Kapitel 11

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... wo wir nur Liebhaber und nicht auch Partner sind. Mit gerunzelter Miene stach er geistesabwesend in seinem Rührei herum und lauschte nur halbherzig den Ausführungen seiner Schwester. Er hatte verstanden, dass Mary offensichtlich eine schlechte Erfahrung gemacht hatte und konnte ihre Versuche ihn auf Distanz zu halten nachvollziehen. Dennoch war er nicht ihr Ex-Freund und konnte dementsprechend nicht akzeptieren mit diesem Mann in einen Topf geworfen zu werden - nur, weil sie ein einziges Hobby und die Anziehungskraft für eine Frau gemein hatten.
„Du hörst mir gar nicht zu, Hayden." Phoebe sah ihn aus ihren schokobraunen Augen anklagend an, während sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. „Sei wenigstens so nett und lass mich an deinen Gedanken teilhaben, wenn du mir schon nicht zuhörst."
Hayden ließ die Gabel fallen und strich sich mit einer Hand über das Kinn. „Ich denke die ganze Zeit an Mary."
„Sie hat mir erzählt, dass ihr jetzt Freunde seid."
„Freunde", murmelte er abfällig und schüttelte sich innerlich. „Sie kann mich nicht mit ihrem Ex-Freund in einen Topf werfen. Sie kennt mich nicht und ich bin ganz sicher kein Mann, der in ihr nur sein Betthäschen sieht."
Phoebe verzog das Gesicht. „Mary hat viel durchgemacht und wird schon wissen, was sie tut."
„Angenommen sie wäre nicht deine beste Freundin, welchen Tipp würdest du mir geben?"
„Welchen Tipp?" Hayden nickte. „Wahrscheinlich würde ich dir empfehlen hartnäckig und stets du selbst zu sein."
Er war ein Kämpfer. Er nahm sein Ziel ins Visier, kalkulierte die Stärken seines Gegners und fand dessen Schwäche, um schließlich an ihm vorbei zu preschen und den Treffer zu versenken. Er machte nicht auf der halben Strecke kehrt - nur, weil sein Gegner verlauten ließ, dass es falsch wäre. Hayden würde nicht aufgeben. Er würde kämpfen bis Mary die seine wäre.
„Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Hayden, was auch immer du dir überlegt hast, lass es sein. Es wird nicht gut gehen."
Lächelnd lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und musterte Phoebe, die beunruhigt hin und herrutschte.
„Was meinst du?"
„Ich kenne diesen Ausdruck. Du schaust immer so, wenn du dir eine Taktik überlegt hast, mit der du deine Gegner auf dem Spielfeld umgehen und den Sieg nachhause bringen kannst. Was auch immer du dir für einen Plan zurechtlegst, Mary ist noch nicht bereit für eine neue Beziehung - und du auch nicht .."
Sein Grinsen erstarb, als die Worte seiner Schwester zu ihm durchdrangen.
„Ich ... Eigentlich sollte ich das nicht erzählen, aber Mary hat unter der Trennung sehr gelitten. Ihre Familie ist nicht so herzlich, aufmerksam und liebevolle wie unsere. Er war für sie ihr Fels in der Brandung und von dem einen auf den anderen Tag war er wie ausgewechselt. Er hat sich ausschließlich auf sein Hobby konzentriert, seine Freizeit lieber mit seinen Freunden verbracht, sich mit anderen Frauen getroffen und die zweisamen Momente, die in kurzer Zeit rapide abnahmen, wurden emotionsloser. Mary setzte damals alles daran, ihre Beziehung zu retten. Vergeblich. Nach ihrer Trennung stellte er sie als Schlampe da, die sich während ihrer Beziehung mit anderen Männern vergnügte und er gestand öffentlich auch sie hintergangen zu haben. Mary wechselte bald die Schule, um den hämischen, herablassenden Blicke der anderen zu entgehen und ein neues Leben zu beginnen. Sie war zu jener Zeit äußerst verletzlich, was ihre Familie ausnutzte und ... jedenfalls, wenn Mary liebt, dann liebt sie und gibt 100% und wenn es nicht funktioniert, dann wäre das fatal. Lass sie ihre Zukunft aufbauen und nähere dich ihr dann an. Lass Ihr Zeit, Hayden." Schlampe. Er hatte Mary kennengelernt, als sie alleine verträumt, ihre Zukunft planend und keineswegs flittchenhaft an einem späten Freitagabend durch den Wald lief. Er konnte sich gut vorstellen, dass ihr Ex-Freund sich neben ihr unwohl gefühlt hatte, weil sie kultivierter und cleverer als die übrigen Mädchen in ihrem Alter war und er ihr nicht das Wasser reichen konnte. Und aufgrund seines gekränkten Egos hatte er es Mary heimgezahlt, indem er ihren Ruf in den Schmutz zog.
Wütend ballte er die Hand zur Faust. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie Mary sich in jenem Moment gefühlt haben musste.

„Wir sehen uns heute Abend und danke, dass du uns fährst", verabschiedete sich Phoebe, drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und sprang dann aus seinem Auto. Er beobachtete sie noch bis sie hinter der Haustür ihres Wohnheims verschwunden war, eher er das Gaspedal seines Autos betätigte und sich auf den Weg nachhause machte. Im Vorbeifahren musterte er die übrigen Studenten, die mit unzähligen, in den Armen gestapelten Bücher über den Campus liefen. Abrupt betätigte er die Bremse und fuhr an die Seite, als er nur wenige Meter entfernt einen zierliche Frau entdeckte, deren süßer, knackiger Hintern heute in einer kurzen Shorts steckte und der vertraute, brünette Pferdeschwanz fröhlich hin und her schwang. Ohne sie aus den Augen zu verlieren, verließ er sein Fahrzeug und folgte ihr mit einigen Metern Abstand.
Sein Blick glitt über ihre schlanken, trainierten Beine, die in der Shorts besonders lang wirkten. Er konnte ihre Beine, die sich um seine Hüften schlangen noch immer spüren, ihre Brüste, die sie an ihn pressten und ihren lieblichen, süßen Duft riechen. Hayden lachte kopfschüttelnd. Sie konnte von ihm verlangen, was sie wollte - aber sich von ihr fernzuhalten, stand keineswegs zur Debatte!
Mary bog in die Bibliothek ab, grüßte die Bibliothekarin und durchquerte die Gänge zielstrebig. Vorsichtig stellte sie ihren Rucksack an einem Sessel ab und fuhr mit einer Hand über die Buchrücken, während sie das Regal absuchte.
Lächelnd zog sie ein Buch aus dem Regal, schlug es auf und überflog die ersten Seiten, bevor sie es zusammenklappte und ein weiteres Buch herauszog. Hayden lehnte ein paar Meter entfernt am Regal und beobachtete sie. Völlig in ihre Suche vertieft, bemerkte sie ihn nicht.
„Du bist süß, wenn du lernst." Erschrocken fuhr sie herum und er fing das Buch auf, dass sie vor Schreck fallen ließ.
„Was machst du hier, Hayden? Du hättest mich beinahe zu Tode erschreckt."
„Ich war mit Phoebe frühstücken und habe dich auf meinem Heimweg entdeckt." Mit gerunzelter Stirn nahm sie das Buch ab.
„Und wieso bist du mir hierher gefolgt?"
„Ich wollte mit dir reden. Du warst gestern sehr schnell weg."
„Ich muss lernen. Ich habe keine Zeit." Hayden zog tief ihren Duft in sich auf, als sie sich an ihm vorbei zu ihrem Rucksack drängte und schließlich auf einem der Sessel Platz nahm.
„Dann warte ich." Lässig ließ er sich auf einem anderen Sessel fallen und beobachtete sie. Mit gerunzelter Stirn blätterte sie störrisch durch das Buch und biss sich auf die Unterlippe. Sie war wütend. Irgendwie gefiel ihm ihre wütende, zügellose Seite.
„Kannst du dich nicht anders beschäftigen?"
„Ich werde gerade sehr gut unterhalten und bezweifle, dass jemand dies übertreffen könnte." Zumindest schaffte es nicht jemand, der nicht Mary war. Sie stöhnte auf, als sie das Buch wütend zu schlug und zu ihm auf blickte.
„Was willst du, Hayden?" Sie legte das Buch zur Seite und sah ihn aus ihren eindringlichen blauen Augen ernst an.
„Ich habe mir deine Worte von gestern noch einmal durch den Kopf gehen lassen." Und zusammen mit den neugewonnen Informationen von Phoebe, wusste er nun, wie er Mary verführen konnte.
„Ich dachte, wir wären durch mit dem Thema."
„Du wolltest gestern eine Unterhaltung, stattdessen führtest du einen Monolog. Ich bin hier um nun meinen Teil zu dem Gespräch beizusteuern." Seufzend lehnte sich Mary in dem Sessel zurück, überschlug die langen Beine und nickte schließlich.
„Na gut. Dann teile mir deine Gedanken mit." Sie machte eine Pause und holte tief Luft. „Aber es wird nichts an der Tatsache ändern, dass wir Freunde sind."
Freunde. Er hasste dieses Wort. „Ich möchte, dass du ehrlich zu mir bist und wir nun ein klärendes Gespräch führen. Wenn wir fertig sind, haben wir genau drei Möglichkeiten: entweder wir versuchen es miteinander, wir sind Freunde oder wir wechseln ohne Phoebe nie wieder ein Wort miteinander."
Das letzter Punkt absoluter Bullshit war, musste Mary nicht wissen. Er nannte die letzte Möglichkeit nur, weil es genau das war, was Mary von ihm wollte - zumindest das, was ihr Verstand ihr riet.
„Einverstanden. Die Wahrheit", flüsterte sie und sah nachdenklich zu Boden.
„Dein Ex-Freund und ich haben genau zwei Dinge gemeinsam: Basketball und eine enorme Lust auf dieselbe Frau - mit einem Unterschied! Ich will dich als meine beste Freundin, meine Partnerin und die Frau, der ich jede Nacht nicht ein, nicht zwei, nicht drei Orgasmen sondern mehr schenke. Ich will eine Frau, mit der ich über meine Fehler sprechen, über schlechte Witze lachen und Abends den Sonnenuntergang bewundern kann. Ich will eine Frau, die mich bei meinen Entscheidungen unterstützt, die eine Zukunft mit mir aufbaut und irgendwann eine Familie gründet. Ich will eine Frau, die morgens neben mir liegt, wenn ich aufwache, bei der ich mittags einen Steifen bekomme, wenn ich daran denke, was abends geschieht und die abends nach intensiven, ausgiebigen Bettsport in meinen Armen einschläft. Zwischen dir und mir besteht eine Anziehungskraft, die ich seit langem nicht mehr verspürt habe und ich will später nicht bereuen, die Chance nicht genutzt zu haben." Hayden machte eine Pause und sah sie aufmerksam an. Sie blickte zu Boden und spielte nervös mit ihren Fingern. „Mary, ich möchte dich kennenlernen und herausfinden, ob du die Frau bist, die meine beste Freundin, meine Partnerin und meine Liebhaberin sein kann. Gib mir diese eine Chance und wenn du nach drei Dates noch immer der Meinung bist, dass es nicht funktionieren würde, dann haben wir es zumindest versucht."
Nervös fuhr er sich mit einer Hand durch das Haar. In diesem Augenblick überkamen ihn die Gefühle, die er in jener Nacht mit ihr am See empfunden hatte. Als sie einander küssten, streichelten und sie sich unbewusst an seinem harten Glied gerieben hatte. Die leisen, lustvollen Töne, die ihren sündigen Mund verlassen hatten, war Musik in seinen Ohren gewesen. Das Keuchen. Das Seufzen. Das Stöhnen. „Mary?"
„Es ..." Mary schloss die Augen und atmete tief durch. „Es freut mich zu hören, dass du ernsthafte Absichten verfolgst. Aber meine Freundschaft ist bereits alles, was ich dir anbieten kann. Mehr geht nicht."
„Wieso?"
Traurig schlug sie die Augen auf und biss sich auf die Unterlippe. „Wir tun einander nicht gut, Hayden. Eigentlich wäre es am Besten, wenn wir einander meiden würden, aber es geht nicht."
„Woher willst du das wissen, wenn wir es nicht einmal ausprobieren?" Ihr Mundwinkel zuckte vor den Bruchteil einer Sekunde nach oben.
„Vertrau mir, Hayden. Früher oder später wird das mit uns im Chaos enden."
Hayden rutschte von seinem Sessel, kniete sich vor sie und umfing ihre zierlichen Händen mit seinem. Sie zitterte und sein Herz zog sich schmerzlich zusammen.
„Nur drei Verabredungen, Mary." Sie seufzte.
„Es geht nicht. Es tut mir leid."

UnverhofftWhere stories live. Discover now