war es still, nur meinen unregelmäßigen Atem und meine Herzschläge, die wild in meiner linken Brustseite klopften, konnte ich hören. Wie von selbst, analysierten meine Blicke jeden einzelnen meiner Freunde, dabei tauchten einige Blider auf, die ich als Erinnerung zuordnen konnte. Erinnerung von der WG und von meiner Freunde.

Die Nacht der UnsterblichenWhere stories live. Discover now